Das Handbuch zum Gründen und Betreiben von FoodCoops
Danksagung
Ein aufrichtiges Dankeschön richtet sich an alle Personen, die zur Herausgabe von diesem Handbuch beigetragen haben. Besonderen Dank gebührt den vielen Initiativen und FoodCoop-Mitgliedern in Österreich. Danke für eure Erfahrungen und Beiträge, die in das Buch eingeflossen sind.
Und noch ein Hinweis zu geschlechtergerechten Sprache:
Dieses Handbuch richtet sich an alle Menschen, die Interesse an dem Thema FoodCoops haben. Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei geschlechtsspezifischen Begriffen jedoch nur die weibliche Form verwendet.
Über FoodCoops
FoodCoops gibt es in Österreich nun seit über zehn Jahren. In diesem Handbuch wurden möglichst viele zentrale Erfahrungen aus diesem Zeitraum zusammen getragen. Damit soll die FoodCoop-Idee bekannter gemacht und motivierten Menschen das Starten einer eigenen Initiative erleichtert werden. Die Inhalte sind jedoch nicht als starre Beschreibung des FoodCoop-Modells in Österreich anzusehen. Das Modell wird (hoffentlich) von der immer größer werdenden Szene weitere ntwickelt und laufend mit zusätzlichen Erf ahrungen bereichert werden. Alle FoodCoops sind dazu aufgerufen, sich an diesem Prozess zu beteiligen, sich gegenseitig zu unterstützen, voneinander zu lernen und gemeinsam für Ernährungssouveränität einzutreten.
Was ist eine FoodCoop?
In Österreich sind FoodCoops eine relativ neue Erscheinung, während in anderen Ländern dieses Modell schon seit Jahrzehnten etabliert ist. Der Begriff FoodCoop wurde daher aus dem englischsprachigen Raum übernommen. Die erste Hälfte ist schnell übersetzt: „Food“ heißt „Lebensmittel“. Die zweite Hälfte „coop“ ist die Abkürzung für „cooperative“, auf Deutsch „Kooperative“. Das heißt so viel wie „zusammenwirken“ oder „miteinander etwas bezwecken“. In Summe bedeutet der Begriff „FoodCoop“ also grob „die Lebensmittelversorgung gemeinsam gestalten“.
Der Grundgedanke einer FoodCoop ist weder neu noch innovativ, ganz im Gegenteil, er wird täglich unzählige Male gelebt, etwa wenn eine Nachbarin oder eine Arbeitskollegin fragt: „Ich hole mir vom Bauernhof Eier und Brot, brauchst du auch was, soll ich dir was mitbringen?“ Bei einer FoodCoop wird diese Frage auf einen größeren Personenkreis ausgeweitet, das Miteinander-Einkaufen wird organisierter angegangen und die Produkte stammen nicht nur von einem einzelnen Bauernhof, sondern von mehreren Bezugsquellen, sodass ein gewisses Grundsortiment zustande kommt.
Konkret sieht das so aus: Ein paar dutzend private Haushalte schließen sich zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammen. Die Mitglieder, also die die einzelnen Haushalte, bestellen gesammelt bei umliegenden Bauernhöfen und anderen Anbietern. Diese liefern die vorbestellten Waren an einen zentralen Umschlagplatz, genannt das „FoodCoop-Lager“. Dort erfolgt die Verteilung, jede Konsumentin holt sich ab, was sie vorbestellt hat.
Praxisbeispiel: Bis Dienstag geben alle Mitglieder innerhalb der FoodCoop bekannt, welche Lebensmittel sie diese Woche benötigen. Am Dienstagabend erfährt die Gemüsebäuerin von der FoodCoop: „Wir brauchen diese Woche 27 Salate, 35 Karotten, ...“, an die Milchbäuerin geht die Info: „Wir brauchen diese Woche 23 Liter Milch, 17 Joghurt, ... “, usw. Die Bäuerinnen liefern am Freitag die bestellten Produkte ins FoodCoop-Lager. Dann kommen die Konsumentinnen. Anna hat z. B. einen Salat und zwei Joghurt bestellt, sie nimmt sich genau diese Produkte. Am Freitagabend sind alle frischen Lebensmittel abgeholt.
Eine FoodCoop funktioniert wie ein Kreislauf: Private Haushalte
organisieren sich als Mitglieder der FoodCoop. Gemeinsam geben sie
Sammelbestellungen bei verschiedenen Anbietern ab. Diese liefern
die Waren in das FoodCoop-Lager. Dort holen die Mitglieder ihre
Vorbestellungen ab.
Im Vergleich zu anderen Versorgungswegen haben FoodCoops einige recht praktische Vorzüge:
- Die Lieferantinnen können sich auf die Produktion der Lebensmittel konzentrieren und müssen sich nicht stundenlang Zeit fürs Verkaufen nehmen, wie etwa bei einem Bauernmarkt. Für die Mitglieder steht trotzdem ein gebündeltes Produktangebot zur Auswahl, ähnlich wie auf einem Bauernmarkt.
- Durch die Vorbestellungen können die Produzentinnen besser planen, die Konsumentinnen erhalten genau das, was sie brauchen. Es entsteht kein unnötiger Lebenmittelmüll.
- Im Vergleich zu unternehmerischen „Geschäftsideen“ bringt eine FoodCoop so gut wie kein finanzielles Risiko mit sich, es braucht kaum Startkapital und die laufenden Kosten sind minimal.
- Eine FoodCoop kann im Prinzip von jeder motivierten Gruppe gegründet werden, einschlägige Ausbildungen, Befähigungen etc. sind nicht notwendig.
Das wahre Potential von FoodCoops wird bei der Aufzählung solcher „technischer“ Vorzüge nicht sichtbar, denn diese Initiativen sind viel mehr als eine Einkaufsmöglichkeit. Zum erfolgreichen Gründen und Betreiben einer FoodCoop gehört darum auch mehr, als einfach nur Sammelbestellungen zu organisieren. Um zu verstehen wie dieses Modell wirklich funktioniert und für wen es eine sinnvolle und befriedigende Alternative darstellt, sollen zuerst die Motive und Ziele beschrieben werden.
Motive und Ziele von FoodCoops
FoodCoops stellen eine Bezugsmöglichkeit für Lebensmittel dar. Das macht sie aber nicht einzigartig, denn in Österreich gibt es unzählige Supermarktfilialen, Hofläden etc. Im Gegensatz zu früheren Erzeuger-Verbraucher-Initiativen sind FoodCoops heutzutage auch nicht mehr notwendig, um Vermittlungskanäle für Biolebensmittel zu schaffen, denn diese gibt’s mittlerweile nahezu an jeder Straßenecke.
Ist das Modell vielleicht die günstigste Einkaufsmöglichkeit? Schnäppchenjägerinnen müssen enttäuscht werden: Zwar finden sich in FoodCoops nur selten überteuerte Preise, aber faire Bezahlung der Produzentinnen ist fixer Bestandteil der Idee. In FoodCoops wird der Wert von Lebensmitteln und deren Produktionsweise anerkannt, Tiefpreise, bei denen wer anderer draufzahlt, sind verpönt.
Warum also FoodCoops? Sie entstehen aus einem Mix verschiedenster (unbefriedigter) Bedürfnisse. Immer mehr Menschen wollen wissen, was sie essen. Sie wünschen sich „natürliche“, „unverfälschte“, „nicht industriell gefertigte“ Lebensmittel aus regionaler Herkunft, am besten mit persönlichem Bezug zu den Produzentinnen, in einer intakten Umwelt. Aber nicht überall und jederzeit gibt es Bauernmärkte, das Höfesterben setzt sich fort, kleinere Bäckereien und Fleischereien müssen schließen. Es ist eine paradoxe Situation: Irgendwie werden genau die Angebote immer weniger, nach denen sich immer mehr Menschen sehnen.
Manche dieser Menschen wollen das nicht als gegeben hinnehmen. Einfach nur Jammern oder Aufregen macht sie aber nicht glücklich. Sie wollen direkt im eigenen Lebensumfeld etwas ändern und selbst einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der regionalen Bio-Landwirtschaft, der Nahversorgungsstrukturen und Esskultur leisten. Solche Menschen gründen FoodCoops!
Die genauen Ziele sind dabei nicht einheitlich, sie reichen von pragmatischen Bedürfnissen bis zu politischen Forderungen und Ansätzen gesellschaftlicher Veränderungen. Oft geht es um die Begriffe „regional, ökologisch, sozial, fair, selbstbestimmt“. Die nachfolgende Liste bietet ohne Anspruch auf Vollständigkeit einen Überblick, was FoodCoops erreichen wollen:
Was wollen FoodCoops erreichen?
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Versorgung mit frischen, kulturell wertvollen (Bio-)Lebensmitteln gewährleisten: Selbstverständlich wollen FoodCoop- Mitglieder „was Gscheits“ zum Essen. Es geht ihnen dabei aber nicht nur um die eigene Gesundheit oder andere persönliche Ziele, sondern auch um das Fördern von Strukturen und Rahmenbedingungen, die solch eine Versorgung gewährleisten. Ernährung wird nicht als individuelle Frage, sondern als gesamtgesellschaftliches und politisches Thema betrachtet.
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Selbstbestimmung: Das bedeutet für FoodCoop-Mitglieder nicht, vor dem Regal im Supermarkt zu stehen, und aus der Unzahl an Joghurts eines auszuwählen. Die Mitglieder von FoodCoops verlassen die Rolle als passive Endverwerter eines vorgegebenen Angebotes. Stattdessen wollen sie selbst bestimmen, was ihnen überhaupt angeboten wird!
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Gezielte Unterstützung erhaltenswerter Landwirtschaft: FoodCoops lehnen Massentierhaltung und Umweltzerstörung ab. Sie fördern sie kleinstrukturierte, „naturnahe“ Landwirtschaft, am besten Bio-Betriebe. Die Zertifizierung garantiert Gentechnikfreiheit (auch bei Futtermitteln) und den Verzicht auf chemisch-synthetische „Spritzmittel“, sowie leicht lösliche mineralische Dünger. Das schützt nicht nur die Umwelt, sondern schont durch die CO2 Einsparungen auch das Klima. Kleinstrukturierte Biobetriebe erhalten die natürliche Vielfalt, sorgen für fruchtbaren Boden und schützen unser Wasser. BIO AUSTRIA-Betriebe produzieren mit ihren BIO AUSTRIA- Produkten eine besondere Qualität, denn die BIO AUSTRIA- Verbandsrichtlinien unterscheiden sich in mehr als 170 Punkten vom gesetzlichen EU Bio-Mindeststandard. Die Unterschiede reichen von der verpflichtenden Umstellung des gesamten Betriebes auf Biolandbau bis hin zu strengeren Richtlinien in der Tierhaltung, Fütterung, Bestandsobergrenzen und Düngung.
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Soziale Netzwerke fördern: „Wir wollen auf lange Sicht eine nachhaltige Wiederbelebung der Beziehungen rund um Lebensmittel erreichen. Das heißt, die Verbindungen wieder zu stärken zwischen Menschen, die das Land bestellen und alle anderen Menschen, die davon leben.“ (Zitat von einem Mitglied der FoodCoop „Håller-Regio-Kistl“.)
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Kurze Transportwege: FoodCoops setzen auf möglichst regional produzierte und verarbeitete Produkte. Noch wichtiger ist aber: Durch das gemeinsame Bestellen und zentrale Abholen werden „private“ Einkaufswege eingespart.
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„Fairtrade“ vor der Haustür: FoodCoops fordern und fördern gute Arbeitsbedingungen – nicht nur für Bäuerinnen, auch für Erntehelferinnen, Angestellte in Verarbeitung und Vertrieb etc. Die Mitglieder von FoodCoops sind bereit ihrer Verantwortung als Konsumentinnen nachzukommen und zahlen angemessenen Preise für Lebensmittel.
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Regionale Wertschöpfungsketten unterstützen: FoodCoops interessiert nicht einfach nur der Preis, sondern auch die Frage: „Wer verdient wieviel an unseren Einkäufen?“ Das bezahlte Geld soll nicht multinationalen Unternehmen zugute kommen, sondern als Lebensgrundlage für die Mitmenschen in der Region dienen.
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Einander wertschätzen und voneinander lernen: „Neben einer regionalen Nahversorgung sehen wir die FoodCoop auch als Ort für Wissensvermittlung zwischen Produzentinnen und Konsumentinnen. So fördern wir die Sensibilität und Wertschätzung für Lebensmittel und deren Erzeuger.“ (Zitat von einem Mitglied der FoodCoop „GuaT“.)
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Transparenz: Werbetexte und Gütesiegel reichen FoodCoop- Mitgliedern nicht. Sie wollen selbst erleben, wie ihre Lebensmittel produziert werden und mehr über die Hintergrundabläufe erfahren, die bei klassischen Bezugsformen im Verborgenen bleiben.
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Ernährungssouveränität: Lebensmittel sind keine Ware, Lebensmittel sind ein Grundrecht, denn jeder Mensch muss essen. Das bedeutet Zugang zu leistbarem, bekömmlichem Essen zu haben, OHNE dass dafür andere Menschen oder andere Regionen ausgebeutet werden. FoodCoops kritisieren die vorherrschenden Praktiken in Produktion und Verteilung von Lebensmitteln. Sie bieten eine Alternative zu jener Vorgangsweise, in der Gewinnmaximierung auf Kosten anderer Menschen bzw. der Umwelt betrieben wird.
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Lebensmittelmüll vermeiden: Durch FoodCoops landet das Essen am Teller, nicht in der Tonne. Das Vorbestellsystem sorgt dafür, dass sämtliche frische Produkte bei Abholschluss restlos verteilt sind. Zudem gibt es in FoodCoops keine Sonderangebote etc. die dazu verleiten, unnötigerweise mehr einzukaufen als man braucht. Dadurch werfen auch die Privathaushalte weniger Essen weg.
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Verpackungsmaterial einsparen: Plastikmüll ist in FoodCoops die Ausnahme, stattdessen gibt es unverpackte Lebensmittel, Großgebinde, Pfandgläser, ... Die Mitglieder nehmen zur Abholung eigene Sackerl und Gefäße zum Einpacken mit.
Wie funktioniert eine FoodCoop?
Bei einem ersten Blick in ein „FoodCoop-Lager“ stechen einem die Regale mit Lebensmitteln ins Auge. Dadurch werden womöglich Erinnerungen an einen Greißler geweckt. Manche mögen auch einen etwas unorthodox geführten Bioladen vermuten. Diese Eindrücke täuschen, denn eine FoodCoop hat sehr wenig mit einem klassischen Geschäft zu tun, am ehesten ist das Modell noch als „gemeinsame Selbstbedienungs-Speisekammer“ beschreibbar. Jeden-falls müssen ein paar gewohnte Denkmuster aufgegeben werden, denn: Eine FoodCoop ist kein Geschäft und macht auch keines!
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Eine FoodCoop wird nicht von einer Betreiberin geführt, die mit ihrer Tätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen möchte. Das Modell basiert auf der möglichst direkten Zusammenarbeit von Konsumentinnen u nd Produzentinnen. Eine FoodCoop betreibt keinen Zwischenhandel, somit fallen auch Preisaufschläge wie in klassischen Geschäften weg.
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In einer FoodCoop gibt es keine Bedienung, also keine Angestellten, die in der Feinkostabteilung Wünsche entgegennehmen oder an der Kassa sitzen. Die Mitglieder stellen sich ih re Vorbestellungen selbst zusammen und rechnen in der Regel auch alleine ab. Die Gemeinschaft setzt auf gegenseitiges Vertrauen, die paar Dutzend Mitglieder kennen sich untereinander, externe, „unbeteiligte“ Laufkundschaft gibt es nicht.
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Keine Betreiberin, keine Angestellten, wer sorgt dann dafür, dass „der Laden läuft“? Es ist eben kein Laden. Darum sind die Konsumentinnen in einer FoodCoop auch keine Kundschaften, sondern aktive & verantwortungsbewusste Mitglieder der Initiative. Allgemein anfallende Arbeiten – vom Regale putzen über Öffentlichkeitsarbeit - werden durch die Gemeinschaft erledigt. Alle sind aufgerufen mitzuarbeiten, im Schnitt zwei bis fünf Stunden pro Monat. Die Verwendung einer FoodCoops-Software reduziert den Arbeitsaufwand.
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Wie die interne Organisation genau funktioniert, ist in Teil 3 „Eine FoodCoop betreiben“ ausführlich beschrieben. An dieser Stelle sei nur gesagt: Es geht nicht um starre Dienstpläne, jedes Mitglied hat mal mehr, mal weniger Zeit. Die grundsätzliche Motivation für ehrenamtliches Engagement ist jedoch Voraussetzung, um über eine FoodCoop Lebensmittel beziehen zu können.
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In FoodCoops gibt es keine Chefetage , auch keinen klassischen Vereinsvorstand. Alle Mitglieder sin d gleichberechtigt, sämtliche Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Die Einbindung aller ist der Grundstein für ein e möglichst ausgeglichene Arbeitsverteilung. Auch dieses Merkmal wird in Teil 3 des Handbuchs näher erklärt.
Dir fehlt noch die konkrete Vorstellung wie das funktionieren soll? Hier ein beispielhafter Einblick in den Wochenrhythmus einer FoodCoop:
Eine Woche in einer FoodCoop
Wochenbeginn – Die Bäuerinnen geben ihr akutelles Angebot bekannt, per E-Mail oder direkt in der FoodCoop-Software (eine Art Webshop). Bei der Gemüsebäuerin sind die gelagerten Pastinaken aus, dafür gibt’s die ersten Fisolen der Saison, aber maximal 5 kg. Sie bietet daher 10 Einheiten Fisolen zu je einem halben Kilo an. Zusätzlich zum wöchentlichen Fixsortiment gibt’s diesmal Bio-Rindfleisch, denn die Bäuerin schlachtet nur einmal im Monat.
Ein Mitglied hat die Aufgabe übernommen, wöchentlich an alle anderen Mitglieder eine Bestellerinnerung mit aktuellen Infos per E-Mail zu senden. Im Anhang gibt’s ein Dokument über Haltungsbedingungen der Biorinder, das die Bäuerin erstellt hat.
Dienstag Mitternacht – Bestellschluss. Es haben diese Woche 34 Mitglieder bei 13 Bauernhöfen vorbestellt. Jeder dieser Betriebe erhält eine Sammelbestellungen per E-Mail.
Freitag im Lauf des Tages – Anlieferung der Produkte. Die Bäuerinnen bringen die vorbestellten Waren in das FoodCoop-Lager (sie kennen den Nummerncode von der Eingangstür), räumen ihre Produkte an zugewiesene Regalplätze und nehmen leere Pfandflaschen mit. Wenn ein Bestellwunsch nicht erfüllbar ist, haben sie das entweder schon selbst in der Bestellsoftware storniert oder sie informieren den Abholdienst.
Die drei Betriebe aus dem Nachbarbezirk haben sie sich zu einer Liefer-/Fahrgemeinschaft zusammengeschlossen. Von einem
Bauernhof nimmt ein Mitglied die Produkte mit, es fährt am Heimweg von der Arbeit ohnehin direkt bei dem Betrieb vorbei. Spätestens eine Stunde vor Beginn der Abholzeit sind alle Vorbestellungen im FoodCoop-Lager eingetroffen.
Freitag Nachmittag – Abholen der vorbestellten Produkte im Abhollager durch die Mitglieder. Zwei Mitglieder haben diese Woche „Abholdienst“, d. h. sie kommen eine Stunde vor allen anderen und bereiten die Abholzeit vor (kontrollie- ren die Lieferungen, kochen Tee/Kaffee etc.).
Dann beginnt die zweistündige Abholzeit, das wöchentliche „Highlight“ in der FoodCoop. Die Mitglieder haben Pfandflaschen und Sackerl mit, suchen sich ihre Bestellungen selbst zusammen und rechnen auch eigenständig ab. Das funktioniert bargeldlos mit einem Guthabensystem.
Der Abholdienst wirft einen Blick auf den Einkaufskorb und die Abrechnung von jedem Mitglied, um Fehler zu vermeiden. Denn wenn irrtümlich das Himbeerjoghurt statt dem Erdbeerjoghurt aus dem Kühlschrank genommen wurde, bekommt ein anderes Mitglied Erdbeerjoghurt statt Himbeerjoghurt. Es gibt gewiss größere Probleme auf dieser Welt, aber sowas kann auch schon mal n erven.
Im Nebenraum des FoodCoop-Lagers gibt’s Tee und Kaffee, ein Mitglied hat Kuchen mitgebracht, eine Bäuerin hat ein paar Kostproben von einem neuen Produkt mitgeliefert. Es wird über den aktuellen Kinofilm diskutiert, eine Doku- mentation über Landwirtschaft. Dabei entsteht die Idee, einen öffentlichen Diskussionsabend mit den FoodCoop- Lieferantinnen zu organisieren. Die Mitglieder wollen schließlich wissen, ob es „ihren“ Bäuerinnen auch so geht wie im Film dargestellt, und ob FoodCoop einen positiven Effekt auf die regionale Landwirtschaft hat. Der Punkt kommt gleich auf die Tagesordnung des nächsten Plenums (= Mitgliedertreffen).
Ein paar Mitglieder schaffen es nicht, innerhalb der Abholzeit zu kommen. Ein es dieser Mitglieder bittet die Nachbarin (ebenfall s Mitglied), ihr die Sachen mitzunehmen. Ein anderes Mitglied meldet sich beim Abholdienst, dass es erst nach der Abholzeit vorbeikommen kann und fragt nach dem Nummerncode der Eingangstür. Das dritte Mitglied lässt nichts von sich hören. Die Mitglieder müssen die Waren auch bei Nichtabholung bezahlen, außerdem wäre es schade, wenn der frische Salat liegen bleibt. Also ist der Abholdienst so nett und ruft das Mitglied an. Aha, Kind krank, aufs Abholen vergessen – kann vorkommen! Das Mitglied schickt eine Angehörige zum Abholen vorbei. Die herbeieilende Schwiegermutter ist anfangs verunsichert, nach einer kurzen Erklärung und einer Tasse Tee letztlich entzückt: „Wie früher im Kramerladen, da ging es auch immer mehr ums Tratschen als ums Einkaufen.“ Der richtige Zeitpunkt, um ihr das bereitliegende Infoblatt „Wie werde ich Mitglied?“ in die Hand zu drücken ...
Ende der Abholzeit. Alle Mitglieder helfen ein wenig mit beim Zusammenräumen. Der Abholdienst verlässt als letzter das FoodCoop-Lager. Einige Mitglieder gehen noch miteinander ins Wirtshaus ums Eck.
Was leisten FoodCoops tatsächlich?
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FoodCoops sind eine ehrliche und authentische Bezugsmöglichkeit von Lebensmitteln abseits von Werbebeschallung, Lockangeboten oder überteuertem Luxusambiente.
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FoodCoops schaffen Absatzwege auch für „nicht marktfähige“ Lebensmittel. Große Chargenmengen oder standardisierte Verpackungen mit Profi-Design sind nicht nötig, das Obst muss weder glänzen, noch cm-Normen entsprechen, Kleinmengen und saisonale Zusatzprodukte sind gerne gesehen.
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In FoodCoops geht’s nicht nur um eine geschäftliche Beziehung mit Produzentinnen. Die Konsumentinnen denken über den Tellerrand hinaus, ihr Essen soll nicht auf Kosten anderer Menschen oder der Umwelt erzeugt werden. Auf die Situation der Bäuerinnen wird eingegangen, die Mitglieder vermitteln „ihren“ Produzentinnen Dankbarkeit und Wertschätzung für ihre Arbeit.
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FoodCoops sind sozialer Treffpunkt und tragen zur (Wieder-)Belebung von Gemeinden und Grätzln (Stadtvierteln) bei. Die Anonymität beim individuellen Einkauf wird durchbrochen. Das soziale Netzwerk sorgt für gegenseitige Unterstützung, nicht nur in FoodCoop-spezifischen Angelegenheiten. Oft entstehen durch FoodCoops langjährige Freundschaften.
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FoodCoops leisten einen Beitrag zur Regionalentwicklung und werden daher auch gezielt gefördert: Die Agenda 21 Oberösterreich unterstützte im Rahmen des Förderschwerpunkts „Appetit auf Zukunft“ insgesamt sieben FoodCoops in Agenda 21 Gemeinden und Regionen in der Gründungsphase. FoodCoops können einen wichtigen Beitrag leisten, um die Lebens- und die Umweltqualität in der Gemeinde und Region zu stärken und für diese Themen auf vielen verschiedenen Ebenen Bewusstsein zu schaffen. Die Projekte weisen aber auch einen sehr hohen Mehrwert in sozialer Hinsicht auf. Neue Treffpunkte und „Engagement-Räume“ werden in einer Gemeinde geschaffen. FoodCoops wirken damit in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. FoodCoops eignen sich als „Andockstelle“ für interessierte Menschen, die sich in der Gemeinde engagieren wollen und die nicht zur „klassischen“ Zielgruppe der Agenda 21 Arbeit gehören, beispielsweise junge Familien. Des Weiteren kann man beobachten, dass im Umfeld von FoodCoops auch andere Initiativen zur nachhaltigen Gemeinde- und Regionalentwicklung bzw. zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in einer Kommune entstehen, die auch zur Umsetzung der Agenda 21 Ziele einer Gemeinde beitragen.“ (Zitat von Johannes Meinhart, Regionalmanager Nachhaltigkeit und Umwelt.)
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FoodCoops machen Konsumentinnen zu mündigen Bürgerinnen.
FoodCoops heben die „Black Box“ zwischen Erzeugerinnen und Verbraucherinnen auf. Im Dialog mit allen Beteiligten entstehen Transparenz, Wertschätzung und Vertrauen.
Die Selbstorganisation einer FoodCoop, bzw. die Mitbestimmung aller Mitglieder, ist ein herausragendes Merkmal des Modells. Dadurch wird den Konsumentinnen ermöglicht, ihre passive Rolle als letztes Glied der Wertschöpfungskette zu verlassen. Üblicherweise gibt die Lebensmittelbranche das Angebot vor, Informationen über interne Abläufe und Auswirkungen bleiben oft im Dunkeln. Solch eine „Black Box“ entsteht in FoodCoops nicht, denn hier steht die Gemeinschaft im Zentrum des Geschehens. Alle Beteiligten tauschen sich untereinander aus. Die Mitglieder profitieren nicht nur von gesunden und hochwertigen Lebensmitteln, sie erhalten ebenso unverfälschte Informationen z u Produktionsweisen und Geldflüssen.
Als mündige Bürgerinnen können sie ihre Lebensmittel-Bezugsquelle frei gestalten, und somit Einfluss auf Sortiment-Zusammensetzung, faire Behandlung von Lieferantinnen, Preispolitik usw. nehmen.
Praxisbeispiel: Ein neues Produkt wird nicht einfach ins Sortiment aufgenommen und der Kundschaft mit oberflächlichen Werbebotschaften schmackhaft gemacht. Zuerst besuchen die Mitglieder den Bauernhof und informieren sich: Wie sehen die Produktionsbedingungen aus? Arbeiten sie nach dem EU Bio-Mindeststandard oder produzieren sie nach den strengeren Richtlinien eines Bio-Verbandes (BIO AUSTIA, Demeter, ...)? Wer sind die Menschen hinter dem Produkt, wie steht es um ihre Arbeitsbedingungen? Wer verdient wieviel an dem Produkt? Welcher Preis ist angemessen? Gibt es Tipps zur richtigen Lagerung und Zubereitung? Danach wird in der Gruppe gemeinsam entschieden, ob das Produkt ins Sortiment aufgenommen wird. Auch diese Diskussion ist oft sehr lehrreich, schließlich profitiert man vom Wissen unzähliger anderer Menschen, die sich alle für das Thema Lebensmittel interessieren.
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FoodCoops sind Lernorte, ermöglichen Bewusstseinsbil- dung und Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit. Die Mitgestaltungsmöglichkeit in einer FoodCoop erzeugt somit einen Lernraum, der eine vertiefte Auseinandersetzung rund um die Themen Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung ermöglicht. Bewusstseinsbildung basiert auf authentischen Informationen aus er ters Hand und eigenen Erfahrungen. Für die W eiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit ist eine FoodCoop sehr dienlich. Dabei geht es nicht nur um Wissenserwerb, sondern auch um „soft skills“ wie konstruktives Verhalten in Gruppen oder um angewandtes Demokratieverständnis.
Was bringen FoodCoops den Bäuerinnen?
FoodCoops können einen interessanten Vermarktungsweg mit sozialem Zusatznutzen darstellen. Die verbindlichen Vorbestellungen und die fairen Preise sind betriebswirtschaftlich attraktiv. Da die FoodCoops das Verteilen der Bestellungen selbst organisieren, sinkt die zeitliche Belastung und der Vermarktungsaufwand ist flexibler gestaltbar. Der persönliche, wertschätzende Kontakt mit den Mitgliedern liefert zudem hilfreiches Feedback und Motivation für den Arbeitsalltag. Eine oberösterreichische Bio-Gemüsebäuerin beschreibt das Modell folgendermaßen:
„Der Aufwand für das Herrichten der Bestellungen ist nicht zu unterschätzen, es lohnt sich aber, und das nicht nur wegen dem Geld, sondern auch wegen dem Vertrauen der FoodCoop-Mitglieder. Durch die freundschaftlichen Beziehungen können wir die Vorgänge in der Landwirtschaft gut erklären. Da werden dann auch mal Abweichungen bei Bestellmengen oder wetterbedingte Qualitätsschwankungen toleriert.“
FoodCoops sollten jedoch hinsichtlich ihres Nutzens für Lieferantinnen nicht automatisch als "gmahde Wiesn" eingeschätzt werden. Teilweise sind die bestellten Mengen sehr gering und die FoodCoop dient in erster Linie zur Bewusstseinsbildung der Mitglieder, aber weniger als sinnvoller Absatzweg für Bäuerinnen. Darum ist das Verständnis von Seiten der Konsumentinnen unerlässlich, dass ihre Initiative für die Landwirtschaft nur dann wirklich hilfreich ist, wenn die Mitglieder auch tatsächlich und regelmäßig ihren Grundbedarf an Lebensmitteln darüber beziehen.
Weil immer wieder die Frage auftaucht, ob FoodCoops die Bäuerinnen von rechtlichen Verpflichtungen in der Produktion befreien können, sei an dieser Stelle gleich erwähnt: Können sie nicht! Für die Produkte gelten hinsichtlich Hygiene, Verpackung, Etikettierung eĦ¹. dieselben Vorschriften wie bei allen anderen Absatzwegen. Teil 4 des Handbuchs erläutert die rechtlichen Rahmenbedingungen genauer.
Für wen eignen sich FoodCoops?
Anforderungen an Lieferantinnen
FoodCoops eignen sich nicht für jede Betriebsform gleich gut. Bauernhöfe, die auf die Produktion und Abgabe großer Mengen spezialisiert sind (z. B. Milchbetriebe, die ausschließlich an Molkereien liefern) scheiden als Lieferanten aus. In der Regel werden FoodCoops von kleinen, direktvermarktenden Bio-Bauernhöfen beliefert.
Im Gegensatz zu anderen Modellen wie der Solidarischen Landwirtschaft (CSA) kann kein Bauernhof alleine von einer FoodCoop leben. Dafür sind die bestellten Mengen zu gering. Empfehlenswert ist daher das Beliefern mehrerer FoodCoops, bzw. das Integrieren in bestehende Liefertouren oder anderer Direktvermarktungskonzepte.
FoodCoops verringern den Verkaufsaufwand, ein gewisses Maß an „Vermarktungs-Eigenleistung“ ist aber trotzdem nötig. Zu den bestellten Waren können ein paar Kostproben von neuen Produkten samt Infoblatt beigelegt werden, per E-Mail Fotos von der Schafherde gesendet werden, etc.
Die Kommunikation per E-Mail ist Standard, Berührungsängste mit dem Internet oder einer Software erschweren die Zusammenarbeit.
Auch der soziale Aufwand darf nicht unterschätzt werden. Da FoodCoops den intensiven Kontakt mit Bäuerinnen suchen, geht es auch um die Bereitschaft sich auf Austausch einzulassen. Wer seine Hoftore nicht gerne öffnet und teilweise auch kritische Fragen als Misstrauen oder Bevormundung deutet, wird keine allzu große Freude mit FoodCoops haben.
Anforderungen an Konsumentinnen
Mittlerweile sollte klar sein: FoodCoops sind kein 1:1-Ersatz für klassische Bezugsquellen von Lebensmitteln, sondern ein spezielles Modell, das den Konsumentinnen mehr Möglichkeiten bietet, aber auch mehr abverlangt, als passives Einkaufen.
Mitglied in einer FoodCoop sein bedeutet, die serviceorientierte Komfortzone zu verlassen und selbst Hand anzulegen. Dadurch werden die Produzentinnen bei der Vermarktungsarbeit entlastet. Wozu der Aufwand? FoodCoop-Mitgliedern ist bewusst, dass es die „romantisierte“ Landwirtschaft unter den derzeitigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nur in Bilderbüchern und der Werbung gibt. Diese Situation veranlasst Betriebe zum Aufgeben, vor allem die kleinstrukturierte, „erhaltenswerte“ Landwirtschaft ist davon betroffen. FoodCoops wollen mit ihren Tätigkeiten den Bäuerinnen einen Schritt entgegenkommen und so einen Beitrag zur Ernährungssouveränität leisten.
Welche Aufgaben kommen dadurch auf die Mitglieder zu? Bei der Abholung der vorbestellten Produkte fallen unterschiedlichste Arbeiten an, vom Überprüfen der Lieferscheine bis zum Putzen am Ende der Abholzeit. Jedes Mitglied übernimmt ein paar Mal pro Jahr diese Tätigkeiten.
Das Mitbestimmen und Mitgestalten erfordert Motivation und Zeit. Um gemeinsame Entscheidungen treffen zu können, ist zumindest alle paar Monate ein „Plenum“ (= Treffen aller Mitglieder) notwendig.
Dazu kommen verschiedenste Aufgabenbereiche: Finanzen über- blicken, Besuche zu den Bauernhöfen organisieren, IT-Service für die Bestellsoftware, ... All diese Arbeiten werden in FoodCoops auf möglichst viele Schultern verteilt, sodass nicht einzelne Personen die gesamte Last der Arbeit bzw. Verantwortung tragen müssen. Teilweise werden Aufgaben, für die spezielle Fähigkeiten nötig sind, auch an externe Personen ausgelagert.
Ist eine FooCoop das Richtige für mich?
Du findest die FoodCoop-Idee löblich, bist dir aber nicht sicher, ob dieses Modell für dich persönlich die beste Wahl zur zur Lebensmittelbeschaffung ist?
Zusammengefasst eignen sich Food Coops für Konsumentinnen ...
- ... die Zeit und Lust haben sich in einer Gemeinschaft einzubringen.
- ... die bereit sind Verantwortung für ihr Umfeld zu übernehmen.
- ... denen ein sinnstiftendes Hobby Befriedigung verschafft.
- ... die bereit sind, faire Preise für Lebensmittel zu zahlen.
- ... die mit Internetnutzung vertraut sind (wobei dies nicht unbedingt nötig ist).
Vielleicht hilft dir auch der Gegencheck:
FoodCoops sind NICHT
... wie Geschäfte, und somit kein passender Ort für Menschen, die einfach nur einkaufen wollen. Das Modell funktioniert nur mit engagierten Mitgliedern!
... die billigste Bezugsmöglichkeit für Lebensmittel. In FoodCoops gibt’s hauptsächlich Grundnahrungsmittel, hochqualitativ und zu fairen Konditionen (vergleichbar mit Bauernmärkten). FoodCoops können und wollen, sowohl preislich als auch in punkto Sortimentfülle, nicht mit Supermärkten m ithalten.
... bequem und schnell im Sinne von: Verantwortung und Arbeit übernehmen andere. Es gibt in der FoodCoop niemanden außer euch, ihr seid eure eigenen „Chefinnen“. Das bringt Freiheiten und Vorteile, aber auch Pflichten.
... anonym oder individualisiert. FoodCoops sind ein sozialer Treffpunkt, jedes Mitglied ist Teil der Gemeinschaft.
... perfekt. FoodCoops sind ehrenamtliche Initiativen mit Motivations-Hochs & Tiefs und Raum für kollektive Lernprozesse. Eine gewisse Fehlertoleranz ist dabei unabdingbar.
... serviceorientiert zu Lasten der Produzentinnen. „Der Kunde ist König“ gibt’s hier nicht, Mitglieder und Lieferantinnen begegnen si ch wertschätzend und auf Augenhöhe.
... spontan. Das Vorbestellsystem bedingt zumindest bei Frischeprodukten eine gewisse Vorausplanung.
... die Lösung aller Probleme in der Landwirtschaft bzw. im Ernährungsbereich. FoodCoops alleine können das Bauernsterben nicht verhindern oder den Hunger in der Welt bekämpfen, dafür sind die Rahmenbedingungen durch Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu einflussreich. FoodCoops bieten eine praxisorientierte Alternative, die im K leinen viel bewirken kann. Um das große Ganze zu verändern, ist zusätzliches Engagement nötig, z. B. in der Bewegung für Ernährungssouveränität.
Bist du nun motiviert eine FoodCoop zu gründen oder einer bestehenden FoodCoop beizutreten? Im zweiten Teil erfährst du alles was du wissen musst, um eine eigene FoodCoop zu gründen. Der dritte Teil des Buchs verschafft dir einen vertieften Einblick, wie bestehende FoodCoops funktionieren.
Bist du nun der Meinung eine FoodCoop ist nicht das Richtige für dich? Im Rahmen des Projekts „Appetit auf Zukunft“ werden unterschiedlichste Wege erforscht, wie Konsumentinnen und Bäuerinnen miteinander die Lebensmittelversorgung gestalten können. Mehr Informationen findest du unter http://www.bio-austria.at/aaz
Eine FoodCoop gründen
Als erste Orientierung dient die Zusammenfassung am Ende von Teil 2. Die einzelnen Kapitel sind sehr ausführlich beschrieben. Lass dich von der Fülle an Detailinfos nicht abschrecken! Dieses Handbuch ist ein Nachschlagewerk und soll auf möglichst jede wichtige Frage bei der FoodCoop-Gründung eine Antwort liefern. Keine Initiative wird alle davon benötigen, schon gar nicht alle zur selben Zeit! Am besten, du liest die einzelnen Kapitel gezielt zu dem Zeit-punkt, an dem sie in deiner eigenen Gruppe gerade auf der Agenda stehen.
Einteilung in A) und B)
Der zweite Teil des Buchs ist deswegen in A) und B) unterteilt, um die Bedeutung eines stabilen Fundaments hervorzu heben. Den Themen in den Kapiteln 2.1 bis 2.5 wird in der Praxis oft nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt. Sie sind für eine erfolgreiche Gründung jedoch von großer Bedeutung!
A) Fundament errichten
Die Gründung einer FoodCoop dauert üblicherweise rund ein halbes Jahr. Ob sie erfolgreich verläuft oder nicht hängt weniger von äußeren Rahmenbedingungen (Produktangebot in der Region etc.) ab als man meinen könnte. Lieferantinnen und Raum suchen, Finanzierung und Bestellsystem organisieren, ... das alles sind Themen, die den Charakter der FoodCoop mitprägen. Aber sie sind nicht die Schlüsselfaktoren. Vielmehr kommt es auf gruppendynamische Prozesse an! Mit der Errichtung des Fundaments der FoodCoop sollen bestmögliche Startbedingungen dafür geschaffen werden.
Gleichgesinnte finden
Wenn du das hier liest hast du einen ersten Schritt bereits gemacht, du bist auf das Thema FoodCoop gestoßen und hast dir Informationsmaterial besorgt. Alleine kannst du aber keine FoodCoop betreiben, du brauchst eine Gruppe. Das Wichtigste ist also erstmal, Gleichgesinnte zu finden, die ebenfalls für die Gründung einer FoodCoop zu begeistern sind. Fang in deinem privaten Umfeld an. Sprich Freundinnen, Nachbarinnen, Arbeitskolleginnen et c. an, die sich für die Themen Lebensmittelproduktion und Ernährung interessieren, und mit denen du gern an einem Tisch sitzt (denn das wirst du regelmäßig in den nächsten Monaten). Oft finden erste Treffen zum Ideenaustausch in gemütlicher Runde im eigenen Wohnzimmer statt. Das ist für den Beginn ausreichend, mittelfristig sollten aber öffentlich zugängliche Orte für Treffen gewählt werden (siehe Kapitel „Zusätzliche Gründungs-Mitglieder finden“).
Tipps für erste Treffen Themen für erste Treffen sind natürlich die FoodCoop- Idee an sich und wie sie in der eigenen Gemeinde umgesetzt werden könnte. Wichtig dabei ist, auch über eigene Zeitressourcen und Kapazitäten für Engagement zu sprechen. Es braucht ganz einfach eine Handvoll Zugpferde, die das Vorhaben auch in die Tat umsetzen.
Das letzte Thema eines jeden Treffens sollte immer sein: WER organisiert WANN und WO das nächste Treffen? So wird von Beginn an für Kontinuität gesorgt.
Gründungsteam fomieren
Sobald sich eine Handvoll motivierter Personen zusammengefunden haben, steht ihr vor der ersten großen gruppendynamischen Herausforderung: Ein harmonierendes Gründungsteam formieren, das gleichzeitig offen für zusätzliche Mitglieder ist. Falls eure FoodCoop über einen abgeschlossenen Freundeskreis hinausgehen soll, (in der Regel schließen sich 10 bis 100 Haushalte zusammen), dann achtet von Beginn an bewusst auf das Thema Offenheit. Das Gründungsteam soll keine geschlossene Gesellschaft sein. War um? Eine FoodCoop lebt von vielen motivierten Mitglieder, die sich gerne engagieren. Für eine breite Beteiligung ist es nicht förderlich, wenn ein kleines Gründungsteam ohne Miteinbeziehung der anderen Interessierten die Ausrichtung der FoodCoop vorgibt. Nicht falsch verstehen, es ist kein Problem und durchaus üblich, dass erst im Laufe der späteren Gründungsphase oder auch nach deren Abschluss, neue Mitglieder dazu stoßen. Dennoch sollte die FoodCoop von Beginn an interessierte Personen bestmöglich einbinden. Ansonsten werden schon in dieser frühen Phase die Weichen für eine Zweiklassengesellschaft gestellt: Ein paar wenige „Kernmitglieder“ und dazu viele „Randmitglieder“, die maximal Dienst nach Vorschrift machen. Haben sich diese Rollen erst einmal verfestigt (und das tun sie schnell, sowohl in den Köpfen der „Kernmitglieder“ als auch der „Randmitglieder“), sind sie schwer zu verändern. Das Risiko steigt, dass Arbeit und Verantwortung dauerhaft, also auch über die Gründung hinaus, an den paar Kernmitgliedern hängen bleiben.
Die Kehrseite der Offenheit
Offenheit kann sich manchmal auch negativ auswirken, denn nicht jede interessierte Person tut der Gruppe automatisch gut! Darum ist gleichermaßen auf eine gewisse Homogenität der Gruppe zu achten. Bei di esem Spagat ist Fingerspitzengefühl gefragt. Einerseits ist es ratsam, möglichst viele Leute einzubinden, damit die FoodCoop auch wirklich ein „gemeinsames Baby“ wird, mit dem sich alle identifizieren. Andererseits braucht es Personen mit ähnlichen Vorstellungen und Motiven, die auch auf einer persönlichen Ebene gut miteinander harmonieren.
Die Themen Landwirtschaft und Lebensmittel wecken bei vielen Menschen Interesse. Lebhafte Debatten darüber gehören zum Grundwesen eine FoodCoop, denn unterschiedliche Meinungen tragen viel zu einer Bewusstseinsbildung bei. Diskussionen sollen darum zugelassen und sogar gefördert werden. Aber eine FoodCoop entsteht nicht nur durch endlose Debatten, konstruktive Ergebnisse basieren auf guter Zusammenarbeit. Mit der missionierenden Veganerin und der streitlustigen Schweinemästerin an einem Tisch, die beide nur ihre eigene Meinung akzeptieren, ergibt sich möglicherweise ein interessantes Geplänkel, aber wohl kaum ein Team, das an einem Strang zieht. Auch eventuelle externe Unterstützer wie Gemeinderat, bäuerliche Vertretungen, ... könnten Ziele verfolgen, die sich nicht mit den Ideen der Gruppe decken.
Praxistipp: Was tun, wenn die Konsumentinnen die Lebensmittel von Bio-Bauernhöfen aus der Region beziehen wollen, die Ortsbauernobfrau hingegen dafür eintritt, den konventionellen Betrieben aus der Heimatgemeinde den Vorzug zu geben? In den alle rmeisten Fällen lässt sich durch miteinander reden eine gute Lösung finden. Falls die Interessen aber wirklich unvereinbar sein sollten, dann hat die Meinung derjenigen, die letztendlich auch die Verantwortung und Arbeit in der FoodCoop übernehmen, Priorität. Selbstbestimmung ist ein wesentliches Merkmal einer FoodCoop. Von „Unterstützern“, die das nicht akzeptieren, sollte man sich besser früher als später trennen, ansonsten leiden die Stimmung und die Motivation. Die wenigsten Mitglieder werden sich gerne für Zie le engagiere n, die nicht mit ihren eigenen Vorstellungen zusammenpassen.
Kommunikationskanäle aufbauen
Im privaten Umfeld werden oft unbewusst und automatisch bestehende Kommunikationskanäle genutzt, doch selbst hier erfahren nicht alle von jedem Vier-Augen-Gespräch. Spätestens wenn Personen von außen dazukommen, braucht es eigene FoodCoop-Kommunikationskanäle, die Transparenz für alle gewährleisten. Weit verbreitet sind E-Mail-Verteiler (z. B. „Riseup“, siehe Kapitel „IT für FoodCoops“). Auch ein online-Forum oder eine Social Media Gruppe sind möglich, wobei hierbei darauf zu achten ist, dass alle diese Medien nutzen können. Ansonsten entstehen technische Barrieren, die erst recht wieder ausschließend wirken. Die Hauptsache ist, alle bekommen die relevanten Fortschritte bei der FoodCoop- Gründung mit.
Dazu ein paar Tipps:
Es braucht möglichst bald eine Anlaufstelle für (noch) Außenstehende, z. B. eine Telefonnummer und/oder E-Mail-Adresse, wo sich interessierte Leute erkundigen können, wann das nächste Gründungstreffen stattfindet.
Jede Person, die zu einem Treffen kommt oder anderweitig Interesse bekundet, gibt ihre Kontaktdaten bekannt bzw. trägt sich selbst in eine bereitliegende Liste ein. (Name, Telefonnummer/E-Mail, ev. auch Ressourcen bzw. spezielles Know҇Ùow). Die beste Infoveranstaltung ist umsonst, wenn die Interessierten danach nicht mehr erreicht werden können.
Die internen Kommunikationsstrukturen sollten aktuell gehalten werden. Ein Mitglied übernimmt die Aufgabe, die Kanäle zu betreuen, d. h. es trägt neu dazukommende Personen ein und „Karteileichen“ aus.
Denkt gleich zu Beginn auch an die Dokumentation! Ihr benötigt einen realen und/oder virtuellen Platz, der für alle Mitglieder leicht zugänglich ist. Dann können neu dazu stoßende Personen den bisherigen Gründungsverlauf ohne viel Aufwand nachvollziehen. Es gibt verschiedenste kostenlose online-Speicherplätze. Der Klassiker unter den „Cloud Speichern“ ist „Dropbox“.
Achtung: Dezentrale Kommunikationsstrukturen wie E-Mail-Verteiler sind für manche Menschen ungewohnt, üblicherweise erhält man passiv einen Newsletter oder schreibt sein Anliegen an eine zentrale Kontaktstelle. E-Mail-Verteiler etc. sorgen für viel Transparenz, können aber auch zu „Informationsüberflutung“ führen.
Ein paar simple Regeln lassen das E-Mail-Postfach nicht überquellen:
- Über den E-Mail-Verteiler werden nur für die ganze Gruppe relevante Inhalte geschrieben.
- Ein klarer Betreff trägt zur Übersichtlichkeit bei.
- Der E-Mail-Verteiler ist nur für FoodCoop-Inhalte da (keine Privat-Mails wie: „Verschenke Hauskatze“).
- Detaildiskussion werden nicht per E-Mail-Verteiler geführt.
Was sind relevante Informationen, die alle Mitglieder erreichen sollen?
Am wichtigsten sind Einladungen zu Treffen bzw. dessen Protokolle. Auch hier ist es hilfreich, dass fixe Personen diese Aufgaben übernehmen. Es sollte auf jeden Fall vermieden werden, dass Leute Treffen gar nicht mitbekommen (und sich ausgeschlossen fühlen) oder Mitglieder, die bei einem Treffen nicht dabei sein können, den Anschluss verlie re n. Pr otokolle müssen n chti elendslange, staubtrockene Dokumente sein, es reichen ein paar knappe Sätze mit den relevanten Inhalten. In Teil 3 gibt es ein eigenes Kapitel zu den Fragen: „Wie halte ich Treffen ab? Wie schreibe ich ein Protokoll?“ Ein kurzes Beispiel gibt’s schon hier:
„Protokoll vom 3. Gründungtreffen am ... Es waren folgende Personen anwesend: ... Themen: Wir haben uns erste Gedanken über mögliche Räumlichkeiten in der Gemeinde gemacht. Veronika fragt wegen dem Nebenraum der Volksschule an, Maria wegen Mitnutzung des Musik-Vereinsheims. Weitere Ideen bitte per E-Mail-Verteiler schicken! Zur Öffentlichkeitsarbeit: Wir haben uns einstimmig gegen bezahlte Werbeeinschaltungen in Zeitungen entschieden, Michi fragt, ob wir in der Gemeindezeitung eine Seite bekommen. Das Thema Vereinsgründung wurde aufs nächste Mal vertagt.
Entscheidungsstrukturen und Gesprächskultur definieren
In privaten Runden einigt man sich meist informell auf eine gemeinsame Vorgehensweise, in Vereinen ist das Prozedere in den Statuten schriftlich festgehalten. Die gelebte Realität in FoodCoops liegt insbesondere in der Gründungsphase irgendwo dazwischen. Auf jeden Fall sollte im Gründungsteam möglichst bald (schon bevor Vereinsstatuten erstellt werden) die Frage thematisiert werden, wie denn grundsätzlich Entscheidungen getroffen werden. Die Bandbreite reicht von Abstimmungen mit gewissen Mehrheiten bis zum Konsensprinzip ohne Gegenstimmen. Jede Variante hat ihre Vor- und Nachteile, genauere Erklärungen dazu sind in Teil 3 des Handbuchs zu finden. Nicht nur in der Berufswelt, auch im Vereinswesen hält sich hartnäckig die Meinung: „Ohne Chefin geht’s nicht!“ Hierarchische Entscheidungsmodelle sind für FoodCoops jedoch untauglich, denn diese leben stärker als andere Vereine von ehrenamtlicher Arbeit und vor allem von der Eigeninitiative möglichst aller Mitglieder. Die Möglichkeit zur Mitbestimmung ist für viele Mitglieder aber Voraussetzung, um sich selbst motiviert zu engagieren.
Einhergehend mit der Frage der Entscheidungsfindung stellt sich die Frage nach der Gesprächskultur. Sie sollte so gestaltet sein, dass die Mitbestimmung aller Mitglieder gefördert wird. Oft etwa ist in Gruppen die Redezeit sehr ungleich verteilt, einige wenige reden sehr viel, die meisten anderen (fast) nichts. Ist es dann verwunderlich, dass sich nicht alle mit Entscheidungen identifizieren und in weiterer Folge Arbeit und Verantwortung an ein paar wenigen Mitgliedern hängen bleiben? In Teil 3 findest du eigene Kapitel zu den Themen, Moderation, Plenum abhalten. Eine einfache Methode soll schon hier beschrieben werden.
Praxistipp „Blitzlichtrunde“: Bei einem wichtigen Diskussionsthema hat nach einer kurzen, möglichst objektiven Themeneinführung („Um was geht’s?") jedes Mitglied MAXIMAL eine Minute Zeit, die eigene Meinung zu vertreten. Dazu kommen in einer Runde reihum alle Anwesenden dran OHNE dass dazwischen andere Mitglieder reden oder die Argumente anderweitig kommentiert werden. Erst wenn die Runde vollständig beendet ist, kann diskutiert werden. Bevor eine ge meinsame Entscheidung getroffen wird, kann ei ne w eitere Blitzlichtrunde ang ehängt w erden. Diese M ethode bietet sc hweigsameren M itgliedern eine niederschwellige Möglichkeit, ihre M einung zu äußern, gleichzeitig hält sie gesprächsfreudige Mitglieder davon ab, endlose Monologe zu führen, anderen ständig ins Wort zu fallen oder jedes Argument sofort zu kommentieren.
Gemeinsame Leitgedanken festhalten
In einer FoodCoop kommen verschiedenste Menschen zusammen. Das ist auch gut so, doch es braucht eine „große gemeinsame Idee“. Damit für alle klar ist, wofür die Gruppe grundsätzlich steht, ist es ratsam, zu Beginn die grundsätzlichen „Richtwerte“ zumindest grob zu definieren und nach innen und außen zu kommunizieren. Die Leitgedanken werden im Laufe der Gründungsphase zu konkreten Produktkriterien weiterentwickelt (siehe eigenes Kapitel dazu). Zu Beginn reichen auch Schlagworte. Die groben Motive und Ziele sollen auf einen Blick ersichtlich sein. Interessierte können sich daran orientieren und (hoffentlich) selbst einschätzen, ob sie zu der Gruppe passen. Zusätzliche Mitglieder sollen sich ja einerseits selbst in der Gruppe wohl fühlen und ihre Ideen umsetzen können, andererseits auch von der Gruppe als Bereicherung wahrgenommen werden. Passen die Meinungen oder das Verhalten von Einzelpersonen in hohem Maße nicht zu den gemeinsamen Leitgedanken, so wird die Aufnahme weder die Person, noch die Gruppe glücklich machen.
In der Startphase der FoodCoop-Gründung entsteht ein Team mit gemeinsamen Werten und Zielen. Die Gruppe soll dabei aber offen für die Aufnahme weiterer Interessierter bleiben.
Zusätzliche Gründungsmitglieder finden
Eine FoodCoop-Gründung ist mit Aufwand verbunden, der am besten auf möglichst viele Schultern verteilt wird. Je mehr neue Leute das Gefühl haben gehört und gebraucht zu werden, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie Verantwortung übernehmen. In Folge kann auf einen breiten Pool an Fähigkeiten zurückgegriffen werden. In der jetzigen Phase sucht ihr keine Leute, die das fertige „Angebot FoodCoop“ annehmen, sondern Personen, die beim Gründen mitmachen wollen! Darum ist es auch nicht notwendig, nach außen ein fertiges Konzept zu präsentieren, denn es sollen ja genau diejenigen Menschen angesprochen werden, die Lust auf unfertige Baustellen haben.
Möglichkeiten der Bewerbung Eine FoodCoop ist ein spezielles Modell der Lebensmittelversorgung. Auf der Suche nach Mitgliedern geht es somit nicht um eine möglichst hohe Breitenwirksamkeit, weshalb klassische Werbung häufig wenig Sinn macht.
Erfolgversprechender ist es die FoodCoop-Idee gezielt über thematisch vorbelastete Kanäle zu verbreiten. Also wenn im örtlichen Kino eine Dokumentation über Landwirtschaft gezeigt wird, dann könnt ihr beim Publikum mit überdurchschnittlichem Interesse rechnen. Stellt eure Pläne im Rahmen der Filmdiskussion vor.
Auch lokale Medienberichte erzeugen Aufmerksamkeit, hier ist es aber wichtig, die Idee gut rüberzubringen, die FoodCoop soll nicht einfach nur als eine Einkaufsmöglichkeit dargestellt werden. Empfehlenswert ist es den Medienbericht lediglich als Hinweis auf eine konkrete Ansprechstation anzubieten, z. B. eine Kontaktmöglichkeit und einen Termin für eine öffentliche Informationsveranstaltung. Die beste Art und Weise ist und bleibt aber Mundpropaganda, also gezieltes Ansprechen von „vielversprechenden“ Personen im persönlichen Gespräch.
Weitere Tipps zu Öffentlichkeitsarbeit findest du in Teil 3.
Tipps für (Erst-)Infoveranstaltungen
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Ort: Das eigene Wohnzimmer wird eventuell zu klein, bzw. kann es auch Interessierte abschrecken, denen das zu viel Privatsphäre ist. Optimal ist ein ruhiger, öffentlicher Raum, etwa in einem Gemeindegebäude, Vereinsheim oder ein Extrazimmer in einem Wirtshaus.
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Einladung: Der Begriff FoodCoop ist zwar nicht mehr gänzlich unbekannt, aber doch recht abstrakt. Daher ist ein allgemeinverständlicher (Unter-)Titel empfehlenswert. Aus der Einladung sollte ebenfalls der Gedanke hervorgehen, miteinander etwas auf die Beine zu stellen. Den Gästen soll klar sein, dass nicht eine Geschäftsidee vorgestellt wird, bei der sie sich informieren und dann nur konsumieren.
Beispiele für (Unter-)Titel sind: „Gemeinsam die Nahversorgung in ... gestalten!“ „Miteinander eine Initiative zur Lebensmittelversorgung in ... gründen!“
Eine Kombination mit einem verwandten Thema ist auch möglich, etwa: Wieso brechen traditionelle Nahversorgungsstrukturen weg? Welche Möglichkeiten der Einflussnahme auf unsere Landwirtschaft haben Konsumentinnen? Wieso geben Bauernhöfe in der Region auf?“ Dazu könnt ihr auch extra Vortragende einladen, aber achtet darauf, dass der Gesamtfokus der Veranstaltung nicht zu sehr vom Thema FoodCoop abschweift.
Gezieltes Bewerben: Wollt ihr Konsumentinnen als Mitglieder anwerben? In Universitätsstädten sind wesentliche Zielgruppe Studentinnen-WGs, also solltet ihr den Termin in diesem Umfeld bekannt machen. Generelle Zielgruppe sind Jungfamilien, also heißt es Kindergärten, Schulen, Vereine abzuklappern. Aber auch ältere Personen tragen häufig FoodCoop-Gedankengut in sich, also die Verbindung von Lebensmittel einkaufen und der Pflege von Sozialkontakten oder das Wissen wie aus saisonalen und lokal bezogenen, unverarbeiteten Lebensmitteln gesunde und schmackhafte Gerichte entstehen.
Zusätzlich könnt ihr weitere Zielgruppen ansprechen: Wollt ihr wissen, was die Bäuerinnen aus der Region von euren Ideen halten? Dann bringt ihnen Einladungen zum Bauernmarkt, kontaktiert Ortsbauernschaften oder bäuerliche Vereinigungen wie BIO AUSTRIA oder ÖBV – Via Campesina. Wollt ihr, dass eure Heimatgemeinde die Gründung unterstützt? Dann ladet die Bürgermeisterin bzw. den Gemeinderat ein.
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Inhalte vorbereiten: Wer stellt die FoodCoop-Idee vor? Ihr könnt selbst In fos zusammentragen, zusätzlich eine bestehende FoodCoop besuchen und davon einen Bericht mit Fotos vorstellen oder erfahrene Personen einladen! Fragt in anderen FoodCoops nach und/oder greift auf das kostenlose Beratungsangebot von BIO AUSTRIA zurück. In OÖ leistet das Projekt „Appetit auf Zu- kunft“ seit 2014 „FoodCoop-Geburtshilfe“, auch in anderen Bun- desländern wird zunehmend Beratung angeboten. Kontakte siehe http://www.bio-austria.at Trotz externer Referentinnen solltet ihr auf jeden Fall auch selbst „vortragen“ , um den Gästen einen direkten Bezug zur konkreten Initiative zu bieten. Orientiert euch an folgenden Fragen: Wie seid ihr auf die Idee gekommen eine FoodCoop zu gründen? Was ist eure eigene Motivation? Welche Ziele wollt ihr für euch und eurer Umfeld erreichen?
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Ablauf durchplanen: Wer kümmert sich um Begrüßung, Einleitung, Vorstellung der Gäste? Wer übernimmt die Moderation bei anschließenden Fragen und Diskussionen? (Moderationstipps siehe Teil 3). Bei der Veranstaltung das Ziel im Auge behalten: Ihr sucht weitere engagierte Mitglieder! Kommuniziert dies klar und bie- tet den Gästen konkrete Andockstationen! Ein schwammiges „Wer mitmachen will, kann sich bei uns melden ...“ reicht nicht! Erklärt den Gästen, dass ihr eine Liste durchgehen lässt, wo mo- tivierte Leute ihre Kontaktdaten angeben können, damit sie zum nächsten Gründungsplenum eingeladen werden können.
Namensgebung
Eure Initiative kann selbstverständlich auch einfach FoodCoop Vöcklabruck“ heißen, meistens werden aber Begriffe wie Regional, Bio, Fair, ... in den Namen eingebaut oder die Bezeichnungen von Küchenwerkezeug oder Lebensmitteln kreativ umgewandelt. Die FoodCoops heißen dann: Bioparadeis, Krautkoopf, Fairteiler, Regionalspeis, ... Die eigentlich entscheidende Frage ist aber nicht: „Wie wird die FoodCoop heißen?“, sondern „Wie kommt die FoodCoop zu ihrem Namen?“ Denn die Namensfindung ist eine optimale Möglichkeit, euer Entscheidungsmodell auszutesten und ein „Wir-Gefühl“ zu schaffen.
Tipps für das Vorgehen: Alle Mitglieder können eine Woche lang Namensvorschläge in eine online-Liste eintragen, per online-Voting (z. B mit Hilfe von „doodle“ oder „dudle“ wird eine Vorauswahl getroffen. Die drei meistgenannten Vorschläge kommen in die engere Auswahl. Beim nächsten Treffen wird dann gemeinsam entschieden.
Produktkriterien definieren = das Schlüsselthema der Gründung
Die Gründung einer FoodCoop bringt so manches trockene Thema mit sich, das Ausarbeiten von Vereinsstatuten etwa wird nicht viele Mitglieder von den Hockern reißen. Im Gegensatz dazu steht die zentrale Frage: „Welche Produkte werden in das FoodCoop-Sortiment aufgenommen?“ Hier treffen sicherlich verschiedenste Meinungen aufeinander, emotionsgeladene Diskussionsrunden sind gewiss. Dieser Prozess ist besonders wichtig! Denn eine FoodCoop ist genau dazu da, Frage wie diese selbstbestimmt zu beantworten. Die Mitglieder sollen sich über eigene Positionen
Gedanken machen und vorherrschende Meinungen aus Politik, Wirtschaft, Medien etc. kritisch hinterfragen. Das geht wunderbar im Austausch mit Gleichgesinnten. Die eigene Bewusstseinsbildung ist aber nicht der einzige Grund, dem Thema Produktkriterien viel Raum zu widmen. Eine FoodCoop braucht eine gemeinsam zustande gekommene Regelung
- um in Folge Lieferantinnen auswählen zu können,
- für eine klare Positionierung, sowohl in der Außendarstellung, als auch intern für neu dazukommende Mitglieder, denn diese verlassen sich darauf, dass die Produkte in der FoodCoop gewissen Ansprüchen gerecht werden,
- aus gruppendynamischen Gründen. Die Mitglieder sollen sich mit der Regelung identifizieren können, eine kollektive „Dafür engagieren wir uns gerne!“-Stimmung ist das Ziel.
Achtung: Anders als bei den grundsätzlichen Leitgedanken reichen Schlagworte wie regional, ökologisch, fair, ... für konkrete Produktkriterien nicht mehr aus, denn die einzelnen Interpretationen dieser Wörter können recht unterschiedlich ausfallen.
Als Unterstützung für eure Diskussionen bieten die folgenden Seiten eine vertiefte Auseinandersetzung mit klassischen FoodCoop-Schlagworten:
Regional
In diesem Punkt sind eigentlich immer alle einig, und zwar so
lange, bis die Frage auftaucht, was denn „regional“ jetzt konkret
bedeutet. Aus dem Ort? Aus dem Bezirk? Aus einem gewissen
Kilometer-Radius? Aus Österreich? Von Bäuerinnen, die man
persönlich kennt? Soll nur die Endprodukte regional sein oder
auch die Rohstoffe?
Um auf einen sinnvollen gemeinsamen Nenner zu kommen,
ist die Veränderung der Fragestellung hilfreich:
„Warum ist Regionalität wichtig?“ führt zu den eigentlichen
Ansprüchen: Persönliche Beziehungen? Möglichst wenige
Transportkilometer, um das Klima zu schonen?
Dadurch wird aufgezeigt, dass Regionalität alleine – frei nach
dem Spruch: „Mist bleibt Mist, auch wenn er aus dem eigenen Dorf
kommt!“ kein Wert an sich ist, sondern eine Voraussetzung für
wesentliche FoodCoop-Ziele.
Achtung, da Regionalität nicht gesetzlich definiert ist, wird der Begriff gerne oberflächlich oder missbräuchlich verwendet. Der Spruch „regional schont das Klima“ ist nicht automatisch immer richtig. Heimische Äpfel im Frühling gekauft haben oft eine deutlich schlechtere Klimabilanz als Äpfel aus Südamerika. Der Energieaufwand für den Schiffstransport ist niedriger als jener der Lagerung.
„Regional“ bedeutet nicht automatisch klimaschonend. Kühleinrichtungen verbrauchen in bestimmten Fällen mehr Energie als lange Transportwege. Was bedeutet das für das FoodCoop-Sortiment?
Soll eine FoodCoop darum argentinische Äpfel aus anonymen Großhandelsstrukturen beziehen? Natürlich nicht, weil dies in Widerspruch zu anderen FoodCoop- Zielen steht. Das Beispiel soll darauf hinweisen, dass allzu einfache Regeln (wie etwa starren km-Grenzen) wenig Sinn machen. So kann es vorkommen, dass eine weit entfernte Bezugsquelle durchaus im Sinne des FoodCoop-Ziels „energiesparender Transport“ ist, wenn z.B. ein Mitglied der FoodCoop dorthin in die Arbeit pendelt und am Heimweg die Bestellung mitnimmt oder die FoodCoop ohnehin gut in die bestehende Liefertour der Produzentin passt. Die isolierte Frage: „Wie weit weg ist der Bauernhof?" ist nicht ausreichend. Ob ein Produkt in eine FoodCoop passt, kann nur mit einer Kombination aus Fragen beantwortet werden.
Biologisch/Ökologisch
„Unsere FoodCoop hat sich für biologisch produzierte Produkte entschieden. Das führt immer wieder zu Lücken im Sortiment und Ausschluss von regionalen, kleinbäuerlich produzierten konventionellen Produkten. Der Entschluss für Bio bei allen Produkten bietet uns dafür eine gute Basis bei der Qualität der Produkte.“ (Zitat von einem FoodCoop Mitglied. )
Muss in einer FoodCoop alles „Bio“ sein? Um diese Frage beantworten zu können, muss zuerst einmal geklärt werden was „Bio“ bedeutet. Im Unterschied zu völlig undefinierten „regionalen Lebensmitteln“ ist gesetzlich sehr genau geregelt, was „biologische Lebensmittel“ sind. Neben den EU-weiten Mindeststandards – ausgewiesen durch das grüne Sternen-Logo – sorgen zusätzliche nationale Gesetze und darüber hinaus noch Verbandsrichtlinien (BIO AUSTRIA, Demeter, ...) für Qualitätskennzeichnung. Das heißt, es gibt bei Bio verschiedene Standards. BIO AUSTRIA etwa ist ein freiwilliger Zusammenschluss von österreichischen Biobauern und Biobäuerinnen. Die BIO AUSTRIA Qualität hebt sich in mehr als 170 Punkten vom Bio EU-Mindeststandard ab (mehr Infos siehe http://www.bio-austria.at)..)
Ein „Bio“-Pickerl alleine ist für FoodCoop-Ansprüche aber nicht ausreichend, denn die Mitglieder verbinden mit ökologischer Produktion oft mehr als nur Gesetzestexte oder Gütesiegel, und wollen „ein authentischeres regionales Bio“. Dieser Gedankengang kann soweit führen, dass die „offizielle Biozertifizierung“ generell abgelehnt wird. Schließlich überzeugen sich die Mitglieder eh selbst von der Arbeitsweise ihrer Lieferantinnen. Die persönlichen Eindrücke von „Speisereisen“ zu den Bauernhöfen sind in der Tat nicht ersetzbar. Beim Rundgang durch den Stall sind die Lebensbedingungen der Tiere sichtbar, und in persönlichen Gesprächen kommt meist schnell ans Licht, welche Werte am Bauernhof gelebt werden.
Allerdings ist eine Speisereise immer nur ein punktueller Einblick in die bäuerliche Welt. Oft mangelt es den Mitgliedern auch am nötigen Hintergrundwissen, um die richtigen Fragen zu stellen. Ob es für Tiere prinzipiell einen Auslauf ins Grüne gibt, ist bei einem Besuch leicht feststellbar, wie oft er genutzt wird, ob er artgerecht gestaltet ist oder wie sich das auf die Fütterungsweise auswirkt ist für Laien jedoch nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar. Ja es gibt sie tatsächlich, die nicht zertifizierten, ökologischen Bilderbuchbetriebe. Doch regionale, kleinstrukturierte Landwirtschaft bedeutet leider nicht automatisch ökologische und tiergerechte Landwirtschaft. Was hilft der idyllische Anblick eines Bergbauernhofes, wenn zur Unkrautbekämpfung auf der Weide Glyphosat eingesetzt wird und das beim regionalen Händler bezogene Futter für die lieben Tiere gentechnisch verändertes Soja aus Südamerika beinhaltet?
An dieser Stelle soll das weitverbreitete Gerücht zerstreut werden, dass eine Bio-Zertifizierung für kleine Betriebe schwer leistbar ist. Dieses Totschlagargument kommt oft von Personen, die sich mit der biologischen Wirtschaftsweise nicht wirklich auseinandergesetzt haben. Die Kontrollkosten sind abhängig vom Ausmaß der landwirtschaftlichen Tätigkeiten und somit auch für kleine Betriebe leistbar. Auch der bürokratische Aufwand hält sich in Grenzen, normalerweise müssen einmal jährlich Rechnungen etc. an die Biokontrollstelle übermittelt werden, um die Bioqualität von zugekauften Rohstoffen usw. zu belegen.
Beim Thema Qualität ist also eine Kombination aus offizieller Zertifizierung und einer persönlichen, vertrauensvollen Beziehung ideal, denn das eine ersetzt das andere nicht. Nur „regional“ sagt nicht ausreichend über die Produktionsbedingungen und die Produktqualität aus.
Fair/Sozial
Niemand wird die Meinung vertreten, es sollen unfair produzierte Lebensmittel ins Sortiment aufgenommen werden. Ganz im Gegenteil, eine FoodCoop soll für „Fairtrade“ vor der eigenen Haustür sorgen! Aber wie? Die Schlagworte „fair“ und „sozial“ sind genauso wenig definiert wie „regional“. „Faire Preise für Produzentinnen“ ist da schon eine etwas konkretere Aussage, doch die Preisgestaltung von Lebensmitteln und die Einkommenssituation von Bäuerinnen ist durch den Einfluss der Agrarförderungen schwierig nachvollziehbar. Allgemeingültige Aussagen lassen sich also kaum treffen, besser ist es in Einzelgesprächen mit den konkreten Beteiligten offene Fragen zu besprechen, etwa: „Wieviel muss das Kilo Tomaten kosten, um unserer Gemüsebäuerin einen Netto-Stundenlohn von 10 Euro zu bescheren?“ Im Endeffekt versteht sich eine FoodCoop als solidarische Gemeinschaft, worin sowohl die Mitglieder als auch die Lieferantinnen eingebunden sind. Faire Preise für alle Beteiligten sind das Ziel. Das Thema Preisbildung wird im nächsten Kapitel „Sortiment erstellen“ nochmal aufgegriffen.
Direkt vom Bauernhof?
FoodCoop-Mitglieder wollen wissen woher ihr Essen kommt. Der anonyme Großhandel oder die verarbeitende Lebensmittelindustrie können diesen Wunsch nicht erfüllen und scheiden als Bezugsquellen aus. Das heißt aber nicht, dass automatisch auch jede regionale Händlerin oder jedes traditionelle Verarbeitungsunternehmen dogmatisch ausgeschlossen werden muss. Die entscheidende Frage ist ja nicht: „Wurde das Produkt direktvermarktet?“, sondern „Ist die Rückverfolgbarkeit des Lebensmittel so transparent, dass ein per- sönlicher Bezug bis zu den Ursprüngen hergestellt werden kann?“ Eine Metzgerin oder Bäckerin, die Rohstoffe aus der Region verarbeitet, kommt also durchaus als Bezugsquelle in Frage, weil Waren- und Geldflüsse nachvollziehbar sind und ein direkter Kontakt mit den Rohstofflieferantinnen herstellbar ist.
Zusammenfassung
Nimmt die FoodCoop ihre eigenen Ansprüche ernst, so führt kein Weg daran vorbei, jeden Einzelfall mit einer Kombination aus Fragen zu bewerten. Dabei kann es durchaus zu „Härtefällen“ kommen z. B. wenn als Gemüsequelle zwei Möglichkeiten zur Wahl stehen. Die sympathische konventionelle Altbäuerin aus dem Ort, die in ihrem Garten sicher „nix spritzt“ oder die innovative Jungübernehmerin aus der Nachbargemeinde, die moralische Unterstützung braucht, weil sie gegen den Willen ihrer Eltern auf Bio umstellt.
Ideologie trifft Realität oder: „Was tun, wenns keine Butter gibt?“ In der Praxis zeigt sich häufig, dass nicht alle Wunschkriterien so einfach erfüllbar sind. Die Realität in der Landwirtschaft ist bei weitem nicht immer umweltschonend, sozial, ...
Eine FoodCoop muss in puncto Sortiment nicht mit klassischen Geschäften mithalten können. Zwar sollte die Bandbreite an Grundnahrungsmitteln größtenteils abgedeckt sein, aber es besteht absolut kein Druck in Richtung Vollsortiment! Gibt es in der Region keine Butter, die alle FoodCoop-Ansprüche erfüllt, so trägt diese Lücke im Sortiment ja auch wieder zur Bewusstseinsbildung bei, denn es zeigt auf, dass eine flächendeckende Versorgung mit wertvollen, direktvermarktenden Grundnahrungsmitteln keine Selbstverständlichkeit ist!
Sortiment erstellen
Dieses Kapitel ist aufgrund der inhaltlichen Nähe bewusst im Anschluss an das Thema Produktkriterien angesiedelt. Diese sind allerdings nicht die einzige Voraussetzung, um Lieferantinnen anfragen zu können. Bei der konkreten Kontaktaufnahme sollten zumindest grobe Informationen zum Bestell- und Liefersystem bekannt sein. Vor allem die Frage, an welchem Wochentag die Anlieferung der Vorbestellungen erfolgt, ist für direktvermarktende Bauern oft sehr wichtig.
Wie finden FoodCoops passende Lieferantinnen?
- Sammelt eurer eigenes Wissen: Wo haben die Mitglieder bis jetzt ein gekauft? Sicherlich sind einige gute Quellen dabei!
- (Bio-)Bäuerliche Netzwerke nutzen: BIO AUSTRIA bietet mit „Biomaps“ eine online-Suchmaschine für direktvermarktende Bauernhöfe: http://www.bio-austria.at/biomap Die Daten sind auch als Handbuch erhältlich, der Bio-Einkaufsführer von BIO AUSTRIA OÖ kann bestellt werden unter 050/6902-1420 oder oberoesterreich@bio-austria.at
- Das Rad nicht neu erfinden: Welche Lieferantinnen haben andere FoodCoops in der Region? Welche Bäuerinnen sind auf den Bauernmärkten in der Region vertreten?
- Mut zur Lücke: So gut wie keine Region kann sämtlichen Produktwünschen voll und ganz gerecht werden. Kommuniziert aktiv, dass ihr z. B. Bio-Gemüse sucht. Irgendeine Möglichkeit ergibt sich immer, entweder wird eine Bäuerin dazu angeregt, ihren bis dato privaten Gemüsegarten in einen zusätzlichen Betriebszweig umzuwandeln, oder eine Person entschließt sich zum Quereinstieg in die Landwirtschaft, oder ein Betrieb von weiter weg baut eine neue Lieferroute auf, oder ...
Lieferantinnen kontaktieren
Innerhalb einer FoodCoop ist eine Vielfalt an Meinungen gerne gesehen, ihr solltet euch aber einig sein, wie ihr nach außen auftretet. Aus Sicht der Produzentinnen kann es verwirrend oder auch mühsam sein, wenn sie zuerst von einem Mitglied als Lieferantin angefragt, dann doch wieder auf eine Plenumsentscheidung vertröstet wird. Als nächstes von einem anderen Mitglied dazu aufgefordert wird Informationen über ihren Betrieb zu liefern, und letztendlich eine Absage erhält. Bei so einem Hin & Her wird die FoodCoop wohl kaum als Unterstützung der Landwirtschaft wahrgenommen.
Um solche Szenarien zu vermeiden, solltet ihr die Auswahl der Lieferantinnen gemeinsam vorbereiten und erst danach die Produzentinnen ansprechen.
- Vermeidet, dass einzelne Mitglieder übereifrig „im Namen der FoodCoop“ Produzentinnen kontaktieren, ohne dass sich die Gruppe zuvor für den Betrieb entschieden hat!
- Zumindest das grobe Modell sollte schon fixiert sein (z. B. einmal wöchentlich bestellen, am Freitag ist Abholtag), um den Bäuerinnen eine Orientierung zu bieten. Details wie die genaue Bestelldeadline könnt ihr dann mit den Lieferantinnen vereinbaren.
- Erstellt intern eine Liste mit möglichen Lieferantinnen. Darin tragt ihr alle relevanten Informationen zusammen: Welche Produkte bietet der Hof an? Ist der Betrieb biozertifiziert? Betreibt die Bäuerin bereits Direktvermarktung? Usw.
- Entscheidet euch gemeinsam anhand der Liste, welche Produzentinnen ihr anfragt. Macht dies nur bei Betrieben, wo ihr euch sicher seid, dass eure Produktkriterien erfüllt werden, und fragt nur einen Betrieb pro Produktgruppe an. Ansonsten kommen keine sinnvollen Mindestbestellmengen zusammen.
Es ist nicht davon auszugehen, dass alle Bäuerinnen über FoodCoops Bescheid wissen. Bei der Kontaktaufnahme sind also kurze und knackige Informationen erforderlich: Was ist eine FoodCoop? Was unterscheidet sie von anderen Vermarktungsformen? Sowohl Vorzüge als auch Anforderungen (Zeitaufwand, Preisbildung, Softwarenutzung, digitale Kommunikationswege, ...) sollten erklärt werden.
Neben diesen allgemeinen Informationen müssen die Lieferantinnen wissen:
- Bis wann erhalten die Lieferantinnen die Bestellungen?
- Bis wann sollen die Produkte angeliefert werden?
- Wie funktioniert die Abrechnung?
Oft tauchen bei Kontaktaufnahme mit den Bäuerinnen auch rechtliche Fragen auf. Grundsätzlich gilt: Die Vermarktung über FoodCoops ist rechtlich betrachtet sehr ähnlich zu anderen Direktvermarktungsformen. Eine FoodCoop entbindet die Lieferantinnen nicht von Auflagen und Gesetzen in der Produktion (Hygiene, Etikettierung, ...). Die Bäuerinnen sind bis zur Übergabe der Waren für die Einhaltung der Kühlkette etc. verantwortlich.
Preisgestaltung in FoodCoops
Ein grundlegendes Ziel einer jeden FoodCoop ist die Unterstützung bäuerlicher Landwirtschaft, und dazu zählt, den Lieferantinnen „faire Preise“ zu zahlen. In der Theorie ist di eser Punkt also schnell abgehandelt, allerdings nur deshalb weil „fair“ sehr frei interpretierbar ist. Oft wird die Preisgestaltung komplett den Bäuerinnen überlassen, denn diese werden ja wohl am besten wissen, wieviel Arbeit sie in ihre Produkte stecken. Das ist wohl gut gemeint und mag für den Produktionsaufwand stimmen, nicht aber für den Vermarktungsaufwand, der gerade in der Direktvermarktung auch einen beträchtlichen Anteil an der Preisgestaltung hat. Übersehen wird dabei aber, dass die Bäuerinnen den Vermarktungsweg „FoodCoop“ anfangs nicht kennen und somit Aufwand und Umsatz nicht einschätzen können. Außerdem ist die Annahme nicht richtig, dass die Mitglieder jeden noch so hohen Preis automatisch als „fair“ ansehen. Wichtig ist dabei aber, dass die Mitglieder auch ein Verständnis für Preise entwickeln können. Dazu sind sie meist auf Informationen der Bäuerinnen angewiesen. Eine Bäuerin, die einfach nur viel verlangt, wird nicht automatisch viel verdienen. Wenn zum Beispiel die Produkte ohne Erklärungen teurer als am Bauernmarkt angeboten werden, kann der gute Wille der Mitglieder in Unverständnis umschlagen. In Folge wird im schlimmsten Fall nicht die Bäuerin angesprochen, sondern einfach keine Produkte mehr von ihr bestellt.
Praxistipp für einer faire Preisfindung: Eine Bäuerin vergleicht den Aufwand, den sie durch das Beliefern einer FoodCoop hat mit dem Aufwand für andere Direktvermarktungstätigkeiten, z. B. einen Stand am Bauernmarkt. Wenn sie über die FoodCoop halb so viel Umsatz macht wie am Bauernmarkt, damit aber auch nur halb so viel Aufwand hat, dann ist der gleiche Preis wie am Bauernmarkt gerechtfertigt.
Wenn sich herausstellt, dass sich der Vermarktungsweg über die FoodCoop nicht auszahlt, dann kann an mehreren Schrauben gedreht werden: Eine Mindestbestellmenge vereinbaren, Verpackungskosten vermeiden durch das Bestellen größerer Einheiten bzw. Gebinde, Transportaufwand und Transportkosten minimieren, indem ein anderer Weg gefunden wird, wie die Produkte vom Bauernhof zum FoodCoop-Lager kommen, ...
Was tun wenn Produzentinnen absagen?
Bringt zumindest den Grund für die Absage in Erfahrung, eventuell ist das Problem leicht gelöst. FoodCoops sind sehr flexible Modelle, Anlieferzeiten, Transportwege sind schnell angepasst. Gerade direktvermarktende Betriebe sind zeitlich oft voll ausgelastet und sagen bei zusätzlichen Anfragen pauschal ab. Habt ihr ihnen erklärt, dass der zeitliche Aufwand viel geringer ist als auf Bauernmärkten?
Einschulung der Lieferantinnen
Den Lieferantinnen sollten vor allem am Beginn Unterstützung angeboten werden, vor allem wenn von ihnen erwartet wird, dass sie eigenständig eine Software oder ein anderes digitales Medium verwenden. Ihr könnt z. B. einen eigenen Infoabend nur für die Lieferantinnen organisieren, dort können auch gleich Liefergemeinschaften gebildet werden.
Praxistipp: Spielt den Ablauf Produkte anbieten – Bestellung entgegennehmen – Waren liefern – Abrechnen einmal in der Theorie oder auch real mit einer Probebestellung durch, damit ersichtlich wird, was die Lieferantinnen alles brauchen: Einen Account für die Software, den Türcode fürs FoodCoop-Lager, eine Kontaktmöglichkeit für Sortimentänderungen, eine klar definierte Regalfläche zum Einräumen der Produkte, ...
Bestell-, Abhol- und Bezahlsystem auswählen
Die Bandbreite von FoodCoop-Modellen ist groß und angepasst an die Ansprüche der Mitglieder, die lokalen Möglichkeiten und vorhandenen Ressourcen. Eine kurze Beschreibung zweier „Extremfälle“ soll di es verdeutlichen.
Die Mini-FoodCoop: Ein Freundeskreis bestellt ein paar Mal im Jahr bei e inem allseits beliebten Bauernhof verschiedene Getreidesorten und Lagergemüse in Großgebinden (10 Kilo Säcke). Ein Mitglied holt die Produkte vom Bauernhof ab, aufgeteilt wird in einem Privathaushalt, am Arbeitsplatz oder an einen anderen spontanen Treffpunkt.
Die umfassende FoodCoop: Bis zu hundert Mitglieder dekken nahezu ihren kompletten Bedarf an Lebensmitteln durch wöchentliche Bestellungen bei vielen verschiede-nen Bauernhöfen. Eine eigene Software sorgt für effiziente Bestell-Datenverarbeitung und o rdentliche Buchhaltung, das eigene FoodCoop-Lager ist zentraler Umschlagplatz für die Fülle an Lebensmitteln.
In der Realität sind die allermeisten FoodCoops irgendwo zwischen den beiden Extremen angesiedelt. Keine FoodCoop ist wie die andere, jede Gruppe entwickelt selbst ein maßgeschneidertes Modell. Im Wesentlichen müssen nur einzelne Faktoren aufeinander abgestimmt werden: Größe, Arbeitsaufwand, Sortimentgröße, Kosten etc. Zudem sind die rechtlichen Rahmenbedingungen im Auge zu behalten. Die Finanzierung der FoodCoop wird in einem eigenen Kapitel näher beschrieben.
Folgende Fragen sollen als Hilfestellung dienen, um die Bedürfnisse und die Rahmenbedingungen der eigenen Gruppe herauszuarbeiten.
Bestellmodell
- Soll es wöchentliche Bestellung von frischen Lebensmitteln (Gemüse, Brot, Milchprodukte, ...) geben? Oder reichen unregelmäßige Sammelbestellungen (z. B. alle zwei Monate) von länger haltbaren Vorratsprodukten (Nudeln, Saft, Öl, etc.)? Bei wöchentlichen Bestellungen hat sich der Freitagnachmittag als Abholzeit bewährt, weil viele direktvermarktende Betriebe ohnehin für Bauernmärkte am Wochenende produzieren, und berufstätige Mitglieder zum Wochenausklang meistens Zeit zum Abholen haben. Aber im Prinzip ist jeder Wochentag möglich.
- Sollen die Mitglieder Detailbestellungen abgeben können (also jedes Mitglied gibt genau an, was es braucht) oder wird z. B. einfach mal ein 25 kg Sack Zwiebel bestellt und dann spontan untereinander aufgeteilt?
Gruppencharakter
- Wie viele Mitglieder soll die FoodCoop aufnehmen? Ist sie nur für einen Freundeskreis gedacht oder soll sie grundsätzlich offen für alle Interessierten sein?
- Welche Kompetenzen sind in der Gruppe vorhanden bzw. werden benötigt? Gibt es Mitglieder mit IT-Kentnissen, die eine Software administrieren können oder benötigt die Gruppe externe IT-Betreu- ung, wodurch bei Verwendung einer Software Kosten anfallen können? Gibt es Mitglieder die mit Buchhaltung vertraut sind?
- Wie ist es generell um die zeitlichen Ressourcen der Mitglieder bestellt? Wie kann ein Grundmodell zur internen Arbeitsverteilung aussehen?
Praxisbeispiel: Eine FoodCoop hat rund 50 Abholtage pro Jahr, es sollen immer 1 bis 2 Mitglieder Abholdienst machen, die FoodCoop ist für 30 Mitglieder gedacht, d.h. jedes Mitglied macht im Schnitt 2 bis 3 mal im Jahr Abholdienst.
Räumlichkeiten
- Wo ist ein guter Ort für einen zentralen Umschlagplatz?
- Will die FoodCoop eigene Räumlichkeiten anmieten (Vorteile: Fixe Einrichtung, sozialer Treffpunkt, identitätsstiftend, größeres Sortiment möglich, Lagerplatz für haltbare Produkte) oder einen externen Raum für ein paar Stunden die Woche zwischennutzen, etwa von einem anderen Verein oder in einem öffentliches Gebäude (Vorteil: Mietkosten fallen weg, Nachteile: Schwieriger als sozialer Treffpunkt gestaltbar und mühsam, weil alle Einrichtungsgegenstände wie Regale etc. her- und wieder weggeräumt werden müssen.)
Umfeld
- Wer sind mögliche Kooperationspartner der FoodCoop? Gemeinde, andere Vereine, Schulen, Firmen, Parteien, ... Immer mehr Gemeinden b ieten kostenlose oder günstige Räumlichkeiten für Initiativen ihrer engagierten Einwohnerinnen an und unterstützen beim Bekanntmachen der Idee. Ebenso greifen Regionalentwicklungsorganisation wie Agenda 21 motivierten Bürgerinnen unter die Arme.
- Wie ist die Nahversorgungssituation im Umfeld? Existieren andere gute Einkaufsmöglichkeiten und die FoodCoop ist nur eine Ergänzung für spezielle Produkte oder ist die FoodCoop die einzige Bezugsquelle von hochwertigen Lebensmitteln weit und breit?
Bestellsystem auswählen
Die Wahl der geeignetsten Bestellvariante hängt von der Größe der FoodCoop und den Ansprüchen der Mitglieder ab. Folgende Varianten ste hen zur Auswahl:
- Die Verwendung einer FoodCoop Soft ware ist sicherlich die effizienteste Variante, vor allem für Initiativen ab 30 Mitgliedern. Die einzelnen Haushalte können wie in einem Webshop die gewünschten Produkte anklicken, die Software erstellt automatisch die Gesamtbestellungen. Mehr dazu im Kapitel „IT für FoodCoops“.
- Die digitale Alternative zur Software sind „online-Dokumente“, also eine Art Excel Tabellen, auf die jedes Mitglied per Internet zugreifen kann und in vordefinierte Zeilen/Spalten die gewünschten Produktmengen einträgt. Solche Listen sind mühsamer, unübersichtlicher und fehleranfälliger als eine Software, aber im Prinzip ausreichend und vor allem schnell und gratis erstellbar. Wichtig ist eine gute Wartung bzw. eine gute Einschulung neuer Mitglieder im Umgang damit. Siehe auch dazu das Kapitel „IT für FoodCoops“.
- Auch das Bestellen per E-Mail ist möglich, der Arbeitsaufwand wird dadurch aber höher, denn irgendwer (z. B. ein Mitglied pro Bauernhof) muss die E-Mail auswerten und daraus Sammelbestellungen erstellen. Die Variante ist daher nur für unregelmäßige Extrabestellungen oder sehr kleine Food-Coops empfehlenswert.
- Nicht digitale Varianten sind auch möglich, etwa telefonische Bestellungen oder im FoodCoop-Lager aufliegende Listen zum händischen Eintragen. Jedes Mitglied trägt seine Produktwünsche am Abholtag schon für die darauf folgende Woche ein. Solche Varianten sind in der Regel aber aufwändiger und unflexibel, weil sie den Bestellzeitraum stark einschränken. Dafür können auch Leute ohne Internetzugang mitbestellen.
- Fixe Bestellmengen können die Detailbestellungen ersetzen, der Aufwand für Mitglieder und Produzentinnen wird dadurch verringert. Manche FoodCoops sagen einfach der Gemüsebäuerin: „Bring uns jede Woche 5 Kisten Gemüse mit allem was du gerade hast“ oder zur Imkerin: „Stell uns mal 30 Honiggläser ins FoodCoop-Lager, wir melden uns wieder, wenn sie fast aus sind.“
- Andere FoodCoops teilen sich Ernteanteile von CSAs/Solawis, bekommen also z. B. wöchentlich acht Gemüse-Abokistl, wovon sich jedes Mitglied nimmt was es braucht. Die Bestellung wird dadurch sehr vereinfacht, dafür ist bei der Abholung Fingerspitzengefühl gefragt, denn einerseits soll am Ende nichts übrigbleiben, andererseits sollen auch die letzten erscheinenden Mitglieder nicht leer ausgehen. Bleiben haltbare Produkte über längere Zeit im FoodCoop-Lager, ist zu klären, wer dafür verantwortlich ist, also ob sich die Produzentinnen oder die Mitglieder um eine sorgsame Lagerung kümmern.
Allgemeine Hinweise zum Bestellen
Jedes Modell braucht einen Bestellschluss. Diese sollte einerseits möglichst knapp vor dem Abholtag liegen, die Mitglieder tun sich sonst schwer mit der Einschätzung welche Lebensmittel sie brauchen. Andererseits brauchen die Lieferantinnen ein wenig Zeit, um die Bestellungen zu bearbeiten. Ein bewährter Wochenrhythmus ist: Dienstag Mitternacht Bestellschluss, Mittwoch früh erhalten die Lieferantinnen die Sammelbestellung, Anlieferung am Freitag.
Praxistipps: Damit die Mitglieder den Bestellschluss nicht übersehen, können sie sich selbst ein e Erinnerung am Handy einstellen. Manche FoodCoops versenden auch wöchentliche Erinnerungsnachrichten per E-Mail oder SMS. In anderen FoodCoops können Dauerbestellungen gemacht werden, d. h. bis auf Widerruf wird für Mitglied Sabine automatisch jede Woche ein Liter Milch, 1 Joghurt, ... mitbestellt.
Eine Kombination mehrerer Varianten ist möglich, etwa kann zusätzlich zur Software eine analoge Bestellmöglichkeit für die Handvoll Mitglieder ohne Internet überlegt werden. Insgesamt sollte der Bestellvorgang aber übersichtlich und nicht zu aufwändig sein.
Alle Bestellungen sind verbindlich, ansonsten funktioniert das Modell nicht.
Bei der Auswahl des Bestellmodell ist zu berücksichtigen, dass nicht nur die Mitglieder, sondern auch die Lieferantinnen d amit in Berührung kommen. Auf die Bäuerinnen kommen folgende Aufgaben zu:
Produkte anbieten:
Bevor überhaupt bestellt werden kann, müssen die Lieferantinnen über ihr Angebot informieren, und dies rechtzeitig vor Bestellschluss! Bei Verwendung der Software FoodCoopShop kann jede Bäuerin selbst ihr Angebot im „Webshop“ verändern, ansonsten müssen die Produzentinnen Sortimentänderungen per E-Mail bekannt geben und ausgewählte Mitglieder arbeiten die Änderungen ein.Verarbeitung/Verpackungder bestellten Waren:
Ein paar Tage vor der Abholzeit erhalten sie die Sammelbestellung, meist per E-Mail. Beim Kommisionieren der Bestellungen gibt es grundsätzlich zwei Modelle:
- Einzelverpackung: Jede Bestellung wird einzeln verpackt und mit dem Namen des Mitglieds beschriftet.
- Anlieferung in einem Großgebinde, z. B. wenn 18 Mitglieder je ein halbes Kilo Karotten bestellt haben, dann stellt die Gemüsebäuerin eine Kiste mit 9 kg Karotten zusammen.
Für die Lieferantinnen kann die erste Variante einen beträchtlichen Mehraufwand bedeuten, zudem entsteht mehr Verpackungsmüll. Beides widerspricht grundlegenden FoodCoop-Zielen. In manchen Fällen ist eine Einzelverpackung dennoch die bessere Lösung, entweder aus Hygienegründen oder um Verwechslungen auszuschließen.
Anlieferung: Der Anlieferzeitraum muss zum Produktionsrhythmus bzw. Arbeitsalltag der Lieferantinnen passen. Zu kurze Zeiträume, z. B. nur am Freitag von 15 bis 16 Uhr, sind zu vermeiden.
Durch ein paar einfache Tricks kann den Bäuerinnen das Beliefern der FoodCoop erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht werden:
- flexible Anlieferzeiten durch Nummerncode: Bewährt hat sich ein Nummerncode für die Eingangstür des FoodCoop-Lagers, die Bäuerinnen können die Zustellung dann individuell in ihren Arbeitsalltag integriere n.
- sinnvolle/effiziente Transportwege: Lieferantinnen können sich auch zu informellen Liefergemeinschaften zusammenschließen, es spart Zeit und CO2 , wenn die drei Bäuerinnen aus dem Nachbarbezirk nicht alle einzeln fahren. Ebenso können Wege von Mitgliedern mitgenutzt werden, z. B. wenn ein Mitglied sowieso jeden Freitag am Heimweg von der Arbeit an eneim Bauernhof vorbeifährt.
- Mindestbestellmengen: Oft ist es besser, nur einmal im Monat eine größere Menge zu bestellen, die Lieferantinnen sparen sich dadurch viel Aufwand und Transportkilometer. Auch viele Frischeprodukte sind bei korrekter Lagerung wochenlang haltbar.
- Für sinnvolle Mindestbestellmenge gibt es eine weitere Möglichkeit: Kooperiert mit anderen Abnahmestellen in der Region! Eventuell hat auch eine andere FoodCoop, ein Wirtshaus oder ein gewerblicher Nahversorger Bedarf an Produkten von euren Lieferantinnen, dann müssen diese nicht nur für die FoodCoop-Bestellung in eure Gemeinde fahren.
- Um die kleinen Bestellmengen nicht noch mehr zu zerstückeln, ist eine Lieferantin pro Produktgruppe völlig ausreichend! Liefern etwa mehrere Bauernhöfe die gleichen Kuhmilchprodukte, so zahlt es sich sicherlich für keinen aus.
Abholsystem auswählen
In FoodCoops gibt es keine Bedienung, die anfallenden Arbeiten werden auf alle Mitglieder verteilt. Für die Abholung der Produkte bedeutet dies: Jede Woche übernimmt ein anderes Mitglied den „Abholdienst“, d. h. es kommt etwas früher als alle anderen Mitglieder und erledigt die allgemein anfallenden Arbeiten, vom Aufsperren und Lieferungen kontrollieren zu Beginn, bis zum Putzen am Schluss. Alle and eren Mitglieder, die die se Woche n icht Abholdienst haben, kommen etwas später zur festgelegten Abholzeit vorbei.
Für den Ablauf beim Abholen der Vorbestellungen gibt es verschiedene Varianten:
- Die Mitglieder nehmen sich eigenständig die vorbestellten Produkte aus den Regalen und Kühlschränken, auch die Abrechnung erfolgt eigenständig. Damit dies funktioniert, braucht es ein klares System und eine gewisses Verantwortungsbewusstsein seitens der Mitglieder. Dafür entsteht für niemanden zusätzlicher Aufwand.
- In manchen FoodCoops sortiert der Abholdienst die Bestellungen vor, d. h. jedes Mitglied hat seine persönliche Kiste, in die der Abholdienst vor der Abholzeit alles, was bestellt wurde hineinschlichtet. Das ist praktisch für die abholenden Mitglieder und die Verwechslungsgefahr wird minimiert, der Arbeitsaufwand für den Abholdienst vergrößert sich aber deutlich.
Es gibt auch Mischformen der beiden Varianten, d. h. manche Arbeiten (z. B. Bestellung zusammensuchen) erledigen die Mitglieder selbst, bei anderen (z. B. beim Abrechnen) werden sie vom Abholdienst unterstützt. Manche FoodCoops kommen auch gänzlich ohne Abholdienst aus. Dies setzt aber eine eingespielte Gruppe voraus, und anfallende rbeiten wie z.B. Putzen müssen trotzdem irgendwann erledigt werden.
Die Arbeitskapazität des Abholdienstes sollte nicht überschätzt werden, umfassender Service wie von bezahltem Personal in Geschäften ist sicher nicht möglich! Der Abholdienst sollte daher nur für allgemein anfallende Arbeiten eingeteilt werden, nicht für Einzelbetreuung aller anderen Mitglieder.
Die Verwechslung von Produkten bei der Abholung kommt immer wieder vor. Betroffen sind davon in erster Linie unbeschriftete Lebensmittel. Wer kann schon mit freiem Auge Pastinaken von Petersilienwurzeln unterscheiden? Abhilfe schaffen vordefinierte, übersichtliche und klar gekennzeichnete Plätze für die einzelnen Produkte, z. B. die Kuhbäuerin stellt die Joghurts immer ins unterste Kühlschrankfach, an der Tür hängt ein Zettel mit „Kuhmilchprodukte unten – Schafmilchprodukte oben!“. Die Lieferantinnen sind für eine ordentliche Anlieferung verantwortlich. Damit der Abholdienst Zeit zum Vorbereiten hat, sollten spätestens eine Stunde vor Beginn der Abholzeit alle Produkte an ihrem Platz stehen. Ein Lieferschein ist nicht unbedingt nötig, aber vor allem wenn die Liefermenge von der Bestellmenge abweicht, ist es Aufgabe der Bäuerinnen, den Abholdienst darüber zu informieren.
Praxistipp: Was tun, wenn Mitglieder ihre Bestellungen nicht abholen? Grundsätzlich sind die Mitglieder selbst verantwortlich, was mit ihren Lebensmitteln geschieht, gezahlt müssen sie auch werden, wenn sie in der FoodCoop liegen bleiben. Eigentlich findet sich aber immer eine „menschliche“ Lösung für so eine Situation: ein anderes Mitglied aus der Nachbar-schaft nimmt die Bestellung mit, der Abholdienst ruft das Mitglied an, ...
Bezahlsystem auswählen
In manchen FoodCoops zahlen die Mitglieder bei der Abholung die Produkte mit Bargeld. Diese Variante ist jedoch aufwendig und fehleranfällig, das Bargeld kann nicht einfach im Lager liegen bleiben. Darum verwenden die meisten Initiativen ein bargeldloses Guthabensystem, welches entweder in die FoodCoop-Software integriert ist oder auch händisch auf Mitglieder-Kontoblättern dokumentiert wird. Jedes Mitglied lädt zuerst sein Guthaben auf, indem es einen Geldbetrag auf das FoodCoop-Konto überweist. Von diesem Guthaben werden die einzelnen Bestellungen dann laufend abgezogen.
Ein Kontoblatt sieht konkret also so aus:
Datum Notiz Betrag 23.5. Guthaben Aufladung (per Überweisung) + 100,00 € 27.5. Einkauf - 27,80 € 3.6. Einkauf - 34,55 € usw.
Abrechnung mit den Lieferantinnen
Im Prinzip ist es auch möglich, dass die Lieferantinnen in bar bezahlt werden. Ein Mitglied sammelt alle Teilbeträge der einzelnen Bestellungen ein und übergibt das Geld dann. In der Regel erfolgt die Abrechnung mit den Lieferantinnen jedoch monatlich per Überweisung. Die Software „FoodCoop-Shop“ erstellt automatisch monatliche Rechnungen, der Aufwand für die Überweisung besteht in einem Mausklick.
Achtung: Pauschalierte Bauernhöfe müssen als Umsatzsteuersatz 10% angeben, da sie direkt an private Endverbraucherinnen verkaufen! Der Steuersatz von 13% ist anzuwenden, wenn eine Bäuerin an ein Geschäft, Gasthaus etc. verkauft!
Um zu verdeutlichen, das eine FoodCoop nicht wie ein klassisches
Geschäft Waren einkauft und wieder verkauft, sondern eine FoodCoop
ein Zusammenschluss von Mitgliedern ist, die gemeinsam
bei den Bauernhöfen etc. einkaufen, ist folgende Vorgehensweise
empfehlenswert:
Die Lieferantinnen stellen die Monatsrechnung nicht an den
Verein Apfelputz, sondern beispielsweise an „die Mitglieder des
Vereins Apfelputz laut Bestellliste". Die Software „FoodCoop-
Shop“ erledigt diese Arbeit automatisch und sehr übersichtlich,
d. h. der Gesamtrechnung ist eine Einzelabrechnung
beigefügt, aus der z.B. hervorgeht, dass von den im Monat
April verkauften Salaten drei an Mitglied Annika verkauft
wurden, fünf an Mitglied Berta usw.
Auch ohne die Software ist diese Vorgehensweise möglich,
die wöchentlichen Sammelbestellungen sind ja ohnehin vorhanden,
sie werden gemeinsam mit der Monatsabrechnung
in einem Ordner abgelegt. Die Lieferantinnen müssen selbst
keine detaillierte Einzelabrechnung vornehmen, es reicht
wenn die Bestelllisten in der FoodCoop dokumentiert sind.
IT für FoodCoops
Das FoodCoop-Modell ist nicht unbedingt auf die Verwendung von Internet und Software angewiesen, im Prinzip können Bestellungen und Abrechnungen auch handschriftlich oder telefonisch erledigt werden. Der bürokratische Aufwand wächst allerdings exponentiell mit der Anzahl der Mitglieder, Transparenz und Übersichtlichkeit geht im Papierkram schnell verloren. Darum setzen FoodCoops in der Regel auf IT-Werkzeuge. Softwares wie „FoodCoopShop“ und „Foodsoft“ dienen dem Bestellen und Abrechnen, die anderen Tools erleichtern die interne Kommunikation, Dokumentation und Entscheidungsfindung. Auf die Beschreibung von allseits bekannten Tools wie dropbox wird an dieser Stelle verzichtet. Stattdessen werden vorrangig werbefreie und kostenlose Open Source Programme vorgestellt.
Software zum Bestellen und Abrechnen
Der „FoodCoopShop“ wurde von Mario Rothauer, Mitglied der FoodCoop „Fairteiler Scharnstein“, in Zusammenarbeit mit anderen oberösterreichischen FoodCoop Mitgliedern entwickelt. Sie erspart viel Aufwand beim Bestellen und (bargeldlosem) Abrechnen von Produkten und Pfand, erfüllt dabei sämtliche rechtlich relevante Kriterien und erledigt fast automatisch auch die Buchhaltung. Zusätzlich können Kommunikationskanäle eingebettet werden und auf Wunsch schickt sie sogar wöchentliche Bestellerinnerungen aus.
Das Beste ist: Anders als gewöhnliche Webshops ist die Software darauf ausgelegt, dass sie von einer Gruppe bedient wird. Sie ist auch von IT-Laien einfach zu bedienen, sämtliche Funktionen sind selbsterklärend. Jede Lieferantin hat ein en eigenen Zugang und kann ihr Sortiment aktuell halten und Informationen zu ihren Produkten selbstständi g erstellen. Ebenso hat jedes FoodCoop-Mitglied ein en eigenen Zugang für das individuelle Bestellen und Abrechnen, sowie für die Kommunikation mit den anderen Mitgliedern. Der FoodCoopShop basiert Open-Source-Technologie und ist daher für alle kostenlos und frei verfügbar. Wer selbst IT-Know-how besitzt, kann die Software also selbst an die eigene FoodCoop anpassen und weiterentwickeln. Falls in eurer FoodCoop das nötige Fachwissen fehlt, so könnt ihr das Serviceangebot von Mario nutzen. Das wenige Geld dafür ist gut investiert, ihr erhaltet freundliche und kompetente Betreuung. http://www.foodcoopshop.com
Die „Foodsoft“ wurde ursprünglich für eine deutsche FoodCoop entwickelt und ist mittlerweile in mehreren Ländern verbreitet. In Österreich kann die Arbeitsgruppe IT der Interessensgemeinschaft FoodCoops kontaktiert werden. http://www.foodcoops.at
IT-Werkzeuge zur internen Kommunikation**
„Riseup“ bietet online-Kommunikationstools (E-Mail-Verteiler, online-Dateispeicher, Wiki, Echtzeit-Texteditor, ...) für Menschen und Gruppen, die an befreiendem gesellschaftlichem Wandel arbeiten. Wir sind ein Projekt, das demokratische Alternativen entwickelt und wir üben Selbstbestimmung aus, indem wir unsere eigenen sicheren Kommunikationswege kontrollieren.“ (Eigenbeschreibung) http://www.riseup.net
„Open Atrium“ ist eine Kombination aus Wiki und Forum. Es eignet sich als sowohl für aktuelle online-Diskussion als auch zur Aufbewahrung von Texten und anderen Dokumenten. Zusätzlich gibt es einen Kalender und eine Aufgabenliste. http://www.openatrium.com
IT-Werkzeuge zur Entscheidungsfindung
„Dudle“ wurde von der Technischen Universität Dresden entwickelt und ist die werbefreie Alternative zu doodle. Dudle ist ein Werkzeug für online-Umfragen und eignet sich sowohl für Terminfindungen („Wann ist der beste Tag für die nächste Speisereise?“), wie auch für inhaltliche Abstimmungen („Welche Themen sollen beim nächsten Treffen besprochen werden?“) https://dudle.inf.tu-dresden.de
„online Konsensieren“: Wer bei d er Entscheidungsfindung Systemisches Konsensieren anwendet, kann dies auch per Internet organisieren. http://www.konsensieren.eu
Finanzierung sichern
Wie in der Einleitung schon erwähnt besteht ein wesentlicher Vorteil des FoodCoop Modell in der Ausschaltung des „unternehmerischen Risikos“. Eine FoodCoop ist kein Geschäft, sie wird von der Gemeinschaft getragen, auch finanziell.
Wofür braucht eine FoodCoop Startkapital?
Die Gründungskosten einer FoodCoop können im Minimalfall bei ein paar Hundert Euro gehalten werden, mit externen Förderungen vergrößert sich der Handlungsspielraum auf ein paar Tausend Euro. Der größte Brocken fällt bei der Raumgestaltung an (Kaution, Renovierung, Einrichtungsgegenstände, ...), auch in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit (Flyer gestalten) und IT (Software kaufen/einrichten) können einmalige Kosten anfallen, vor allem wenn Dienstleistungen extern zugekauft werden.
Wie kommt eine FoodCoop zu Startkapital?
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Förderungen von Gemeinden, Parteien, Regionalentwicklungsprogrammen wie Agenda 21, LEADER, studentischen Einrichtungen (ÖH), ...
Achtung, Förderungen werden oft erst im Nachhinein gezahlt.
In Oberösterreich haben BIO AUSTRIA und Landesrat Rudi Anschober als Sta rthilfe ein en Fördertopf für FoodCoops eingerichtet, den „Appetit auf Zukunft Fond“ (siehe http://www.bio-austria.at/aaz). Auch Gemeinden fördern zunehmend Initiativen engagierter Bürgerinnen und stellen etwa FoodCoops kostenlose Räumlichkeiten zur Verfügung.
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Preisgelder in den Bereichen Regionalität, Nachhaltigkeit, ... Ausgeschrieben werden Preise von Regionalzeitungen, Politik, Unternehmen, ...
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direkte Unterstützung aus dem Umfeld in Form von Spenden, Crowdfunding, ...
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es ist auch möglich, komplett auf externe Unterstützung zu verzichten, z. B. zahlen alle Mitglieder eine Aufnahmegebühr (eventuell auch als Kaution, d. h. wenn das Mitglied die FoodCoop verlässt, bekommt es das Geld wieder zurück)
Achtung: Einnahmen durch Veranstaltungen sind nicht empfehlenswert, einerseits entsteht das falsche Bild, dass eine FoodCoop an externe Personen weiterverkauft, andererseits sind solche Einnahmen womöglich zu versteuern.
Welche laufenden Kosten fallen für eine FoodCoop an?
Laufende Kosten bestehen hauptsächlich aus Miete/Betriebskosten für das FoodCoop-Lager, teilweise fallen auch Servicegebühren für das Software Hosting an, bzw. Kosten für andere regelmäßige Dienstleistungen. In Summe sollten pro Monat nicht mit mehr als 200 bis 300 Euro an fixen laufenden Kosten budgetiert werden.
Mit welchen Einnahmen deckt eine FoodCoop die laufenden Kosten?
Gedeckt werden die regelmäßig anfallenden Kosten durch laufende Einnahmen in Form von Mitgliedsbeiträgen. Die Höhe richtet sich nach der Anzahl der Mitglieder bzw. dem Geldbedarf. Ein vereinfachtes Beispiel: Die einzigen laufenden Kosten einer FoodCoop sind 200 Euro Miete monatlich, die FoodCoop hat ca. 40 Mitglieder, dann ist der Richtwert monatlich 5 Euro pro Mitglied.
Praxistipp: Da sich eine FoodCoop als solidarische Gemeinschaft versteht, sind wohlhabendere Mitglieder aufgerufen, mehr zu zahlen, damit sich Mitglieder mit weniger Geld die Mitgliedschaft an einer FoodCoop besser le isten können. Die frei wählbaren Mitgliedsbeiträge (innerhalb einer vorgegeben Bandbreite, z. B. 3 - 10 Euro monatlich) werden auf einmal für längere Zeiträume, also für ein halbes Jahr oder Jahr, gezahlt.
Nicht empfehlenswerte Varianten
- Abzuraten ist von Beitragsmodellen, die an die Anzahl oder Menge der Einkäufe gekoppelt sind, wie etwa 3 Euro Mitgliedsbeitrag pro Einkauf oder 10 % vom Warenwert. Erstens könnte dies den falschen Eindruck erwecken, dass für einen „Einkaufsservice“ gezahlt wird, den es aber nicht gibt. Zweitens passt dieses System nicht zum Ausgaben-Rhythmus einer FoodCoop. Die laufenden Kosten einer FoodCoop sind in der Regel jeden Monat ungefähr gleich hoch und unabhängig vom Warenwert oder der Anzahl der Einkäufe. In der sommerlichen Urlaubszeit kann so ein starres System zu Engpässen führen, wenn nur halb so viele Mitglieder wie üblich bestellen, aber die Miete trotzdem zu bezahlen ist.
Drittens wird rechtlich in echte und unechte Mitgliedsbeiträge unterschieden. Erstere sind allgemeine Beiträge, zweitere sind an eine konkrete Gegenleistung gebunden. Echte Mitgliedsbeiträge sind immer steuerfrei, während unechte unter gewissen Umständen zu versteuern sind. (siehe Kapitel Rechtliches)
- Preisaufschläge als Einnahmenquelle sind generell nicht empfehlenswert. FoodCoops stehen für Transparenz, der Grundsatz: „Das Geld für die Lebensmittel geht zu 100 % an Produzentinnen“ sorgt für Klarheit bei Preisen und Geld flüssen. Darüber hinaus sprechen rechtliche Gründe gegen Preisaufschläge wie in klassischen Geschäften. Eventuell ist ein Gewerbeschein nötig und Kontakt mit dem Finanzamt bleibt der Initiative dann auch nicht erspart. (siehe Kapitel Rechtliches)
Das System der Mitgliedsbeiträge macht die FoodCoop unabhängig von Bestellmengen, ob ein oder dreißig Brote bestellt werden, wirkt sich finanziell nicht aus. Für die Bäuerinnen ist dies aber mitentscheidend, ob die Belieferung von FoodCoops eine Unterstützung oder eher einen Mehraufwand bedeutet. Um dem Ziel „Unterstützung der Landwirtschaft“ gerecht zu werden, sollte die FoodCoop daher mit den Lieferantinnen für beide Seiten sinnvolle Mindestbestellmengen vereinbaren.
Übersichtliche Buchhaltung
Jeder Verein ist gesetzlich zur laufenden Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben verpflichtet, sowie zu einer einfachen „Jahresabrechnung“. Auch als lose Personengruppen organisierte FoodCoops benötigen unbedingt schriftliche Aufzeichnungen, damit jederzeit nachweisbar ist, dass hier nicht einzelne Personen „schwarz“ einen Lebensmittelhandel betreiben!
Praxistipp: Legt für eure Buchhaltung 2 Konten oder 2 getrennte Buchhaltungsbereiche an. Das eine Konto ist für das Vereinsvermögen bestimmt, hier gehen Mitgliedsbeiträge, Spenden, Förderungen, ... ein, davon werden Anschaffungen, Miete, Betriebskosten, ... gezahlt. Auf diesem Konto ist leicht abzulesen, wie es um die Geldreserven der Initiative steht.
Das andere Konto ist ähnlich einem Treuhandkonto, hier überweisen die Mitglieder Geld, um ihr Einkaufsguthaben aufzuladen. Dieses Geld wird gebündelt an die Produzentinnen weitergeleitet. So ist leicht nachweisbar, dass es sich um reine „Durchlaufposten handelt“.
Rechtsform wählen
Die Wahl der Rechtsform ist ein Schritt bei der Gründung und ist daher hier der Vollständigkeit halber kurz angeführt. Aufgrund der Komplexität des Themas wurden ausführliche Infos in einen eigenen Teil 4 des Handbuchs ausgegliedert.
Raum suchen
Da eine FoodCoop keine Laufkundschaft anlocken will, ist es nicht nötig, dass der Lagerraum in einer Einkaufsstraße liegt oder Geschäftsauslagen hat. Solche Räume sind meist auch zu teuer, je nach Anzahl der Mitglieder soll die Miete nicht höher als 100 bis 300 Euro monatlich betragen. Da eine FoodCoop ihren Lagerraum meist nur einmal pro Woche nutzt, ist es sicher eine Überlegung wert, sich den Raum mit anderen Initiativen zu teilen. Dadurch fällt zwar der Vorteil weg, alleine über Einrichtung, etc. entscheiden zu können, aber in der Praxis funktionieren die unterschiedlichsten Lösungen.
Praxistipp: Eine FoodCoop findet Platzt in einer privaten Garagen, in einem Bürogebäude, in denen Mitglieder arbeiten, auf dem Bauernhof einer Lieferantin, in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen oder Gemeindeämtern, als Untermieter in bestehenden Vereinsheimen oder auch gewerblichen Einrichtungen wie Wirtshäusern oder sogar Lebensmittelgeschäften. Wichtig ist nur, dass gewisse Grundanforderungen erfüllt sind.
Anforderungen an ein FoodCoop-Lager
- hygienisch , also Boden leicht zu reinigen, schädlingsfrei, trocken (Schimmel), kühl (um Lebensmittel frisch zu halten)
- so barrierefrei wie möglich (Erdgeschoß – eine regelmäßige Anlieferung ins vierte Stockwerk machen nicht viele Bäuerinnen mit)
- vielen Menschen zugänglich (ein Bürogebäude, bei dem nur das eine Mitglied, das dort arbeitet, auf/zusperren kann, ist auf Dauer mühsam)
- zentrale Lage (kurze Anl iefer- & Abholwege), Ladezonen/ Parkplätze in der Nähe
- ausgestattet mit Heizung, Strom, Trinkwasser (zum Putzen, Tee kochen), WC
- guter Draht zur Nachbarschaft (weil z. B. in Wohnsiedlungen erhöhtes Verkehrsaufkommen)
- Nicht zu unterschätzen: Das FoodCoop-Lager soll auch ein sozialer Treffpunkt sein d. h. es soll im Idealfall auch Platz bieten zum Beieinandersitzen, Tratschen oder gemeinsam Jausnen.
Einrichtung
Grundsätzlich ist eine FoodCoop ein gerichtet wie eine Speisekammer, also Regale und Kühlschränke sind das Wichtigste. Anders als in einem Geschäft ist es nicht so wichtig, die Produkte optisch ansprechend zu platzieren, aber sauber, ordentlich und übersichtlich sollte es schon sein, damit die Mitglieder ihre Bestellungen auch selbst finden. Fix vordefinierte Regalflächen für jede Produktgruppe erleichtern sowohl den Mitgliedern als auch den Lieferantinnen das Leben. Eine Stelle für Leergebinde (Pfandflaschen) ist auch notwendig. Der Platzbedarf, wenn mehrere Mitglieder gleichzeitig ihre Bestellungen zusammensuchen, sollte nicht unterschätzt werden. Daher ist von fix verbauten Möbeln abseits der Wandrega-le abzuraten. Besser sind Klappsessel und Tische, die schnell beiseite geräumt werden können. Zumindest eine Waage und eine Art Schreibtisch zum Abrechnen und ein schwarzes Brett gehören auch noch zum Standardinventar eines FoodCoop-Lagers. Die Lebensmittel sollen bestmöglich zwischengelagert werden können, neben Kühlschränken sorgen dafür schatten-spendende Elemente oder dicht verschließbare Behälter.
Noch ein Tipp: Das Einrichten des Raums ist ein identitätstiftender Prozess und sollte daher möglichst gemeinsam geschehen. Für neue Mitglieder ist es eine niederschwellige Möglichkeit, sich das erste Mal einzubringen.
Es kann losgehen!
Wann ist der richtige Zeitpunkt für die ersten Bestellungen?
Anders als in einem Geschäft muss nicht ab der ersten Woche alles wie am Schnürchen laufen. Auf manche Details kommt man sowieso erst in der Praxis, es wird also auch nach den ersten Wochen noch an einigen Rädchen gedreht werden müssen. Es kann aber nicht viel schiefgehen, und wenn doch, dann kann die gesamte Gruppe davon lernen.
Wenn ihr euch der Sache noch nicht ganz sicher seid, könnt ihr auch mit einer Testphase beginnen. Am Anfang können nur ein paar Mitglieder aus der Gründungsgruppe für Bestellungen zugelassen werden, und/oder nur Bestellungen von ein paar Lieferantinnen gemacht werden, um den Ablauf in kleinem Stil mal zu erproben.
Andere FoodCoops gehen genau den umgekehrten Weg und legen fest: Die erste Bestellung erfolgt erst, wenn eine gewisse Mitgliederzahl (z. B. 30 Haushalte) erreicht ist, damit sich der Aufwand auch gleich auszahlt.
Praxistipp: Gerne wird zur „Eröffnung des laufenden Betriebes“ eine Startveranstaltung organisiert. Das schafft Aufmerksamkeit, ihr könnt wie bei der Infoveranstaltung nun nochmal gezielt Mitglieder suchen, und lokale Medien greifen solche Termine gerne auf. Die Erfahrung zeigt, dass sich viele Mitglieder erst nach der Gründungsphase ein er FoodCoop anschließen. Die Lieferantinnen können Stände aufstellen, um sich selbst und die Produkte bekannt zu machen. Und letztendlich gehört einfach auch gefeiert, dass die Gründungsphase erfolgreich bewältigt wurde!
Zusammenfassung - FoodCoop gründen auf einen Blick
Die Gründung einer FoodCoop dauert üblicherweise rund ein halbes Jahr. Grundvoraussetzung ist, dass sich ca. 5-20 teamfähige Personen mit ähnlichen Vorstellungen zum Thema Lebensmittel zusammenfinden, ausgestattet mit Motivation und Zeit für idealistisches Engagement.
Darum sind zuerst einmal die Idee einer FoodCoop und die Gründungsabsicht bekannt zu machen. Auf jeden Fall im eigenen (halb-)privaten Umfeld eventuell auch schon zu Beginn, öffentlich über digitale Medien, lokale Zeitungen, Plakate und aufliegende Infozettel, bei einschlägigen Fremdveranstaltungen oder einem selbst organisierten Themenabend mit FoodCoop-erfahrenen Gästen. Haben sich zumindest eine handvoll Personen gefunden, kann es losgehen. Bevor es in die detaillierte Gründungs- phase geht, ist es wichtig, eine stabile Basis zu errichten.
Fundament errichten
Auf dem Weg von einer losen Gruppe zu einem arbeitsfähigen Gründungsteam stellen sich zu Beginn sowohl elementare inhaltliche als auch organisatorische Fragen:
- Wie können laufend zusätzliche Mitglieder in die Gruppe eingebunden werden?
- Welche grundsätzlichen Ziele sollen mit der FoodCoop verfolgt werden?
- Wie funktioniert die Kommunikation innerhalb der Gruppe?
- Auf welche Weise werden Entscheidungen getroffen?
Danach entscheidet die Gruppe im Wesentlichen selbst wie es weitergeht. Jede FoodCoop ist anders und an die agierenden Menschen angepasst. Die folgenden Punkte sind darum nicht als starre Anleitung, sondern als flexible Orientierungshilfe zu verstehen.
Weitere Bausteine
- Infos einholen: Beratungsangebote nutzen, bestehende FoodCoops besuchen, im Internet recherchieren.
- Gruppenidentität schaffen: Namensfindung, Ziele definieren, Produktkriterien festlegen.
- Modell ausarbeiten: Finanzierung klären, rechtlichen Rahmen wählen.
- Infrastruktur schaffen: Passenden Umschlagplatz finden, Räum lichkeiten einrichten, Bestell- & Abrechnungssystem einrichten.
- Lebensmittel organisieren: Sortiment zusammenstellen, Lieferantinnen kontaktieren und Bezugsmöglichkeiten klären.
- Starten, sich darüber freuen, dazulernen. Eine FoodCoop ist und bleibt eine private, idealistische Initiative, es muss nicht alles von Beginn an perfekt funktionieren. Auch das Betreiben ist ein laufender Prozess, viele Gruppen starten im Kleinen mit Produkten von nur wenigen Bauernhöfen, manche auch ohne eigene Räumlichkeiten.
Praxistipp: Achtet bewusst darauf, auch schon während der Gründungsphase laufend weitere Personen zu integrieren. Trotz zusätzlichem Aufwand gilt je früher umso besser, damit die FoodCoop wirklich ein gemeinsames Projekt wird und nicht Verantwortung und Arbeit dauerhaft an einigen Wenigen hängen bleiben. Spätestens VOR den „weiteren Bausteinen“ Gruppenidentität, Modell, Infrastruktur, Sortiment, ist der Gang an die Öffentlichkeit zu machen! Ansonsten ist die Gefahr zu groß, dass Interessierte die FoodCoop als fertiges Angebot wahrnehmen und als Mitglieder in der Initiative keine aktiven Rollen einnehmen.
Eine FoodCoop betreiben
Der dritte Teil des Buchs richtet sich gleichermaßen an Neulinge wie auch an erfahrene Mitglieder und soll
- neugegründete Initiativen in den FoodCoop-Alltag begleiten.
- neuen Mitgliedern, die einer bestehende FoodCoop beitreten, den Start erleichtern.
- ein Nachschlagewerk für bestehende Gruppen sein.
Ad 1) Der Übergang vom Gründen zum Betreiben ist kein Selbstläufer. Zwar fallen ein paar große Brocken an Arbeitspaketen aus der Gründungsphase weg, dafür entstehen neue Aufgabenbereiche und Herausforderrungen. Die größte und wichtigste davon ist eine gute Gruppendynamik zu gewährleisten, sodass dauerhaft Motivation für ehrenamtliches Engagement vorhanden ist. “Technische Probleme“ können zwar die Stimmung beinflussen, sind aber niemals als entscheidend. Eine stabile und gut harmonierende Gruppe lässt sich von Alltagsproblemen, wie dem Wegfall einer Lieferantin, nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Ad 2) Neue Mitglieder, die einer bestehenden FoodCoop beitreten, tauchen in ein recht ungewohntes System der Lebensmittelversorgung ein. Einerseits haben sie eigene Vorstellungen, Ziele und Motive, andererseits sind sie Erwartungen ausgesetzt („jedes Mitglied muss sich engagieren“). Sie brauchen Zeit, um ihr Konsumverhalten umzustellen, die gewachsenen Strukturen zu durchschauen und ihren Platz darin zu finden.
Ad 3) Bestehende FoodCoops durchlaufen gewisse Phasen, die Gruppe ist im stä ndigen Wandel. Neben allgemeinen Motivations-Hochs und -Tiefs ist eine gewisse Mitgliederfluktuation in vie len Initiativen Realität. Der Verlust alter Mitglieder bzw. die Aufnahme neuer Mitglieder ist eine Herausforderung in punkto Wissensweitergabe, Transparenz, sowie weiter funktioniere nder und gerechter Arbeitsverteilung. Eine FoodCoop zu betreiben ist ein laufender Prozess, in dem Selbstreflexion und Überprüfung, ob die gesteckten Ziele erreicht werden gehört ebenso dazu, wie die Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen.
Miteinander arbeiten
Eine FoodCoop ist auf kontinuierliches ehrenamtliches Engagement ihrer Mitglieder angewiesen. Zwar gibt es im laufenden Betrieb keine Großbaustellen wie bei der Gründung. Es fallen jedoch laufend kleinere Arbeiten an, die von den Mitgliedern selbst zu erledigen sind. In einer gut organisierten FoodCoop leisten möglichst viele Mitglieder einen Beitrag. Der Arbeitsaufwand pro Person hält sich dadurch in Grenzen (maximal ein paar Stunden im Monat) und ist meistens flexibel einteilbar. Realität ist aber auch, dass es in wirklich jeder FoodCoop Zeiten gibt, wo es mühsam ist, alle Abholdienste zu besetzen oder die Speisereise wegen Zeitmangel schon zum dritten Mal verschoben wird.
Die folgenden Seiten sollen euch unterstützen, in eurer FoodCoop funktionierende Abläufe und ein gutes Arbeitsklima sicherzustellen.
Die drei Unterkapitel gehen auf jeweils eine der zentralen Fragen ein:
- Welchen Anforderungen muss die Organisationsform gerecht werden?
- Wie sieht das Organisationsmodell in der Theorie aus?
- Wie funktioniert das Organisationsmodell in der Praxis?
Eine FoodCoop ist laufend in Bewegung, die Mitglieder tragen auf unterschiedliche
Weise dazu bei, dass die Initiative Stück für Stück vorankommt.
Anforderungen an die interne Organisation
Die folgenden Leitfragen sollen ein Grundverständnis schaffen, welche Ansprüche an die FoodCoop bzw. an die Mitglieder in punkto Arbeit gestellt werden.
Sollen in einer FoodCoop wirklich alle Mitglieder mitarbeiten?
Ja. In der Theorie kann eine FoodCoop zwar auch einwandfrei funktionieren, wenn eine handvoll Mitglieder sagt: „Uns macht das Engagement dermaßen viel Spaß und wir haben so viel Zeit, wir übernehmen alleine die Verantwortung für die FoodCoop und erledigen die gesamte ehrenamtliche Arbeit.“ Dieser Fall ist allerdings äußerst unwahrscheinlich uund bis jetzt noch nie vorgekommen. In der Praxis sind FoodCoops mit extrem ungleicher Arbeitsverteilung ein Nährboden für Frust. Die wenigen aktiven Mitglieder schlüpfen oft nicht freiwillig in die Rolle als alleinige Verantwortungsträger und fühlen sich mit der Zeit überlastet oder ausgenutzt. Im schlimmsten Fall machen sie nicht auf ihre Befinden aufmerksam und steigen resigniert aus. Durch die Abhängigkeit von diesen Einzelpersonen ist die gesamte FoodCoop-Existenz bedroht. Zudem steht das obige fiktive Beispiel im Widerspruch zu zentralen FoodCoop-Zielen, wie Selbstbestimmung und Bewusstseinsbildung. Wird die FoodCoop von ein paar wenigen (über) engagierten Personen getragen, so verharrt der überwiegende Teil der Mitglieder in der passiven, serviceverwöhnten Kundinnen- Rolle. Die Erfahrung zeigt, dass gerade das Mitentscheiden und aktive Engagement zur Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und schließlich auch zur Weiterentwicklung der FoodCoop beitragen. Aus diesen Gründen sollte das Ziel jeder FoodCoop sein, dass wirklich alle Mitglieder einen Beitrag leisten.
Sollen alle Mitglieder genau gleich viel arbeiten?
Nein. Das übergeordnete Ziel lautet: Möglichst viele zufriedene Mitglieder, die sich gerne in der FoodCoop engagieren. Umgemünzt auf die Arbeitsaufteilung heißt das: Es soll sich niemand ausgenutzt oder überlastet fühlen, ebenso soll sich auch niemand ausgeschlossen oder „eh nicht gebraucht“ fühlen. Dazu ist es nicht nötig den Arbeitsaufwand exakt gleichmäßig zu verteilen. Abgesehen davon ist es auch illusorisch. Ohne Zugpferde, die sich mehr engagieren als andere Mitglieder, kommt keine FoodCoop aus.
Die Lebensumstände der Mitglieder sind unterschiedlich, ebenso Fähigkeiten und Charakter. Die einen setzen gerne generelle Impulse in einer Gruppe, andere fühlen sich wohler, wenn sie Detailaufgaben übernehmen.
Zudem stellt sich die Frage, wer kontrollieren würde, dass auch alle exakt gleich viel Zeit investieren. Der nötige Zeitaufwand dafür sollte besser in bereichernde Aufgabenbereiche investiert werden.
Soll es Mindestanforderungen für das Engagement geben?
Ja. Klare Regeln sind empfehlenswert. Dabei geht es nicht um punktgenaues Einhalten oder gar Sanktionieren von Verstößen, sondern um eine grundsätzliche Orientierung, die vor allem für neueinsteigende Mitglieder sehr wichtig ist.
Praxisbeispiel:
So kann eine Regelung aussehen:
- Jedes Mitglied macht mindestens zweimal pro Jahr Abholdienst.
- Jedes Mitglied kommt mindestens einmal pro Halbjahr zum Plenum.
- Jedes Mitglied übernimmt punktuell zusätzlich anfallende Aufgaben, indem es sich in Arbeitsgruppen engagiert oder Schlüsselfunktionen übernimmt.
In Kapitel 3. 1 .2 werden die Bedeutung von Abholdienst, Schlüsselfunktionen, Arbeitsgruppen und Plenum genauer erläutert. In Summe ergibt sich ein geschätzter Mindestzeitaufwand von 20 Stunden im Jahr.
Gibt es in einer FoodCoop zu jeder Zeit gleich viel Arbeit?
Nein. Eine FoodCoop lebt mit ihren Mitgliedern mit, die meisten anfallenden Arbeiten müssen nicht zu gewissen Zeitpunkten erledigt werden und können daher gut an die gerade vorhandenen Ressourcen (Zeit und Motivation) angepasst werden.
Gewisse Aufgaben sind allerdings verlässlich jede Woche zu erledigen. Dazu zählen das Organisieren der Sammelbestellungen und das Abholen der Produkte. Doch selbst hier können Auszeiten genommen werden, z. B. kann eine FoodCoop über die Weihnachtsferien oder in der Haupturlaubszeit im Sommer das Bestellen gänzlich einstellen.
Anders als für die Mitglieder haben FoodCoops für Produzentinnen auch eine wirtschaftliche Bedeutung und den Lieferantinnen ist geholfen, wenn sie Produktionsmengen im Voraus abschätzen können. Bei Auszeiten ist daher ein geplantes Vorgehen, vor allem ein rechtzeitiges Informieren der Lieferantinnen, angebracht.
Das bedeutet nicht, dass die anderen Arbeitsbereiche unwichtiger sind, sie sind nur zeitlich flexibler! Eine FoodCoop ist mehr als eine Bestell/Abhol-Initiative, sie lebt von der Gemeinschaft, und diese gehört gepflegt! Motivierende Impulse ergeben sich gerade in den zusätzlichen Aufgabenbereichen. Werden in einer FoodCoop über längere Zeit nur die Kernaufgaben erledigt, so besteht die Gefahr, dass die gesamte Initiative „einschläft“. Außerdem werden so einige Ziele, wie etwa Bewusstseinsbildung, nicht erreicht.
Es ist nicht schlimm, wenn eine FoodCoop einige Monate lange keine Veranstaltung organisiert, in der die Mitglieder in direkten Kontakt mit den Lieferantinnen kommen können. Passiert dies allerding nie, so ist die Frage gerechtfertigt, was denn die FoodCoop von einem anonymen Bestellwebshop unterscheidet. Bei Mitgliedern die der FoodCoop beigetreten sind, um mehr über ihre Lebensmittel zu erfahren, kann die Motivation schwinden. Sie werden sich weniger engagieren, weniger bestellen, ... Daher ist es wichtig, regelmäßig Impulse zu setzen!
Die interne Organisation in der Theorie
In diesem Kapitel werden bewährte Einteilungen in Arbeitsbereiche vorgestellt. Doch ebenso wie bei der Gründung gilt auch hier: jede FoodCoop ist ein individuelles Modell, das Wichtigste ist, dass die Mitglieder mit ihrer Initiative zufrieden und dadurch auch motiviert für die Mitarbeit sind.
„Irgendwer wird sich schon drum kümmern“ funktioniert in den meisten Fällen nicht. Das wird spätestens dann klar, wenn die Mitglieder ihre Produkte nicht abholen können, weil sich „irgendwer“ – also niemand – ums bestellen gekümmert hat oder zu Beginn der Abholzeit niemand das FoodCoop-Lager aufsperrt. In FoodCoops hat sich daher eine interne Organisationsstruktur etabliert , die aus vier Elementen besteht: Abholdienst, Schlüsselfunktionen, Arbeitsgruppen und Plenum.
Abholdienst
Die abwechselnde Betreuung des Abholvorgangs gehört zum Ein mal Eins des FoodCoop Engagements. In manchen FoodCoops übernehmen nicht alle Mitglieder diesen Aufgabenbereich, sondern nur Angehörige der Arbeitsgruppe „Abholdienst“. Dies hat den Vorteil, dass sich ein eingespieltes Team um das Abholprozedere kümmern kann. Nachteilig ist, dass manche Mitglieder dann sehr oft Dienste übernehmen müssen, während die meisten anderen die FoodCoop nur aus der individuellen „Ich hole meine Bestellungen ab“ Perspektive wahrnehmen und interne Abläufe gar nicht mitbekommen.
Empfehlenswerter ist es daher, dass alle Mitglieder zumindest ein bis zwei Mal pro Jahr einen Abholdienst übernehmen. Eine gute Anleitung in Form einer „To-Do-Liste für den Abholdienst" ermöglicht allen Mitgliedern di e eigenständige Erledigung dieser Aufgabe.
Schlüsselfunktionen
Manche Aufgaben in FoodCoops sind zwar nur Kleinigkeiten, für den Ablauf im Alltag aber einfach unverzichtbar. Darum werden sie gerne fix an konkrete Mitglieder vergeben. Folgende Schlüsselpositionen können vergeben werden:
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Abholdienste einteilen: Wer macht Abholdienst? Alle! Wer macht konkret diese Woche Abholdienst? Das steht im „Abholdienstkalender“. Dieser organisiert sich aber auch nicht automatisch von alleine, also behält ein Mitglied den Kalender im Blick und schlägt Alarm, falls sich noch niemand für den bevorstehenden Dienst eingetragen hat.
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IT: Auch wenn keine Software verwendet wird, fallen kleine „technische“ Aufgaben an, oft sin d Kommunikationskanäle davon abhängig. Ein Mitglied mit IT-Fachwissen kümmert sich um Homepagewartung, E-Mail-Verteiler administrieren etc.
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Bestellungen: Falls keine Software verwendet wird und die Lieferantinnen nicht alle Bestellungen einzeln bekommen wollen, sammelt ein Mitglied pro Bezugsquelle die Bestellungen ein und leitet sie gebündelt an die Lieferantinnen weiter.
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E-Mail-Account betreuen: Ein Mitglied hält Kontakt zur Außenwelt. Es ruft regelmäßig den E-Mail-Kontakt der FoodCoop ab und beantwortet Anfragen von interessierten Personen, Medien, ...
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Kontakt zu Lieferantinnen (und externen Partnern): Manchmal benötigen Lieferantinnen akut eine konkrete Ansprechperson. Das gilt auch für die Vermieterin der Räumlichkeiten etc. Darum hat es sich bewährt, pro Lieferantin je ein fixes Mitglied als Ansprechperson zu bestimmen, am besten die Person, die auch die Bestellungen an die jeweilige Lieferantin weiterleitet.
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Unterstützung beim Anliefern von Produkten: Z. B. ein Mitglied fährt sowieso jeden Freitag am Heimweg von der Arbeit bei einem Bauernhof vorbei und nimmt gleich die Bestellung der FoodCoop mit.
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Einberufen des Plenums: Ein Mitglied kümmert sich um Ort, Termin, inhaltliche Vorbereitung usw. des nächsten Ple nums, und schreibt rechtzeitig ein e Einladung an alle anderen Mitglieder. Das Erinnern ist selbst dann ratsam, wenn das Plenum z. B. immer am ersten Freitag im Monat stattfindet, ansonsten wird der Termin häufig übersehen.
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Bestellerinnerung : Ein Mitglied schreibt jede Woche eine Erinnerung an alle anderen Mitglieder, damit diese die Bestelldeadline nicht übersehen (und ev. auf neue Produkte hingewiesen werden).
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Finanzen/Buchhaltung: Ein Mitglied hat den Kontostand im Blick und kümmert sich um die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung.
Praxistipp: In ehrenamtlichen Strukturen kann schnell mal jemand ausfallen, durch Stress im Beruf etc. Darum ist es empfehlenswert Schlüsselpositionen doppelt zu besetzen oder Ersatz vorzusehen!
Arbeitsgruppen
Manche Aufgaben sind eine Art „Projektarbeit“, sie erfordern die Zusammenarbeit von einigen Mitgliedern bzw. macht es gemeinsam mehr Spaß. Darum werden Arbeitsgruppen gegründet, die im Rahmen ihrer Kompetenzen autonom arbeiten können. Ein zentraler Vorteil: Das Delegieren von Aufgaben an Arbeitsgruppen entlastet die Großgruppe (also das Plenum). Zudem verringern Arbeitsgruppen die Abhängigkeit von Einzelpersonen, Ausfälle können leichter kompensiert werden.
Praxistipp: Viele FoodCoops klagen darüber, dass ihr Plenum mit organisatorischen Themen vollgestopft ist, weil jede aufkommende Frage dorthin verfrachtet wird. In diesen Fällen funktioniert das System der autonom arbeitenden Arbeitsgruppen meist nicht gut und muss neu überdacht werden.
Die Grenzen zwischen Schlüsselfunktionen und Arbeitsgrup- pen sind fließend. In vielen FoodCoops sind die Schlüsselpositionen in Arbeitsgruppen intergiert, es gibt dort die Arbeitsgruppen IT, Bestellungen, ... Arbeitsgruppen können auch befristet existieren, etwa bei konkreten Projekten, wie einem FoodCoop-Fest. Oder sie ruhen die meiste Zeit und werden punktuell aktiv, wie bei ei ner S peisereise.
Welche Arbeitsgruppen kommen in FoodCoops vor?
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Öffentlichkeitsarbeit: Diese Arbeitsgruppe ver breitet Infos, sowohl innerhalb als auch außerhalb der FoodCoop. Dies geschieht, indem neue Flyer gestaltet werden, Texte für die Homepage geschrieben werden, Medienanfragen beantwortet werden, bei Veranstaltungen die FoodCoop-Idee präsentiert wird, interne The-menabende organisiert werden, ...
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Abholdienst/Lagergestaltung: Diese Arbeitsgruppe macht sich Gedanken über das Abholprozedere und kümmert sich um die organisatorischen Rahmenbedingungen. Wie kann die Pfandrück-gabe verbessert werden? Welche Aufgaben muss der Abholdient übernehmen und welche Informationen braucht er dazu? Ist ein zusätzlicher Kühlschrank nötig, um die Abholung der Kühlprodukte besser zu gestalten? Usw.
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Produktinfo/Speisereise/Sortiment: Diese Arbeitsgruppe sorgt für inhaltlichen Austausch mit den Produzentinnen, organisiert Besuche auf den Bauernhöfen, stellt Infomaterial für die Mitglieder zusammen und hält ständig die Augen nach zusätzlichen Produk-ten für das FoodCoop-Sortiment offen.
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Mitgliederbetreuung: Vor allem neue Mitglieder freuen sich über Unterstützung. Diese Arbeitsgruppe organisiert daher Einführungstreffen, verfasst Willkommenstexte und steht für Mitgliederfragen aller Art zur Verfügung. Aber auch allgemeine Verwaltungsaufgaben werden übernommen, z. B. die laufende Aktualisierung der Mitgliederliste.
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Vernetzung: Diese Arbeitsgruppe blickt über den Tellerrand der eigenen FoodCoop hinaus und steht in Austausch mit anderen FoodCoops, mit der Bewegung für Ernährungssouveränität und anderen themenverwandten Gruppierungen.
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Impulse: Auch wenn sich alle kleinen Rädchen drehen, so kann es an Querverbindungen mangeln oder der Fokus auf den Gesamtprozess fehlen. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe stellen sich die Frage: Was ist nötig, um den Schwung nicht zu verlieren bzw. neu zu holen? Wie greifen die Rädchen am besten ineinander?
Praxiserfahrung: Tatsächlich existiert diese Arbeitsgruppe in den wenigsten FoodCoops, da solche Fragen meist im Plenum besprochen werden. Ein gezielter Fokus auf diese Themenfeld ist aber auf jeden Fall empfe hlenswert, ansonsten werden unsichtbare Gruppenprozesse von sichtbaren Punkten überschattet. Dazu passt die Beobachtung eines langjährigen Mitglieds: „Wenn in der Bestellorganisation etwas schief läuft und deswegen die Äpfel fehlen, dann merken das sofort alle. Aber, dass die Gruppe einfach wieder mal frische Luft braucht und wir mal einen Ausflug machen sollten, wo nicht über organisatorische Dinge geredet wird, das bleibt lange unbemerkt.“
Plenum
Das Plenum ist sozusagen das Gehirn der FoodCoop. Es ist das basisdemokratische Pendant zur Vorstandssitzung eines hierarchisch geführten Vereins. Alle Mitglieder kommen in regelmäßigen Abständen (z. B. einmal im Monat) zusammen, um miteinander zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Das Plenum übernimmt das Management der FoodCoop, von der Planung bis zur Reflexion und vergibt auch Arbeitsaufträge an Einzelpersonen oder Arbeitsgruppen. Der Ablauf eines Plenums wird im Kapitel über Mitbestimmung noch ausführlich beschrieben.
Zusammenspiel der verschiedenen Arbeitsbereiche
Abschließend soll das Zusammenspiel der verschiedenen Arbeitsbereiche anhand des Beispiels „neue Mitglieder aufnehmen“ verdeutlich werden:
- Anita bekundet per E-Mail Interesse an einer Mitgliedschaft in der FoodCoop.
- Die Schlüsselfunktion „E-Mail beantworten“ hat Sarah übernommen. Sie antwortet Anita, dass sie bald eine Einladung zum nächsten Einführungstreffen erhalten wird und übermittelt im Anhang den Infozettel „Wie werde ich Mitglied?“.
- Den Kontakt von Anita übergibt Sarah der Arbeitsgruppe Mitgliederbetreuung. Dort ist Franziska die Ansprechperson.
- Sie organisiert gemeinsam mit Julia das nächste Einführungstreffen. Dazu lädt sie Anita ein.
- Weil Franziska keine Zeit hat, gibt Julia beim folgenden Plenum kurz Bescheid, dass 7 neue Leute beim Einführungstreffen waren, 5 davon wollen wirklich mitmachen, und sie hat bei allen 5 das Gefühl, dass sie gut in die FoodCoop passen.
- Wenn nötig, werden im Plenum grundsätzliche Fragen zur Aufnahme neuer Mitglieder diskutiert, z. B. „Hat unsere FoodCoop derzeit noch weitere freie Kapazitäten für die Aufnahme zusätzlicher Mitglieder? So eine Entscheidung geht über die autonomen Kompetenzen einer Arbeitsgruppe hinaus.
Praxistipps und Erfahrungen
Eine FoodCoop ist ein zutiefst „menschliches“ Gebilde, mit Stärken und Schwächen, Motivations-Hochs und -Tiefs. Selbst wenn die interne Organisation in der Theorie perfekt ausgeklügelt ist, liegt es immer noch an den handelnden Personen und an den Umständen, was in der Realität daraus wird.
Folgende, praxisorientierten Tipps sollen euch helfen, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen:
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Perfektionismus ablegen: In wirklich jeder FoodCoop gibt es Zeiten, in denen nicht alles rund läuft. Das eine Mal findet sich kein Abholdienst, das andere Mal muss der Ausflug zum Bauernhof verschoben werden, weil er nicht rechtzeitig organisiert wurde oder der Termin nicht passt. Nehmt es nicht so schwer, alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, darum sollten niedrigere Maßstäbe als etwa im Berufsleben gelten.
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Erwartungen kommunizieren: Das Aufstellen klarer Regeln erleichtert gerade noch nicht so gut integrierten Mitgliedern die Orientierung. Statt schwammigen Aufforderungen wie: „Es sollen halt alle ein bisschen mitmachen“ sollte es schriftlich festgehaltene Min destanforderungen geben.
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Gleichmäßige Arbeitsverteilung ermöglichen: Arbeitsverteilung sollte immer aus zwei Perspektiven betrachtet werden. Zum einen muss bei jedem einzelnen Mitglied die innere Bereitschaft zu Engagement vorhanden sein. Zum anderen muss in der Gruppe auch Platz sein für dieses Engagement. Gerade alteingesessene Gründungsmitglieder können – meistens unbewusst – sehr dominant auftreten. Sie schnappen sich automatisch gleich mehrere Aufgaben, die ihnen aufgrund ihrer Erfahrung leichter fallen als neuen Mitgliedern oder ersticken Diskussionen im Keim, weil sie sehr genaue Vorstellungen davon haben, wie etwas gemacht gehört. Ein gleichmäßiges Verteilen von Arbeit kann immer nur Hand in Hand mit einer gleichmäßigeren Verteilung von Verantwortung und Mitbestimmung gehen. Dazu gehört auch, neue Herangehensweisen an Aufgaben zuzulassen.
Praxistipp: Oft sind Doppelbesetzungen eine gute Lösung, z. B. die Moderation des Plenums wird von einem erfahrenen und ein em neuen Mitglied gemeinsam übernommen. Auch das Festlegen von einem „Engagement-Maximum“ kann hilfreich sein, z.B. „Pro Plenum darf ein Mitglied maximal zwei Aufgaben übernehmen“ oder „Ein Mitglied kann maximal in Ōl·ÄÝ Arbeitsgruppen dabei seinѦѢ
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Auf Transparenz und konkrete Andockstationen achten: Die Betriebsblindheit macht auch vor FoodCoops nicht halt. Nur weil sich alteingesessene Mitglieder in der internen Organisation zurechtfinden, heißt das noch lange nicht, dass „eh alles klar“ ist. Achtet gezielt darauf, dass alle Mitglieder Zugang zu allen relevanten Informationen h aben.
Praxisbeispiel: Gibt es etwa die Regel „Jedes Mitglied ist mindestens in einer Arbeitsgruppe aktiv“, so müssen auch Informationen darüber bereitstehen, welche Arbeitsgruppen es gibt, wie sie kontaktierbar sind, welche Aufgaben sie übernehmen, wo gerade Leute gebraucht werden, ... Diese Informationen können auf einem Plakat im FoodCoop-Lager zusammengefasst sein oder auch online zu finden sein.
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Aufgaben und Kompetenzen klar definieren: Die allermeisten Aufgaben werden nicht von der gesamten Gruppe erledigt, sondern von Einzelpersonen oder kleinen Arbeitsgruppen. Diese benötigen eine klare Beschreibung, was zu erledigen ist und auch eine gewisse Autonomie bei Entscheidungen.
Praxisbeispiel: Helene übernimmt am Plenum den Auftrag, vier „Second-Hand“ Sessel für die Sitzecke um maximal 20 Euro zu besorgen. Alle Mitglieder können sich mit Tipps und Angeboten an sie wenden, aber Helene entscheidet letztendlich alleine, welche die beste Wahl ist.
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Hierarchiefreiheit, Selbstorganisation und Eigenverantwortung nicht als unantastbare Prinzipien begreifen: Schon klar, eine FoodCoop organisiert alles selbst und jedes Mitglied übernimmt Eigenverantwortung. Ein pragmatischer Zugang zu diesen Grund- sätzen ist jedoch angebracht.
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Neue Mitglieder benötigen alleine schon für die Umstellung der Konsumgewohnheiten eine gewisse Eingewöhnungsphase. Wird zusätzlich auch gleich das selbstständige Übernehmen von Aufga- ben gefordert, kann dies schnell mal zu genereller Überforderung führen. (siehe eigenes Kapitel zu neue Mitglieder integrieren).
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Selbstorganisierte Gruppen funktionieren nicht automatisch und und von alleine. FoodCoops profitieren von Koordinierungs- personen, die das große Ganze im Auge behalten, „Zugpferden“ und erfahrenen Mitgliedern, die neue Leute einführen.
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Das Engagement in der FoodCoop soll jeder Person Freude machen. Wenn sich bei der Frage „Wer übernimmt die Buchhal- tung?“ alle Mitglieder rarmachen, dann kann es besser sein, eine externe Person damit zu beauftragen und zu bezahlen.
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Flexibel bleiben, Ausnahmen von Regeln machen: In einer FoodCoop geht es nicht um stures Befolgen von Regeln. In der Gemeinschaft sollte Platz für persönliche Lösungen sein. Wenn ein Mitglied die Abmachung „zweimal pro Jahr Abholdienst machen“ aufgrund unpassender Arbeitszeiten nicht einhalten kann, dann finden sich bestimmt zeitlich flexiblere Ersatzaufgaben, z. B. das Organisieren von Speisereisen am Wochenende. Wo ein Wille zu Engagement, da gibt’s einen Weg in der FoodCoop!
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Vereinsfunktionen nicht überbewerten: Die interne Arbeitsverteilung hat sehr wenig damit zu tun, wer laut Vereinsstatuten als Leitungsorgan fungiert. Das heißt konkret: Die Obfrau muss nicht automatisch alle Anfragen von außen (z. B den Interviewtermin mit einer Journalistin) entgegennehmen, das kann auch jedes andere Mitglied übernehmen. Manche Aufgaben müssen aber von jenen Mitgliedern erledigt werden, die laut Vereinsstatuten den Verein nach außen vertreten, z.B. das Unterschreiben eines Mietvertrages. Auch die Schlüsselfunktion/Arbeitsgruppe „Finanzen“ sollte von denjenigen Mitgliedern besetzt werden, die laut Statuten dafür verantwortlich sind. (Mehr Infos siehe Teil 4.)
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Effiziente Lösungen annehmen: Manche Aufgabenbereiche können durch die Verwendung einer FoodCoop-Software deutlich verkleinert werden oder auch ganz wegfallen. Wenn z. B. Bestelllisten nach Bestellschluss automatisch von der Software an die Poduzentinnen geschickt wird, mach das eine eigene Arbeitsgruppe „Bestellungen“ überflüssig.
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Wissensmonopole vermeiden: Eine gut organisierte Arbeitsteilung ist effizient, doch wichtig ist auch Wissensmonopole (und damit Abhängigkeiten von Einzelpersonen) zu vermeiden. Transparentes Arbeiten und eine allen zugängliche Dokumentation der Arbeit ist darum selbstverständlich! Auch ein Rotationssystem ist möglich. So können etwa jedes halbe Jahr die Schlüsselfunktionen neu vergeben werden.
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Nichts erzwingen: Das Übernehmen von Aufgaben in FoodCoops passiert freiwillig, niemand wird gezwungen sich beispielsweise IT-Spezialfähigkeiten anzueignen. Das kann dazu führen, dass manche Aufgaben niemand machen will. Es kann dann entweder das Modell an die Gruppe angepasst werden (eine FoodCoop kommt auch ohne IT aus) oder es werden externe Dienste zugekauft.
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Schnittstellenkommunikation beachten: Sehr oft vernachlässigt wird die Kommunikation zwischen den Arbeitsgruppen bzw. von einer Arbeitsgruppe ins Plenum. Damit dies funktionieren kann, müssen Kontaktdaten bekannt bzw. auch Ansprechpersonen definiert werden.
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Organisation nicht überbewerten: Eine grundsätzliche innere Organisationsstrukur hat sich bewährt, allerdings darf nicht vergessen werden, dass eine FoodCoop aus einer Gruppe ehrenamtlicher Privatpersonen besteht, und somit niemals perfekt organisiert sein kann. Stures Abteilungsdenken und starre Vorgaben wann/wo/wie etwas zu kommunizieren ist etc. wirken eher abschreckend und verhindern Engagement.
Ein Beispiel für eine gute Theorie, aber gescheiterte Praxis: „Jede Arbeitsgruppe muss beim Plenum zumindest durch eine Person vertreten sein!“ In der Realität kommen aber die Mitglieder zum Plenum, die Zeit und Lust haben. Daher hat es sich bewährt, Arbeitsgruppen vorab direkt anzusprechen, wenn Infos benötigt werden. Wird etwa vorab von der Arbeitsgruppe Finanzen die Auskunft eingeholt, wieviel Geld für die Anschaffung neuer Regale gerade zur Verfügung steht, dann kann am Plenum eine Entscheidung dazu getroffen werden, auch wenn niemand aus der Arbeitsgruppe Finanzen persönlich anwesend ist.
Verbindlichkeit in ehrenamtlichen Strukturen
Dass Aufgaben übernommen und dann nicht erledigt werden, ist in FoodCoops eine immer wieder eintretende Situation. Externe Ursachen hierfür sind kaum zu beeinflussen, z. B. wenn ein Kind erkrankt und die Mama deswegen doch nicht den Abholdienst übernehmen kann.
Erfahrungsgemäß sind solche Fälle schnell gelöst. Höchstwahrscheinlich ist sich die Mama ihrer Verantwortung bewusst, dass Lieferantinnen und andere Mitglieder vom Abholdienst abhängig sind. Sie wird darum Ersatz organisieren oder zumindest mitteilen, dass sie für den Abholdienst ausfällt.
Konkrete, termingebundene Aufgaben werden in FoodCoops verlässlich eingehalten. Dieses vorbildliche Verhalten ist jedoch nicht in allen Bereichen der FoodCoop allgegenwärtig, gerade zeitlich flexible Aufgaben, ohne direkte Konsequenzen, werden gerne mal „verschleppt“ oder „vergessen“.
Ein Praxisbeispiel: Beim Plenum meldet sich ein Mitglied, Angebote für einen neuen Kühlschrank einzuholen. Beim nächsten Plenum ist das Mitglied nicht da, niemand hat etwas gehört, ob die Aufgabe überhaupt angegangen wurde. Auf Dauer kann es mühsam und lästig sein, wenn aufgrund solcher Unklarheiten das Thema „neuer Kühlschrank“ zum dritten Mal verschoben werden muss.
FoodCoops sind ein Lernort für Verantwortungsbewusstsein.
Wichtig ist ein Umfeld, das selbstständiges und verantwortungsbewusstes Handeln fördert. Die zentrale Frage für ein verbindliches Miteinander lautet: Welche Ressourcen sind nötig, um Aufgaben erfüllen zu können? Hier einige Tipps dazu:
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Klare Arbeitsaufträge vergeben: Oft werden Themen zu unkonkret besprochen, z. B. am Plenum entsteht die Idee das Abholen der Produkte mehr mit gemeinsamen Jausnen zu verbinden. Alle sind dafür, im Protokoll wird vermerkt: „Der Abholdienst soll sich dazu was überlegen.“ Gute Arbeitsaufträge enthalten konkrete Angaben: Wer, Was, Wann, Budget, nötige Unterstützung etc. Z. B. „Susanne und Veronika besorgen bis Ende August Inventar für eine Mini- Jausenstation, bitte bis nächste Woche bei Ihnen melden, wer Bretter und Messer spenden kann, ansonsten kaufen die beiden um maximal 50 Euro Geschirr.“
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Zugang zu nötigen Ressourcen sicherstellen: Es ist demotivierend, wenn neue Mitglieder sich für eine Aufgabe melden, und dann erst recht wieder vom Wissen der routinierten Mitgliedern abhängig sind.
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Mitgliedern Autonomie gewähren: Wer selbstständig arbeiten soll, braucht auch gewisse Befugnisse, in deren Rahmen eigenständig Entscheidungen getroffen werden können. Wie weit diese Befugnisse reichen, sollte vorab geklärt werden.
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Anerkennung statt unkonstruktive Kritik aussprechen: Als Feedback für das Erledigen von Aufgaben ist „Danke für dein Engagement“ angebrachter als „Das hätte ich anders gemacht“.
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Aufgaben möglichst gleichmäßig realistisch verteilen: Wenn ein Mitglied vom Plenum mit acht Aufgaben nach Hause geht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass nicht alle erledigt werden. Probiert mal folgende Regel: Pro Ple num werden maximal zwei Aufgaben pro Mitglied vergeben.
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Aufgabenliste im FoodCoop-Lager aufhängen: Eine einfache Tabelle mit Was? Bis wann? Wer? reicht. Diese dient als Erinnerung für die namentlich erwähnten Mitglieder. Gleichzeitig wird auch sichtbar, welche „Jobs“ unbesetzt sind, beim Abholen können sich Mitglieder eintragen. Erledigte Aufgaben können für alle sichtbar abgehakt werden, die Liste ermöglicht also auch Transparenz und Anerkennung.
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Aufgaben kontrollieren: Spätestens zu Beginn des Plenums sollte das letzte Protokoll auf vergebene Aufgaben durchgecheckt werden. Noch besser ist es, dies eine Woche vor dem Plenum zu tun und die Mitglieder an ihre Aufgaben zu erinnern. Dies kann etwa von der Moderation des Plenums übernommen werden oder von der Arbeitsgruppe „Impulse“. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass sich die Mitglieder in punkto Eigenverantwortung zurücknehmen, weil sie sich auf die Erinnerung verlassen. Ein reflektierter Umgang mit dieser Rolle ist somit angebracht, damit sie nicht zur Anlaufstelle für Ausreden wird, warum „die Hausübung“ nicht gemacht wurde.
In manchen Bereichen ist die Vergabe von „Erinnerungsfunktionen“ dennoch empfehlenswert z. B. ein Mitglied wirft am Anfange jeder Woche einen Blick auf den „Abholdienstkalender“. Hat sich für den bevorstehenden Abholtag noch niemand für den Abholdienst eingetragen, so fordert dieses Mitglied jemanden dazu auf.
Mitbestimmung aller Mitglieder gewährleisten
FoodCoops sind Lernorte von Demokratie. Diese Erkenntnis ist an sich schon ein starkes Argument, um Mitbestimmung zu fördern. Es gibt aber noch einen weiteren, pragmatischen Grund: Ohne Mitbestimmung funktionieren FoodCoops ganz einfach nicht gut.
Warum?
- Mitbestimmung ist Voraussetzung für leidenschaftliches Engagement der Mitglieder, un d darauf ist jede FoodCoop angewiesen. Wer will schon nur ehrenamtlich schuften, aber bei Entscheidungen nichts zu melden haben? Eine Gruppe ist in Balance, wenn sich bei allen Mitgliedern ihr Beitrag zur Mitbestimmung, Mitverantwortung und Mitarbeit die Waage hält.
- Mitbestimmung ist Voraussetzung für „Resilienz“, also die Widerstandsfähigkeit der FoodCoop gegen Probleme. Wird die Verantwortung auf viele Schultern verteilt, ist die Gruppe stabiler und kann auf Krisen besser reagieren, weil sie auf das Know-how und die Erfahrungen vieler Menschen zurückgreifen kann. In einer FoodCoop, die von einer Handvoll Mitglieder getragen wird, ist der Austritt von diesen Personen eine existenzielle Bedrohung. Ein stabiles Netzwerk aus vie len Mitglieder kann den Austritt einiger Mitglieder recht lei cht abfe dern. Darum sollte die Verantwortung auf möglichst alle Mitglieder aufgeteilt werden. Aber, wie gerade erwähnt, wer will schon gerne Verantwortung übernehmen, ohne mitentscheiden zu können?
- Mitbestimmung führt zu Bewusstseinsbildung. FoodCoops tragen deshalb zur Bewusstseinsbildung bei, weil sie die klassische Rolle des „passiven Konsumierens“ aufbrechen. Wenn „etwas nicht passt“, reagieren klassisch passive Kundschaften im schlimmsten Fall mit Ärger und Unverständnis, den sie aber nicht kommunizieren und kaufen künftig woanders ein. Im besten Fall informieren sie eine „verantwortlichen Stelle“ und erwarten, dass sich „dort wer um das Problem kümmert“. Gelernt wird dabei nichts.
- FoodCoops stellen eine Alternative zum Abgeben von Verantwortung dar. Jedes Mitglied ist selbst ein Teil der „verantwortlichen Stelle“, ein Perspektivenwechsel, der ganz andere Kommunikationsmuster und Verhaltensweisen fördert. Gemeinsam Ursachen für Probleme ergründen, nach Lösungen suchen und diese umsetzen, stellt eine Werkstätte mit hohem Lernpotential dar. FoodCoops sind somit auch ein Ort für Persönlichkeitsbildung. Gibt es in der FoodCoop einen „Vorstand“ oder ein „Kernteam“, wo Entscheidungen ohne Miteinbeziehung aller Mitglieder getroffen werden, so ist die Gefahr groß, dass die „einfachen Mitglieder“ in der klassisch passiven Rolle verharren, schließlich gibt es ja dann auch wieder „eine verantwortliche Stelle“. Manche Mitglieder werden das sogar bequem finden, auf Dauer destabilisiert es aber die Gruppe.
Basisdemokratie – Mitbestimmung von allen
FoodCoops sind basisdemokratische Initiativen, d. h. Entscheidungen werden von allen Mitgliedern gemeinsam getroffen, meist im Rahmen des Plenums.
Achtung: Basisdemokratie wir fälschlicherweise häufig mit Konsensentscheidungen gleichgesetzt. Basisdemokratie sagt aber nur aus, dass Entscheidungen gemeinsam von der ganzen Gruppe getroffen werden, aber nichts über die Art und Weise wie die Abstimmung genau funktioniert.
Dass sich FoodCoops als basisdemokratische Initiativen verstehen, bedeutet nicht, dass jede Detailentscheidung von allen getroffen wird. Im Plenum entscheiden alle Mitglieder gemeinsam über Grundsätzliches, kleine Alltagsfragen können und sollen durchaus eigenständig in Arbeitsgruppen geklärt werden, damit sich das Plenum auf die zentralen Fragen konzentrieren kann!
Varianten der Entscheidungsfindung in Gruppen
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Mehrheitsentscheid: In der Gruppe wird mit Ja oder Nein abgestimmt, bei Erreichen einer gewissen, vorher definierten Mehrheit (51%, 2/3 oder andere Prozentzahl) geht eine Option als Sieger hervor.
Vorteil: Einfach umsetzbares und klares System
Nachteil: Inhalte werden künstlich auf ein Entweder-Oder reduziert, Fragestellung beeinflusst das Ergebnis, Minderheit (im schlimmsten Fall 49%) wird übergangen. -
Konsensvariante: Jedes Mitglied der Gruppe hat ein Vetorecht, d. h. nur wenn niemand ein Veto einlegt, kann eine Entscheidung getroffen werden.
Vorteil: Es kann niemand übergangen werden, jede Meinung muss mit berücksichtig werden.
Nachteil: Jede einzelne Person kann jederzeit alles blockieren, Einigkeit kann lange bis ewig dauern. -
Konsententscheid: Ähnlich wie die Konsensvariante, jedes Mitglied kann ein Veto in Form eines schwerwiegenden Einwands einlegen. Der schwerwiegende Einwand muss auf inhaltlichen Grundsätzen beruhen (etwa den zentralen FoodCoop-Zielen), es handelt sich dabei also nicht um ein prinzipielles Vetorecht.
Vorteile: Stärkerer inhaltlicher Fokus als bei der Konsensvariante.
Nachteil: Jedes Mitglied entscheidet selbst, was ein schwerwiegender Einwand ist, rhetorisch begabte Mitglieder haben erst recht wieder ein Vetorecht, da jedes „Nein“ irgendwie inhaltlich argumentiert werden kann. -
Systemisches Konsensieren Bei dieser Methode werden alle Vorschläge mit „Widerstandspunkten“ bewertet, der Vorschlag, der den wenigsten Widerstand hervorruft, gewinnt. Diese Variante erscheint anfangs ungewohnt und kann aufgrund ihrer Komplexität an dieser Stelle auch nicht ausführlich beschrieben werden. Weitere Infos siehe http://www.konsensieren.eu
Vorteile: Ausgeklügeltes System, keine Beschränkung von Inhalten und Ideen, bildet Gruppenmeinung am besten ab, Abstimmungen können auch online durchgeführt werden
Nachteile: Einführung notwendig, hoher Aufwand, bedarf guter Vorbereitung und guter Moderation, (kleine) Minderheit wird übergangen
Welche Varianten sind für FoodCoops geeignet?
Für wirklich wichtige Grundsatz-Entscheidungen ist das Systemische Konsensieren empfehlenswert, weil die Chance auf ein Ergebnis von hoher inhaltlicher Qualität hoch ist, und sogar die überstimmte Minderheit durch leichte Ergebniskorrektur mit ins Boot geholt werden kann. Der hohe Aufwand macht sich also meist bezahlt. Achtung, eine gute & erfahrene Moderation ist Voraussetzung für das Gelingen, ebenso eine Einführung für alle Teilnehmenden.
Praxistipp: Probiert diese Variante zuerst einmal mit einer einfachen Frage, bevor ihr damit heikle Themen zu lösen versucht!
Für kleine, „alltägliche“ Entscheidungen ist der Aufwand des Systemischen Konsensierens zu hoch. In gut harmonierenden Gruppen passt der Konsententscheid am besten zur FoodCoop-Idee. In dem Wissen, dass alle dieselben Ziele verfolgen vertrauen sich die Mitglieder gegenseitig, dass die Möglichkeit des schwerwiegenden Einwands nicht missbräuchlich verwendet wird. Diese Variante ist auch für Arbeitsgruppen sehr gut geeignet. Ist die Gruppe (noch) kein eingespieltes Team, so ist auch die Variante mit klassischer Abstimmung möglich. Allerdings sollte der nötige Prozentsatz für eine Entscheidung bei mindestens 66% liegen, und bei der Diskussion vorher nie- mand übergangen werden (Tipp: Blitzlichtrunde siehe Kapitel 2.4). Ansonsten wird eine zu große Minderheit erzeugt. Alternativ dazu eignet sich auch das „Schnellkonsensieren“, wo die Punkteskala nur aus 3 Möglichkeiten besteht, und wo jede Option per Hand heben bewertet wird (keine, eine oder zwei Hände heben, die Option mit den wenigsten „Widerstandshänden“ gewinnt).
Achtung: In einer FoodCoop sind alle Mitglieder gleichberechtigt, Behörden können dies jedoch anders sehen und suchen im Ernstfall oft gezielt nach einer verantwortlichen Einzelperson (Leitungsorgan laut Vereinsstatuten oder die Person auf die das Konto oder der Mietvertrag läuft).
Durch interne, solidarische Abmachungen kann dies teilweise abgefedert werden. Auch können bei Entscheidungen, die ein Risiko für einzelne haftbare Vereinsmitglieder darstellen könnten, Ausnahmen vom generellen Abstimmungsmodell gemacht werden. Die haftbaren Mitglieder erhalten ein Vetorecht, nur wenn sie selbst zustimmen, wird die Entscheidung getroffen und sie haften für eventuelle Konsequenzen.
Schattenseiten der Mitbestimmung von allen
- Mitbestimmung kostet Zeit und Energie, nicht nur jedem einzelnen Mitglied, sondern auch der Gruppe. Es ist aufwändiger in einer Runde von 30 Personen zu einer Entscheidung zu kommen, als in einer Kleingruppe. Wichtige Voraussetzungen, um überhaupt in einer großen Runde entscheidungsfähig zu sein, sind grundsätzliche gemeinsame Ziele, Disziplin der einzelnen Mitglieder, Einigkeit über Gesprächskultur und geeignete Methoden der Entscheidungsfindung.
- Manche Mitglieder haben Zeit und Lust auf ausführliche Diskussionen zu nahezu jedem Thema. Das kann aber nicht automatisch von allen anderen Mitgliedern erwartet oder gar gefordert werden. Da in ehrenamtlichen Strukturen Zeit und Energie nur begrenzt vorhanden sind, ist es wichtig, sich gemeinsam zu überlegen, für welche Themen die wertvollen Ressourcen aufgewendet werden.
Plenum abhalten
Ein FoodCoop Plenum kann langweilig, verwirrend, frustrierend etc. sein. Die Tipps in diesem Kapitel können nicht gewährleisten, dass von nun an jedes Plenum großartig wird, aber durch Verän- derungen der Rahmenbedingungen kann doch einiges bewirkt werden.
Grundsätzliche Fragen zum Plenum
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Wie oft? Das Plenum sollte auf jeden Fall regelmäßig stattfinden, ein guter Richtwert ist einmal pro Monat, zumindest aber alle zwei Monate.
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Wer ist eingeladen? Alle Mitglieder! Immer wieder tauchen Überlegungen auf, für spezielle (Problem-)Themen nur gewisse Mitglieder (z. B. nur das Gründungsteam oder nur das Leitungsorgan laut Vereinsstatuten) einzuladen. Diese Vorgehensweise führt zu einer Kluft innerhalb der Gruppe, Tendenzen wie ungleiche Verantwortungsverteilung verfestigen sich. Bei manchen FoodCoops werden auch interessierte Leute oder die Lieferantinnen zum Plenum ein geladen. Dies kann punktuell sinnvoll sein, allgemein gilt aber: Das Plenum ist für die aktiven Mitglieder da, es ist ein internes Arbeitstreffen und keine öffentliche Infoveranstaltung.
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Wie funktioniert ein Plenum mit vielen Mitgliedern? In der Regel erscheint beim Plenum nur ein Bruchteil der Mitglieder. Damit sollte sich die FoodCoop aber nicht zufrieden geben, sondern immer wieder alle Mitglieder zur Teilnahme auffordern. Dabei sollte jedoch ein Bewusstsein vorhanden sein, dass ein Plenum mit mehr als 15 Beteiligten andere Methoden erfordert. Die Redezeiten pro Person verringern sich, die Moderation muss auf diese Situation vorbereitet sein usw.
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Wie können Mitglieder, die nicht persönlich anwesend sind, mitbestimmen? Es ist praktisch unmöglich, einen Termin für ein Plenum zu finden, an dem wirklich alle Mitglieder Zeit haben. Meistens bedeutet dies, dass die nicht anwesenden Mitglieder ihr Stimmrecht verlieren. Alternativ dazu kann ein Mitglied einem anderes Mitglied die eigene Stimme übertragen, vorher per Briefwahl abstimmen oder die gesamte Abstimmung wird online durchgeführt. Diese zusätzlichen Möglichkeiten erhöhen den Grad der Mitbestimmung. Allerdings ist zu bedenken, dass die nicht anwesenden Mitglieder auch die Diskussion vor der Abstimmung verpassen, und diese ist oft sehr wichtig für die Meinungsbildung! Darum sollten solche Zusatzmöglichkeiten nur in Kombination mit Zugang zu ausführlichen Informationen zu den Themen existieren. In manchen FoodCoops ist es üblich, dass am Plenum gefällte Beschlüsse ein bis zwei Wochen nach Verschicken des Protokolls an alle Mitglieder noch „angefochten“ werden können. Dies passiert so gut wie nie und wenn dann ist es ein sehr mühsamer Prozess. Darum ist es besser, wichtige Diskussionspunkte vor dem Plenum bekannt zu geben. Wer keine Zeit hat, kann seine Meinung vorab schriftlich äußern.
Checkliste und Tipps fürs Plenum
Vor dem Plenum
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Termin rechtzeitig ankündigen (ca. eine Woche vorher), und zwar so dass es ALLE Mitglieder mitbekommen. Auch wenn z. B. jeder erste Freitag im Monat als Fixtermin vereinbart wurde, schadet ein eigenes Einladungsmail mit Ort, Zeit und Tagesordnung nicht. Vor allem den nicht so gut integrierten Mitgliedern hilft dies bei der Orientierung.
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Themen können schon vorab gesammelt werden, am besten in einem allen Mitgliedern zugänglichen online-Dokument. Das spart Zeit am Plenum und alle Mitglieder können sich schon darauf einstellen, um was es beim Plenum gehen wird.
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Vorarbeit leisten: Überlegt schon vorab, welche Informationen werden benötigt, um die Themen zu besprechen. Wenn eine Entscheidung über eine größere Investition ansteht, dann sollte entweder aus der Arbeitsgruppe Finanzen fix eine Person beim Plenum anwesend sein, und kurz einen Überblick zur Liquidität der FoodCoop geben. Alternativ können die notwendigen Infos auch vorab an alle Mitglieder verschickt, oder der Moderation übergeben werden. Themen, zu denen die notwendigen Informationen fehlen, sollten gleich aufs nächste Plenum verschoben werden. Weiter ist ein Blick in das Protokoll vom letzten Plenum angebracht. Welche Themen wurden vertagt, welche Aufgaben waren bis zum nächsten Plenum zu erledigen? Wurden diese erledigt?
Zu Beginn des Plenums
Ein offizieller Start mit einführenden Worten der Moderation/des Vorbereitungsteams schafft eine gute Ausgangssituation.
Eine KURZE Vorstellrunde ist absolute Pflicht (außer es kennen sich wirklich alle gut untereinander). Zur Auflockerung kann diese mit einer konkreten Frage verknüpft werden z. B. zum Lieblingsprodukt. Jedes Mitglied sagt dann beispielsweise „Hallo ich bin die Julia, seit zwei Jahren in der FoodCoop dabei, in der Arbeitsgruppe IT aktiv und mein Lieblingsprodukt ist das Bio-Sauerteigbrot. In der Vorstellrunde ist kein Platz für Inhalte, Fragen und Diskussionen!
Rollen abklären: Wer moderiert, wer schreibt Protokoll? Regeln zur Gesprächsskultur durchgehen.
Themen sammeln, Überblick verschaffen, wichtigste/dringendste Themen vorreihen. Eine praktische und schnelle Technik: Alle Themen werden auf einem Plakat notiert, jedes anwesende Mitglied erhält drei Punkte und vergibt diese an 1-3 Themen. Das Thema, das die meisten Punkte erhalten hat kommt als erstes dran usw.
Zeitplan erstellen: Wie lange soll das Plenum dauern, wie viele Minuten soll für jedes einzelne Thema verwendet werden? Meistens reicht die Zeit nicht für alle Themen, darum ist die Reihung auch so wichtig! Zusätzlich könnt ihr überlegen: Welches Thema kann auch per E-Mail kommuniziert werden? Welches in eine Arbeitsgruppe verlegt werden? Welches kann ohnehin nicht gut besprochen werden, weil Informationen dazu fehlen?
Achtung, der Beginn des Plenums soll kurz und knackig sein und alle gerade genannten Punkte maximal in einer halben Stunde erledigt sein. Sitzt eine Gruppe nach einer Stunde immer noch bei der Reihung der Punkte, ist die wertvollste Zeit, in der die Konzentration am höchsten ist, vergeudet.
Während des Plenums
Ein Plenum kann durchaus lustig und locker ablaufen, ein gewisses Maß an disziplinierten Verhalten ALLER anwesenden Mitglieder ist aber dennoch erforderlich. Für den Verlauf des Plenums ist nicht die Moderation alleine verantwortlich, sondern die ganze Gruppe!
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Ein Thema nach dem anderen durchnehmen (nicht spontan neue Themen er öffnen).
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Themen bis zum Schluss bearbeiten: Es bringt wenig, Diskussionen nicht oder unkonkret abzuschließen, etwa „Mehr Infos zu unseren Wurstprodukten wären toll, irgendwer sollte sich drum kümmern ...“. Am Ende eines Themas steht eine Entscheidung fest oder eine Aufgabe wird konkret vergeben: Wer macht was bis wann?
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Zeit im Auge behalten! Ansonsten „verratscht“ man sich oft schon beim ersten Thema.
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Nur geordnet in der Runde sprechen, alle miteinbeziehen (keine parallelen Kleingespräche).
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Mitdokumentieren! (Protokoll)
Am Ende des Plenums
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Wer organisiert das nächste Plenum? Wie wird der Termin fixiert?
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Allfälliges, Ankündigungen externer Veranstaltungen etc.
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Ein offizielles Ende rundet das Plenum ab, damit für alle klar ist, ab wann der informelle Teil beginnt.
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Für den informellen Teil sollten Getränke vorhanden sein, mitgebrachte Kuchen oder Kostproben von Lieferantinnen sind natürlich auch gerne gesehen.
Nach dem Plenum
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Protokoll möglichst zeitnah an ALLE Mitglieder ausschicken!
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Aufgaben erledigen! Ein Plenum ist für die Gesamtkoordinierung da. Die wichtigste tatsächliche Arbeit geschieht fast immer abseits davon, in Arbeitsgruppen etc.
Tipps zum Protokoll schreiben
Ein gutes Protokoll schreiben ist gar nicht so leicht. Es soll kurz & übersichtlich sein, gleichzeitig aber auch vollständig und verständlich (auch für Nicht-Anwesende) geschrieben sein. Zudem soll es eine möglichst neutrale und objektive Berichterstattung darstellen. Es dient als Information für Nicht-Anwesende, Gedächtnisstütze für Anwesende und Dokument, auf das man sich im Zweifelsfall berufen kann.
Was kommt ins Protokoll?
Neben kurzen Notizen zu Datum, Anwesenden, Rollen (wer hat moderiert, wer hat Protokoll geschrieben), Themenübersicht (Inhaltsverzeichnis), geht aus einem guten Protokoll besonders hervor:
- Präzise formulierte Beschlüsse: Was wurde beschlossen? Wie wurde beschlossen (Ergebnis der Abstimmung etc.)?
- Vergebene Verantwortungen: Welche Aufgaben wurden von wem übernommen und bis wann sollen sie erledigt werden?
- Kompakte Informationen , z. B. Unsere FoodCoop organisiert einen Infostand beim Dorffest (Termin, Ort) wer mithelfen will meldet sich bei marlene@ ...
Einfache Grundstruktur eines Protokolls:
Thema 1:
Ergebnis 1 : [Beschluss im Konsens, Aufgabe verteilt an ..., bis wann wird was erledigt?]
Thema 2:
Ergebnis 2 : [wieder wie bei Ergebnis 1:
Es können im Protokoll auch der genaue Gesprächsverlauf bzw. die einzelnen Meinungen enthalten sein. Dies lohnt sich aber nur in bestimmten Fällen, etwa bei kontroversen Diskussionen, wo die verschiedenen Standpunkte wichtig für Meinungsbildung weiterer Mitglieder sind. Je detaillierter das Protokoll, umso mehr ist auf Übersichtlichkeit und Verständlichkeit zu achten.
Praxistipp: Auf Zugänglichkeit achten! Das beste Protokoll nutzt nichts, wenn es nicht gelesen wird. Lasst es daher möglichst kurz nach dem Plenum allen Mitgliedern zukommen und bewahrt es so auf, dass auch später alle noch darauf zugreifen können. Das Versenden per E-Mail und zusätzliches Sammeln in einem Ordner im FoodCoop-Lager oder digitalen Archiv hat sich bewährt.
Moderation eines FoodCoop Plenums
Moderation ist ein Handwerk, das man lernen muss! Natürlich bringen manche Menschen ein natürliches Gespür für Gruppenprozesse mit, aber das ersetzt nicht methodische Kompetenz und Erfahrung! Glücklicherweise ist eine FoodCoop ein Lernraum, nicht nur allgemein für soziale Kompetenz, sondern auch um sich in Moderation zu probieren. Nutzt die Chance!
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Gruppenvorstellungen berücksichtigen: Moderation kann einer Gruppe nicht aufgezwungen werden, der Wunsch danach muss aus der Gruppe kommen. Wenn es die FoodCoop-Mitglieder glücklicher macht, dass ein Plenum eine Art Stammtisch ist, wo bis weit nach Mitternacht miteinander gefeiert daneben spontan und informell wild durcheinander geredet wird (und am nächsten Tag das meiste vergessen), dann soll es so sein.
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Moderation ist freiwillig: Das Anleiten von Diskussionen ist ein harter Job. Wenn die Moderation das Gefühl hat, die Gruppe nicht zu erreichen bzw. den Gruppenprozess nicht mehr positiv beeinflussen zu können, dann kann die Moderationsrolle jederzeit (klar kommuniziert) zurückgelegt werden.
Trotz Moderation – auf die Gruppe kommt es an! Nobody is perfect, auch die Moderation nicht! Die Moderation ist nicht alleine für den Erfolg eines Plenums verantwortlich. Jedes Mitglied trägt einen Teil zum Gruppenprozess bei. Zudem kann die Moderation auch durch die Gruppe unterstützt werden, z. B. wenn Mitglieder mal selbst auf die Uhr schauen, um zu kontrollieren ob die Diskussion im Zeitplan verläuft. -
„Interne Moderation“ bedeutet, dass Mitglieder aus der eigene Gruppe die Moderationsaufgaben übernehmen. Gute Moderation durch externe Personen ist meist teuer und/oder aufwändig zu organisieren, daher ist diese Spezialsituation in FoodCoops der Regelfall. Interne Moderation hat den Vorteil, dass die Moderation mit dem Umfeld vertraut ist, also keine Einführungen in Abläufe und Ziele braucht, und im besten Fall mit den persönlichen Eigenheiten der Mitglieder vertraut ist und damit umgehen kann. Die Nachteile sind, dass es für interne Personen schwieriger ist, sich aus inhaltlicher Diskussion rauszuhalten, und möglichst neutral und objektiv zu agieren. Zudem akzeptiert die Gruppe die Sonderrolle interne Moderation meist nicht so gut wie bei einer externen Moderation. Um die Anerkennung der Moderationsrolle zu erhöhen, ist es ratsam, zu Beginn des Plenums die Sonderrechte der Moderation kurz zu thematisieren. z. B. alle bestätigen am Anfang, dass (nur) die Moderation zu lange oder abwegige Reden unterbrechen darf.
Ein Moderationshut oder ein anderer symbolischer Gegenstand wirkt! Zum einen verdeutlich der Hut optisch die Sonderrolle der Moderatorin. Und: Will die Moderatorin etwas Inhaltliches beisteuern, kann sie für alle erkennbar ihre Moderationsrolle kurz verlassen, indem sie den Hut abnimmt oder gar für ein ganzes Thema einer anderen Person übergibt. Auf diese Weise kann die Moderation während des Plenums rotieren.
Was darf die Moderation?
Wie weit die Befugnisse der Moderation reichen, sollte vorab geklärt sein. Die Moderation nimmt eine Sonderrolle ein, etwa kann sie als einzige Leute unterbrechen, wenn sie Monologe führen oder Diskussionen vom Thema abschweifen. Oder im schlimmsten Fall: Kann die Moderation jemanden aus der Gruppe auffordern, das Plenum wegen gruppenuntauglichem Verhalten zu verlassen?
Moderationsumfang vorab klären
Zu den Aufgaben einer Moderation zählt das Anleiten der Diskussionen am Plenum, wichtig ist aber auch abzuklären, wer eine Vor- und Nachbereitung übernimmt. Wer kümmert sich vorher um Terminfindung, Einladung, Raumreservierung, ...? Wer schickt danach das Protokoll aus, erinnert an das Erledigen der Aufgaben, ...?
Nie alleine moderieren!
Moderation erfordert Konzentration, und wer nicht zufällig das ultimative Multitasking-Genie ist, kann nicht alleine alle Bereiche gleichzeitig im Auge behalten. Besser eine Person achtet auf Gruppendynamisches wie Stimmung und ausgewogene Redezeiten, eine andere Person behält technische Rahmenbedingungen wie Uhrzeit und inhaltlichen Fortschritt im Auge.
Praxistipp: Die Moderation sollte jeden Schritt vorab gut erklären! Das schafft Klarheit und gibt die Möglichkeit zum Eingreifen! Anstatt nur zu sagen: „Jetzt machen wir die Vorstellrunde“, ist es besser, zuerst zu erklären, wie die Vorstellrunde ablaufen soll. Schweift ein Mit-glied dann ab, kann es mit Hinweis auf die Erklärung unterbrochen werden.
Neue Mitglieder integrieren
Dem Einstieg für neue Personen wird in den meisten FoodCoops große Aufmerksamkeit geschenkt. Das hat gute Gründe. Einerseits bedarf es einer guten Einschulung, denn die Mitglieder erledigen dann die Bestellung, Abholung und Abrechnung eigenverantwortlich. Anderseits sammeln sich in FoodCoops mit der Zeit Regeln, Wissen und informelle Sitten. Diese „Schätze“ sollten bestmöglich an Neue weitergegeben werden, damit ein stabiler Fortbestand der Gruppe gewährleistet ist. Die Integration zusätzlicher Personen ist aber keine Einbahnstraße. Neue Mitglieder sind nicht lediglich zusätzliche Arbeitskräfte oder ein 1 zu 1-Ersatz für ausgestiegene Mitglieder. Jede Person bringt eigene Meinungen und individuelles Know-how mit. Somit bedeutet jeder Neueinstieg eine Weiterentwicklung der ganzen Gruppe.
Für das alteingesessene Gründungsteam sind Veränderungen innerhalb der FoodCoop oft gar nicht so leicht zu akzeptieren. Auch ist es für routinierte Mitglieder schwierig, sich in die Lage neuer Mitglieder zu versetzen. Die Betriebsblindheit ist auch in ehrenamtlichen Strukturen weit verbreitet, gewohnte Abläufe erscheinen als logisch, Themen als nicht diskussionswürdig, weil ja eh schon in der Vergangenheit alles besprochen wurde.
Neue Mitglieder sind mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Das eigenverantwortliche Vorbestell- & Abholsystem ist ungewohnt, dazu kommt eine neuartige Organisationsform, denn die FoodCoop ist oft die erste Erfahrung mit basisdemo-kratischen und selbstorganisierten Strukturen. Ohne gezielte Unterstützung können sich neue Mitglieder überfordert oder fehl am Platz fühlen.
„Sie (die neuen Mitglieder) sind, wenn sie beispielsweise das
erste Mal an einem Plenum teilnehmen, oft in eine passive
Rolle gedrängt, hören nur zu und die Moderation bindet sie
wenig bis gar nicht ein. Es braucht deshalb einiges an Gespür
und Planung, damit neue Mitglieder sich in der FoodCoop
wohlfühlen können, sich mit der FoodCoop identifizieren und
rasch eine Idee bekommen, in welchen Bereichen sie sich am
besten aktiv beteiligen können/wollen.“
(Zitat von Anna, Mitglied einer Wiener FoodCoop.)
Es kommt immer wieder vor, dass neue Mitglieder nach kurzer Zeit wieder aussteigen. Die Ursache hierfür ist nicht immer die fehlende Integration. Manchmal passt das FoodCoop-Modell einfach nicht zum persönlichen Konsumverhalten, da kann auch die beste Einführung nicht entgegenwirken. Allen anderen neuen Mitgliedern sollte aber das Hineinwachsen möglichst leicht und angenehm gemacht werden.
Die richtige Mischung aus willkommen heißen, Regeln erklären,
im FoodCoop-Lager unterstützen und Freiräume zum selbstständigen
orientieren lassen, ist dabei gefragt.
Noch wichtiger als das Verstehen von Abläufen ist die soziale
Einbindung in die Gruppe.
Verschiedene Einführungsmethoden:
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Schnupperbesuch im FoodCoop-Lager: Interessierte Personen können natürlich während der Abholzeit einen Blick in die FoodCoop werfen. Der Besuch im FoodCoop-Lager ist eine unverbindliche und niederschwellige Möglichkeit, um erste Eindrücke zu sammeln. Allerdings bedeutet dies meist einen zusätzlichen Aufwand für den Abholdienst, der die Funktion der Ansprechperson übernimmt. Daher ist es hilfreich, wenn auf konkrete, weiterführende Einführungstools verwiesen werden kann.
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Schriftliche Erstinformationen: Damit grundlegende Fragen nicht immer wieder aufs Neue beantwortet werden müssen, lohnt sich das Erstellen einer schriftlichen Erstinformation. Diese kann sowohl ausgedruckt im FoodCoop-Lager aufliegen, als auch per E-Mail an Interessierte verschickt werden.
Neben dem allgemeinen Was und Warum sollen mit einem möglichst knackigen und übersichtlichen Dokument folgende Fragen abgedeckt werden:
- Welche Rechte und Pflichten haben die Mitglieder?
- Wie wird der Mitgliedsbeitrag bezahlt?
- Wie werden die internen Kommunikationskanäle genutzt?
- Was wird von neuen Mitglieder erwartet?
- Wie funktioniert das Bestellen?
- Wie funktioniert die Abholung und das Abrechnen?
- Wohin können offen Fragen gerichtet werden?
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Einführungstreffen: Üblicherweise treffen sich FoodCoop-Mitglieder bei der wöchentlichen Abholung und beim regelmäßigen Plenum. Beide Situationen sind für die Aufnahme neuer Mitglieder nicht ideal geeignet, weil andere Tätigkeiten und Themen Priorität haben. Natürlich können diese Möglichkeiten von neuen Personen genutzt werden, um in die FoodCoop-Welt hineinzublicken. Einzelne Fragen können dabei spontan beantwortet werden, aber Zeit für ausführliche Erklärungen ist meist nicht. Darum bieten FoodCoops für Interessierte eigene Einführungstreffen an. Ein, zwei alteingesessen Mitglieder nehmen sich dabei Zeit für eine umfassende Einführung und stehen für Fragen zu Verfügung. So ein Treffen kann z. B. alle zwei Monate vor der wöchentlichen Abholzeit angesetzt werden, dann können Interessierte gleich im Anschluss noch Einblick bekommen, wie die gerade vermittelte Theorie in der Praxis abläuft.
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Buddy-System: Ergänzend zu einem Einführungstreffen ermöglichen Buddys eine individuelle Phase des Ankommens in der FoodCoop. Buddys sind längerfristige Bezugsmenschen, die Neulingen persönlich Wissen weitergeben ҆ teils telefonisch oder per E-Mail, teils bei Treffen im FoodCoop-Lager. Diese 1 zu 1-Begleitung scheint zeitlich aufwendig, lässt sich aber gut verteilen, wenn mehrere erfahrene Mitglieder dafür zur Verfügung stehen. Buddys bieten eine sehr niederschwellige und nachhaltige Art der Einführung, weil sie über längere Zeit abrufbar bleiben u nd von Beginn an ein erster persönlicher Kontakt zur FoodCoop besteht.
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Probezeit: In vielen FoodCoops ist es üblich, dass neue Leute eine Probezeit durchlaufen, bevor sie „vollwertiges Mitglied“ der FoodCoop werden. Konkret kann dies so aussehen: Im ersten Monat sind die Neuen von ehrenamtlichen Engagement „befreit“, gleichzeitig sind sie auch bei Entscheidungen nicht stimmberechtigt. Neue Leute können diese Phase zur Orientierung im Verein nutzen. Alleine die Umstellung bei der Art und Weise des Beziehens von Lebensmitteln ist nicht zu unterschätzen. So sind wir es doch von allen anderen E inkaufsmöglichkeiten gewohnt, „bedient zu werden“. Als FoodCoop-Mitglied darf man das Bestellen nicht vergessen (muss also auch wissen, wie das Bestellen funktioniert) und am Abholtag muss man selbständig die bestellten Produkte einsammeln und abrechnen. Damit sind viele neue Mitglieder schon ausreichend gefordert. Zusätzlich ist auch wichtig, dass sich neue Mitglieder ein Bild von der FoodCoop-Kultur machen können, um sich selbst folgende Fragen beantworten zu können: Wie passe ich zur Gruppe? Wie möchte ich mich konkret im Verein engagieren? Die Probezeit dient nicht nur dem neuen Mitglied, auch die Gruppe kann sich in dieser Zeit ein Bild von der Person machen. Bei groben Bedenken kann die Aufnahme als Mitglied verwehrt werden. Dies klingt im ersten Moment hart, aber eine gut harmonierende Gruppe ist nun mal das Fundament einer FoodCoop.
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Einstiegsaufgaben: Sie sind oft Teil der Probephase, z. B. gemeinsam mit einem routinierten Mitglied einen Abholdienst übernehmen (die beste Möglichkeit, um neuen Mitgliedern einen Einblick in die Abläufe einer FoodCoop zu geben) oder sich selbst auf einem Plenum oder einer anderen internen Veranstaltung vorstellen.
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Gemeinsame Aktivitäten abseits des FoodCoop-Alltags: Alte wie neue Mitglieder sollen gerne Zeit in der FoodCoop verbringen. Nicht immer entsteht dieses Wohlgefühl alleine beim Produkte-Abholen oder während der Plenums-Sitzung. Zusätzliche Angebote sind wichtig. Sie ermöglichen ein ungezwungenes Kennenlernen der anderen Mitglieder, so entsteht gegenseitiges Vertrauen und ein persönlicher Bezug zur Gruppe. Gemeinsame FoodCoop-Aktivitäten müssen nicht zwingend mit dem „Alltagstätigkeiten“ zu tun haben: Wandertage, gemeinsames Jausnen, Kochen oder Brotbacken, selbstorganisierte Workshops, ein Bier nach dem Plenum, ...
Motivation aufrechterhalten
Ehrenamtliches Engagement soll Spaß machen und/oder Befriedigung verschaffen. Damit dies jahrelang der Fall ist, sollte ein bewusster Blick auf einige Faktoren gelegt werden.
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Mitbestimmung und Transparenz: Wer engagiert sich schon gerne, wenn die eigene Meinung nicht mitberücksichtig wird oder der Einblick in Abläufe verwehrt wird? Sorgt daher für offene Türen in eure Gemeinschaft.
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Effiziente Plena abhalten: Mitbestimmung von allen braucht seine Zeit, unendlich erscheinende Diskussionsrunden zu den immer gleichen Themen sind aber auch nicht das Ziel.
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Klare Kommunikation der Erwartungen: Vor allem den noch nicht so gut ein gebunden Mitgliedern fällt die Orientierung leichter, wenn ihnen ihr Pflichten von Anfang mitgeteilt werden. Anstatt Interessierte mit schwammigen Aussagen wie „Werde erstmal Mitglied, brauchst eh nix tun.“ zu ködern, bringt es mittelfristig deutlich mehr, mit offenen Karten zu spielen z. B. „Das erste Monat ist für dich als Schnupperphase da, danach muss jedes Mitglied dreimal im Jahr Abholdienst machen und regelmäßig beim Plenum teilnehmen.“
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FoodCoop als sozialen Treffpunkt nutzen: Stell dir vor, du hast das Vorbestellen vergessen, aber du hast trotzdem Lust in der FoodCoop auf einen Kaffee vorbeizuschauen. Gestaltet das Lager nicht nur als gemeinsame Speisekammer, sondern auch als zweites Wohnzimmer.
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Regelmäßiger Austausch mit den Lieferantinnen: FoodCoop Mitglieder wollen wissen, was sie essen. Eine FoodCoop ermöglicht einen engen Bezug zur Landwirtschaft. Ein wertschätzender Austausch mit den Bäuerinnen ist eine Quelle für Motivation. Für die Mitglieder ist es befriedigend konkret zu erleben, für was bzw. wen sie sich ehrenamtlich einsetzen.
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Sortimentpflege: Die wichtigsten Produkte in einer FoodCoop sind Grundnahrungsmittel wie Milch, Eier usw. Für Abwechslung sorgen aber saisonale Produkte und ausgefallenere Waren. Dabei kann es sich auch um kleine Mengen handeln, aus privaten Quellen etc. Nutzt die heimische Obstsaison, macht mal miteinander/füreinander verschiedene Brotaufstriche, seht euch wegen Bio-Weihnachtskeksen oder Jungpflanzen für den eigenen Garten um, ... Interne Veranstaltungen: Immer nur fürs Plenum zusammenkommen kann auf Dauer auch ermüdend sein. Trefft euch auch mal zum gemeinsamen Jausnen oder Kochen, macht einen Radausflug zu einem Bauernhof oder setzt euch mal zu einem Reflexionsnachmittag in die Natur.
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Lernräume schaffen: Stillt euren Wissensdurst! Bittet eure Gemüsebäuerin doch mal um Infos zur Lagerung der verschiedenen Kulturen, tauscht Kochrezepte untereinander aus oder informiert euch gegenseitig über die aktuelle Agrarpolitik.
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Raus aus der Blase: Manchmal fällt einem vor lauter routinierter Betriebsblindheit gar nicht mehr auf, wie toll eine FoodCoop ist. Ein Blick über den Tellerrand kann helfen. Nehmt an einer Veranstaltung zum Thema Landwirtschaft/Lebensmittel teil, stellt das FoodCoop-Modell in einer anderen Gemeinde vor, besucht eine benachbarte FoodCoop oder nehmt an einem Vernetzungstreffen teil. Eine FoodCoop betreiben ist eine Leistung, auf die man stolz sein kann. Freut euch, was ihr mit eurem Engagement in eurem Umfeld bewirkt!
Wissen erwerben und weitergeben
Eine bestehende FoodCoop ist in der Regel reich an Erfahrungen und Wissen, allerdings sind diese nicht gleichmäßig auf die Gruppe verteilt. Manchmal weiß wirklich nur ein Mitglied das Passwort für den E-Mail҇Zugang, die gesamte Food҇Coop-Kommunikation ist von dieser Einzelperson abhängig.ұAbgesehen von solchen strukturellen Schwachstellen ist eine FoodCoop auch zum Miteinander/ Voneinander҇Lernen gedacht bzw. um einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung der Mitglieder zu leisten. Es stellen sich also folgende zentrale Fragen:
- Wie kann vorhandenes Wissen allen in der Gruppe zugänglich gemacht werden?
- Wie kann verhindert werden, dass mit aussteigenden Mitgliedern auch wertvolle Erfahrung für die FoodCoop verloren geht?
Transparentes Arbeiten und Zugang für alle Mitglieder zu Dokumenten sind Teile der Antwort. Die Art und Weise, wie ein aussteigendes Mitglied die FoodCoop verlässt ebenso. Das heißt, Arbeitsgruppen halten kurz und knapp wichtiges Wissen in allen zugänglichen Dokumenten fest. Von Telefonnummern der Lieferantinnen über Passwörter etc. Solch eine Dokumentation kostet Zeit und die ist in ehrenamtlichen Strukturen oft knapp. Andererseits ersparen gute Aufzeichnungen auch mühsames Recherchieren von Informationen oder das Diskutieren der immer gleichen Themen. Neben dem organisatorischen Wissen sollte auch das inhaltliche Wissen dokumentiert werden. Dabei handelt es sich etwa um Berichte von Speisereisen oder am Plenum ausgearbeitete Grundsatztexte zu gewissen Themen z. B. warum fördert die FoodCoop kleinstrukturierte Biol-andwirtschaft?
Praxistipp: Ein E-Mail-Verteiler schafft transparente Kommunikation, dient ab er nu r dem Austausch aktueller Nachrichten. Zusätzlich braucht es ein allen zugängliches Archiv. Dies können reale Ordner oder Plakate im FoodCoop-Lager sein oder auch digitale Speicherplätze, sogenannte „Cloud-Speicher“ wie Dropbox.
Beziehungen mit Produzentinnen vertiefen
FoodCoops besitzen ein großes Potential für vertiefte Zusammenarbeit zwischen Konsumentinnen und Produzentinnen. Dies kann bis zur Abstimmung von Anbauplänen und A bnahmegarantien reichen. Die Initiative kann sich also in Richtung s olidarische Landwirtschaft entwickeln.
Achtung: Im an sich vorteilhaften Abholmodell lauert eine große Gefahr, denn ein direkter Kontakt zwischen Bäuerinnen und Mitgliedern ist d abei nicht nö tig. Die organisatorischen Fragen werden kurz per E-Mail geklärt und Inhaltliches oder Privates bleibt aufgrund von Zeitdruck im Alltag auf der Strecke. Damit kann der Austausch sogar unter das Ausmaß anderer Vermarktungsformen wie Bauernmärkten fallen! Beide Seiten leiden unter ein er solchen Situation. Die Mitglieder kaufen dann erst recht wieder „anonyme Produkte“, das Bedürfnis nach mehr Bezug zur Landwirtschaft und Hintergrundinfos wird nicht befriedigt. Die Lieferantinnen werden dies nicht nur an niedrigen Umsätzen zu spüren bekommen. Einer Bäuerin, die eine FoodCoop einfach nur beliefert wie ein Geschäft, entgeht dadurch die Chance, eine wertschätzende Vermarktungsform kennenzulernen, von der sie viel mehr als nur Geld haben könnte.
Das solltet ihr euren Lieferantinnen bewusst machen:
Die Vermarktung mit Hilfe von FoodCoops macht die Bäuerinnen zeitlich flexibler, sie entbindet aber die Bäuerinnen nicht gänzlich vom Vermarktungsaufwand. Sie sollten daher aktiv den Kontakt zu den Mitgliedern suchen! Eine Bäuerin, die zusätzlich zu den Lebensmitteln auch Informationen und Möglichkeiten des direkten Kontakts in die FoodCoop bringt, wird deutlich mehr Umsatz und Freude an der Initiative haben.
Die kommunikative Lieferantin
- bietet grundlegende Infos über sich und ihre Arbeit: Betriebsbeschreibung, Produktionsweise, Philosophie, ...
- hält ihr Angebot an Produkten aktuell und bietet Infos zu den Lebensmitteln (saisonale Besonderheiten, Inhaltsstoffe, Fotos, Rezepte, ...)
- informiert aktiv und rechtzeitig, w enn Bestellungen nicht er füllt werden können
- ist offen an der Teilnahme von FoodCoop-Veranstaltungen (Hofbesuche, Stammtische, ...
- erklärt ihre Preisgestaltung
- drückt Dankbarkeit aus, dass sich Konsumentinnen ehrenamtlich engagieren und bereit sind faire Preise zu zahlen Geht bitte nicht davon aus, dass die Lieferantinnen von selbst auf all diese Ideen kommen! FoodCoops sind für viele ein unerklärliches Gebilde, d. h. der erste Schritt muss von der Initiative kommen!
Praxistipp: Konkret könnt ihr eure Lieferantinnen zur Kommunikation ermuntern, indem ihr ihnen erklärt warum ich euch Informationen zu Produkten wünscht, welche Kommunikationsmöglichkeiten es dazu gibt und welchen Nutzen die Bäuerinnen davon haben.
Die kommunikativen Mitglieder
- organisieren Veranstaltungen, die Möglichkeiten zum persönlichen Austausch bieten
- liefern den Bäuerinnen Feedback (positives wie negatives)
- informieren die Bäuerinnen über die Besonderheiten einer FoodCoop
- drücken Wertschätzung für die oft harte bäuerliche Arbeit aus
Welche Informationen sollten an die Lieferantinnen gehen?
- Wünsche und Feedback zu Produkten: Für eine Direktvermarkterin ist nichts schlimmer als eine Konsumentin, die eine Anregung hat oder sich auch über etwas ärgert und dies nicht mitteilt. Die Folge ist, dass Produkte nicht gekauft werden und die Bäuerin nicht weiß, warum dies so ist. FoodCoops stehen genau für das Gegenteil, also für regen gegenseitigen Austausch.
- Änderungen von Rahmenbedingungen: Macht die FoodCoop in der Sommerurlaubszeit oder über die Weihnachtsfeiertage Bestellpause? Braucht eine FoodCoop im Herbst keine Äpfel weil ein Mitglied im privaten Garten genug Apfelbäume hat, um die FoodCoop zu versorgen? Usw.
Welche Informationen sollten nicht an die Lieferantinnen gehen?
- Manche FoodCoops nehmen alle ihre Produzentinnen einfach in den E-Mail-Verteiler auf. Dies ist nicht empfehlenswert, weil dann auch jeder einzelne unausgegorene Diskussionsbeitrag das Postfach der Bäuerinnen befüllt. Besser ist ein gezielter und gebündelter Austausch von Informationen.
- Für die Mitglieder ist eine FoodCoop ein sinnstiftendes Hobby, ihre wirtschaftliche Existenz hängt nicht davon ab. Für die Bäuerinnen soll sie aber ein verlässlicher Partner sein. Interne Abstimmungsprobleme werden daher auch in der FoodCoop gelöst und nicht nach außen geschoben! Konkret heißt das, die Rechnungen werden pünktlich bezahlt, auch wenn das dafür zuständige Mitglied eine längere Reise antritt und es verabsäumt hat, rechtzeitig ein anderes Mitglied als Ersatz einzuschulen.
Konkrete Möglichkeiten zum persönlichen Austausch
Bei aller Liebe zur Vielfalt an Möglichkeiten modernere Kommunikation ist das persönliche Gespräch weiterhin unersetzbar. Dafür sollten in der FoodCoop immer wieder mal Raum geschaffen werden. Möglichkeiten hierfür sind:
- Konsumentinnen-Produzentinnen-Stammtisch
- von der FoodCoop organisierte Themenabende und Diskussionsrunden
- Teilnahme von Lieferantinnen am Plenum (nur sinnvoll wenn passende Themen besprochen werden) Verkostungsstand im FoodCoop-Lager während der Abholzeit
- Besuche auf Bauernhöfen -> „Speisereisen“
Speisereise
In FoodCoops hat sich für den Besuch auf Bauernhöfen das Wort „Speisereise“ etabliert. Zumindest zwei Mal pro Jahr sollte eine organisiert werden. Das Ausmaß reicht von einer einstündigen Hofführung bis zu einem mehrtägigen Praktikum. Die Speisereise kann mit anderen FoodCoops gemeinsam gemacht werden, die von denselben Bäuerinnen beliefert werden. Ebenso können gleich mehre Bauernhöfe hintereinander besucht werden. Von einer Speisereise profitieren Mitglieder wie Lieferantinnen. Die Konsumentinnen erhalten enein authentischen Einblick, wie ihre Lebensmittel produziert werden. Für die Bäuerinnen ist es eine effektive Methode der „Kundenbindung“. Häufig steigen die Umsätze nach einer Speisereise, weil die Mitglieder gerne von „ihrem“ Betrieb Produkte beziehen. Sie entwickeln ein Verständnis für die Abläufe in der Landwirtschaft und fragen verstärkt saisonale Produkte nach. Dieser Nutzen ist für die Lieferantinnen nicht automatisch ersichtlich, ein Vorgespräch ist daher sinnvoll. Dabei kann auch gleich über ein weiteres wichtiges Thema geredet werden: Eine Speisereise setzt eine gewisse Offenheit bei den Lieferantinnen voraus, denn für Bäuerinnen ist es meist nicht alltäglich, dass eine Gruppe kritischer Konsumentinnen den Arbeits- und auch privaten Lebensalltag begutachtet. In einem Vorgespräch kann erklärt werden, dass es sich nicht um eine Kontrolle (aufgrund anderer Erfahrungen reagieren dar auf nicht wenige Bäuerinnen „empfindlich“), sondern um einen wertschätzenden Besuch und einen Austausch auf Augenhöhe handelt.
Organisation
Der Organisationsaufwand für eine Speisereise ist überschaubar, im Prinzip geht’s nur um das Finden von einem Termin. In der bäuerlichen Arbeitssaison gibt es Zeiten mit mehr oder weniger „Luft“ für Besuche. Gleichzeitig soll der Termin auch möglichst passend für möglichst viele Mitglieder sein (alle können nie).
Praxistipp: Erfragt bei einem Bauernhof zwei bis drei Terminvorschläge, dann könnt ihr per „doodle“ gemeinsam den besten Termin für die Gruppe auswählen.
Dokumentation
Die Eindrücke der Speisereise sollen auch für die Nachwelt festgehalten werden, dazu braucht es zumindest eine Person die ein Protokoll schreibt bzw. einen Bericht verfasst und eine Person die Fotos macht. Nach der Speisereise kann dann an alle Mitglieder ein Dokument verschickt werden, ein Plakat in der FoodCoop aufgehängt werden oder sogar ein Infoabend veranstaltet werden. Warum ist das so wichtig?
Ziel einer FoodCoop ist es, dass jedes Mitglied jeden Bauernhof zumindest einmal besucht hat. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Zustand praktisch unmöglich zu erreichen ist, denn es haben nie alle an dem einen Termin Zeit und es kommen ja auch neue Mitglieder erst nach der Speisereise dazu. Für die nicht dabei gewesenen Mitglieder ermöglicht die Dokumentation zumindest eine indirekte Information.
Bewusstseinsbildung fördern
Die wichtigste Zielgruppe für Bewusstseinsbildung sind die eigenen Mitglieder! Danach folgt das nahe Umfeld, also Lieferantinnen, potentielle Mitglieder und „Partner“ wie Gemeinden, andere Vereine usw. Erst dann kommt die allgemeine Öffentlichkeit, die über Zeitungen etc. erreicht wird.
Bewusstseinsbildung für die eigenen Mitglieder
Eine FoodCoop will eine sinnvolle Bezugsquelle bzw. ein Absatzweg für Lebensmittel sein, den Mitgliedern dabei einen vertieften Einblick in die Vorgänge der Lebensmittelproduktion ermöglichen und den Bäuerinnen Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenbringen. Soweit die Theorie, aber welche Auswirkungen hat eine FoodCoop tatsächlich bzw. wie können diese Ziele erreicht werden? Für den „Reality Check“ braucht es regelmäßigen Informationsfluss.
Stellt euch in eurer FoodCoop mal folgende Fragen:
- Wissen die Mitglieder (auch die ne ueren) wirklich Bescheid über Entstehungsprozesse der Produkte oder den Arbeitsalltag der Lieferantinnen?
- Lernen die Mitglieder im Umgang mit Lebensmitteln dazu? Austausch von Rezepten, Tipps zur richtigen Lagerung, ...
- Wisst ihr, welcher konkrete Nutzen bzw. Aufwand den Lieferantinnen durch die FoodCoop entsteht?
- Habt ihr je mit euren Lieferantinnen darüber diskutiert, mit welchen Handlungen den Bäuerinnen am meisten geholfen wäre?
- Wie steht es um Wissen zu Auswirkungen von (Agrar-)Politik auf eure Lieferantinnen, ist das Konzept von Ernährungssouveränität bekannt?
- Wie sehen die Lieferantinnen die FoodCoop? Kennen sie die Motive der Mitglieder für ihr ehrenamtliches Engagement? Erhalten sie wertschätzendes Feedback, Auskunft über Zufriedenheit oder Wünsche?
Nein? Dann wird’s Zeit für FoodCoop-internen Journalismus und die Einführung eines Rundbriefes etc.
Öffentlichkeitsarbeit
Öffentlichkeitsarbeit im nahen Umfeld (um zusätzliche Mitglieder zu finden)
Das „Anwerben“ weiterer Mitglieder hat mit klassischer Öffentlichkeitsarbeit recht wenig zu tun. Natürlich kann es vorkommen, dass jemand in eurer Nähe durch einen allgemeinen Zeitungsbericht zum Thema FoodCoops ausreichend Eigenmotivation entwickelt und sich genau eurer FoodCoop anschließt. Aber rechnet mal eher nicht damit. Stellt euch stattdessen folgende Fragen:
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Wer sind konkret potentielle Mitglieder? Eure FoodCoop kommt nur für Menschen in Frage, die in der Region wohnen, Interesse an Lebensmittel haben, selbst kochen, Zeit und Motivation für ehrenamtliches Engagement haben und in eure Gruppe passen. Das können Studentinnen-WGs sein, junge Familien, Pensionistinnen etc. – im Prinzip Leute wie ihr!
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Wie kann diese Zielgruppe erreicht werden? Von klassischer Werbung oder gar bezahlten Inseraten ist definitiv abzuraten, da die Zielgruppe nicht genau genug angesprochen wird. Berichte in Gemeindezeitungen, Bezirksblättern etc. bringen schon mehr, weil sie zumindest geographisch richtig eingrenzen, aber rein das Lesen eines Artikels reißt die meisten Konsumentinnen nicht aus ihrer Passivität heraus. Die beste Möglichkeit ist und bleibt Mundpropanda, viele neue Mitglieder kennen schon vorher jemanden aus der FoodCoop. Das ist auch logisch, denn in einem persönlichen, vertrauten Gespräch kann am leichtesten erklärt werden, wie eine FoodCoop funktioniert und vor allem warum sie toll und wichtig ist. Andererseits ist es auch praktisch, denn Freundinnen von Mitgliedern passen meistens gut in die Gruppe und sie haben für anfängliche Fragen auch gleich eine konkrete Ansprechperson. Daher sind alle Mitglieder aufgerufen im eigenen Umfeld Leute anzusprechen: Freundinnen, Arbeitskolleginnen, Vereinskolleginnen, ...
Ist der private Dunstkreis ausgeschöpft kann gezielt „Werbung“ verbreitet werden, wobei die Informationen hierfür gut aufbereitet sein sollten. Entweder ihr gestaltet eine Broschüre oder ihr ladet immer wieder mal zu einem Infoabend ein. Bewerbt die FoodCoop gezielt dort, wo potentielle Mitglieder erreicht werden: am schwarzen Brett der Kindergartengruppe, beim Elternsprechtag in der Schule, beim Seniorinnenausflug, im Kino, wo gerade eine Dokumentation über Landwirtschaft gezeigt wird, auf der Universität, ...Achtung: Eine eigene Homepage mit genauen Informationen über Mitgliedschaft und die Verwendung von eigenen Social Media Kanälen ist ZUSÄTZLICH empfehlenswert, ersetzt aber nicht die Mundpropaganda bzw. das gezielte Informieren!
Infostände etc.
FoodCoops erhalten immer wieder Angebote für Infostände auf Messen oder größeren Events oder gar Anfragen wegen Verkaufsständen, Buffets oder Catering. Hohe Standgebühren sind sowieso ein Ausschlussgrund, aber auch sonst ist in der Regel der Arbeitsaufwand hoch, der Nutzen gering.
Bei „Nicht nur Infoständen“ sind auch rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, das Verkaufen von Produkten solltet ihr euren Lieferantinnen überlassen!
Der Aufwand für Infostände lohnt sich nur, wenn die richtige Zielgruppe konzentriert vor Ort ist und/oder das Publikum konkret angesprochen werden kann. Das ist entweder bei einer inhaltlich passenden Veranstaltung möglich, wo nur einschlägig interessiertes Publikum anwesend ist (z. B. Teilnahme an Podiumsdiskussion bei einem Filmabend) oder auch bei allgemeineren kleineren Festen oder Gemeinde- veranstaltungen etc., wo auf lokaler Ebene ein Bezug zur eigenen FoodCoops hergestellt werden kann.
Breite Öffentlichkeitsarbeit
FoodCoop-Mitglieder wollen nicht nur für sich selbst eine Einkaufsmöglichkeit schaffen, sondern die Welt ein Stück weit verbessern. Im Kleinen leisten FoodCoops dafür einen wichtigen und praxisorientierten Beitrag, es werden Absatzwege für regionale Bauernhöfe geschaffen usw. Die unmittelbaren Tätigkeiten einer FoodCoop haben allerdings wenig Breitenwirksamkeit.
Da FoodCoops sich in der Regel als Initiativen für Ernährungssouveränität verstehen und somit auch gesamtgesellschaftlich Denkanstöße liefern möchten, ist auch die breite Öffentlichkeit eine wichtige Zielgruppe. Informationen, die an eine breite Öffentlichkeit gerichtet sind (über Zeitungsartikel, eigene Infozettel, ...), erfüllen nur dann ihren Zweck, wenn auch für Leute, die noch nie von einer FoodCoop gehört haben klar wird, um was es geht. Dies ist nicht so leicht, wie es sich anhört.
Umgang mit Medien
Einerseits berichten Medien aller Art gerne über innovative Projekte und sind daher FoodCoops gegenüber offen und positiv eingestellt. Andererseits beinhalten die Beiträge aber überdurchschnittlich vie le lustige oder lästige Fehler, die in manchen Fällen auch konkrete negative Auswirkungen haben können. Denn durch Medienberichte werden sowohl „klassische Konsumentinnen“ als auch Behörden auf die FoodCoop aufmerksam. Fehlinformationen können dabei zu Mehraufwand bzw. Unannehmlichkeiten führen. So wurde eine FoodCoop in einem Artikel verkürzt als „tolle Einkaufsmöglichkeit für regionale Bioprodukte“ beschrieben. Am nächsten Abholtag sta nden dann einige Leute im FoodCoop-Lager, die eben einkaufen wollten. Sie reagierten zuerst verwirrt, weil sie niemand bediente, dann enttäuscht weil sie nichts bekamen. Ebenso ist es schon vorgekommen, dass Mitarbeiter einer Stadtverwaltung eine FoodCoop als illegales Geschäft ansahen und kontrollierten, weil sie in der Zeitung von einer „Shop Neueröffnung“ gelesen hatten, die nicht bei ihnen gemeldet war.
Vorab zu wissen:
- „Was wollen wir als FoodCoop mit dem Artikel bewirken?“ Geht’s um das Ansprechen neuer Mitglieder, um Bewusstseins- bildung? Was soll die zentrale Kernaussage des Artikels sein?
- Vorbereitet sein: Journalistinnen arbeiten oft unter Zeitdruck und fordern kurzfristig konkrete Ansprechpersonen, druckfähige Fotos, Besichtigungstermine etc. Es ist daher hilfreich, schon vorab zu klären, welche Informationen die FoodCoop nach außen kommunizieren will und wer Anfragen beantwortet. Auch aussagekräftige Fotos in Druckqualität „auf Vorrat“ erleichtern die Rückmeldung. Zu Fotos gehören eine Beschreibung, welcher Vorgang auf dem Foto dargestellt ist, und die Copyright Angabe.
- Nicht jeder Anfragewunsch muss erfüllt werden, lasst euch weder stressen, noch verbiegen. Teilweise haben Medien völlig falsche Vorstellungen, mit wem sie es zu tun haben. Um dies zu verbessern, kann jede negative Antwort auch gleich eine aufklärende Information sein: „Nein, wir können Ihnen keine Telefonnummer geben, die sie in ihrem Bericht veröffentlichen können, weil wir kein kommerzieller Bestellshop sind, sondern ...“. Auch Telefoninterviews sind legitim und sind aus zeitlichen Gründen häufig im Sinne aller Beteiligten.
Tipps für Interviews und sonstige Medienauftritte:
- Für die Mitglieder, die Medienanfragen erledigen: Mach klar wer du bist, also dass du als Privatperson, einfaches Mitglied, bewusste & engagierte Konsumentin sprichst (egal ob du im Verein laut Statuten eine Funktion bekleidest oder nicht). Ansonsten nehmen Journalistinnen oft automatisch an, dass sie es mit der „Geschäfts- betreiberin“, Chefin, Alleinverantwortlichen, ... zu tun haben. Erkläre (auch ungefragt), dass es sowas in der FoodCoop nicht gibt, weil eine FoodCoop eben kein Geschäft ist (siehe nächster Punkt) und warum eine FoodCoop basisdemokratisch organisiert ist.
- „Eine FoodCoop ist kein Geschäft!“ Eine FoodCoop ist für die allermeisten Leute etwas komplett Neues, das heißt du musst sowohl für die Journalistin, als auch für die Leserinnen bei Null anfangen zu erklären. Zähl alles Wesentliche auf, was deine FoodCoop von einem Geschäft unterscheidet (siehe Teil 1 des Handbuchs).
- Stell dir auch während des Interviews die Frage: Welche zentrale Botschaft will ich vermitteln? Die konkreten Fragen von Journalistinnen beziehen sich oft rein auf die Funktionsweise, nicht auf die Motive und Ziele einer FoodCoop. Bring immer wieder bewusst inhaltliche Aspekte ein, um zu vermeiden, dass sich der halbe Artikel nur um das Abrechnungssystem oder Hygienebestimmungen dreht. Willst du z. B einen Denkanstoß liefern, dann ist es viel wichtiger deine Kritik an ausbeuterischen Methoden in der Lebensmittelproduktion anzubringen, anstatt detailliert das Pfandsystem in deiner FoodCoop zu erklären. Konzentrier dich auf das WARUM? Warum gehst du nicht einfach in den Supermarkt einkaufen? Warum gab es in deiner Gemeinde die Notwendigkeit eine FoodCoop zu gründen? Was will die FoodCoop erreichen? Was gefällt dir an der Mitglied-schaft? Werden dir solche Fragen nicht am Beginn gestellt, dann bring sie selbst aktiv ein: „Zuerst will ich erklären, warum ich über-haupt bei einer FoodCoop dabei bin ...“
- Regelmäßig kommt auch die Frage nach konkreten Preisen bzw. ob eine FoodCoop im Vergleich zu anderen Bezugsmöglichkeiten billiger oder teurer ist. Die Frage ist n atürlich gerechtfertigt und auch interessant, bei zu knapper Beantwortung kann aber nicht vermittelt werden, dass der Preis nicht das wesentliche Element der FoodCoop-Idee ist. Leider ist weiterhin für viele Konsumentin-nen der Preis der wichtigste oder gar einzige Faktor beim Lebensmitteleinkauf. Überleg dir wie du verhindern kannst, dass bei den Leserinnen einfach nur hängen bleibt: „Eine FoodCoop ist teuer und somit uninteressant“ oder „Eine FoodCoop ist billig, darum will ich dort einkaufen.“
Beim Preisthema können wertvolle Botschaften vermittelt werden, etwa dass wesentliche FoodCoop-Ziele sind, den Bäuerinnen angemessene Preise zu bezahlen (ohne dass dabei überteuerte Preise für die Mitglieder zustande kommen), transparente Geldflüsse zu gewährleisten, Wertschöpfung in der Region zu halten usw.
- Bitte darum, dass du den Bericht vor der Veröffentlichung Korrektur lesen darfst. Viele Journalistinnen nehmen dies sogar dankbar an (solange es in ihren Zeitplan integrierbar ist). Ein Belegexemplar nach der Veröffentlichung sollte ebenso selbstverständlich sein.
- Medien lieben persönliche Geschichten und direkte Zitate. Es ist gar nicht so leicht, einfache, knackige Botschaften zu formulieren, die aber nicht so verkürzt sind, dass sie missverstanden werden können. Welche deiner Sätze sind geeignet, dass sie 1 zu 1 in den Bericht übernommen werden? Bei Fragen, die ihr nicht souverän beantworten könnt (z. B. aus einem rechtlichen Bereich), verweist besser an Beratungsstellen, anstatt euch Halbwahrheiten zusammenzureimen.
- Ein Zeitungsartikel etc. hat meist nur einen sehr begrenzten Platz für Text und oft gibt die Journalistin selbst einen The- menschwerpunkt vor. Achte darauf, dass im Bericht ausrei- chend Kontaktmöglichkeiten angegeben sind, z. B. der Link zur eigenen Homepage. Dort können sich z. B. konkret Interessierte ausführlich darüber informieren, wie sie Mitglied werden können.
Finanzielles im laufenden Betrieb
Das Generieren von Startkapital wurde in Teil 2 schon beschrieben. Eine laufe nde FoodCoop mit genügend Mitgliedern hat fast keine Geldsorgen, die Mitgliedsbeiträge sind eine sichere Einnahmequelle und abseits der bekannten, laufenden Kosten (Miete, Softwaregebühren, ...) gibt es kaum Ausgaben. Was tun, wenn Geld übrig bleibt?
- Mitgliedsbeiträge senken. Diese haben ja nur den Zweck die laufenden Kosten zu decken.
- Ein größeres (und damit meist teureres) Lager suchen, damit mehr Mitglieder aufgenommen werden können (nur sinnvoll wenn es tatsächlich Interessierte gibt).
- Externe Personen für Auftragsarbeiten engagieren (z. B. einen Grafiker für neue Flyer) oder eine Person geringfügig anstellen (z. B. für die Buchhaltung).
- Veranstaltungen im Sinne der Vereinsziele organisieren. Spenden an andere FoodCoop-Neugründungen, die IG FoodCoops oder an anderweitige Projekte für Ernährungssouveränität vergeben.
- Reserven ansparen. Es ist immer gut, wenn ein Polster für einmali- ge Anschaffungen (neuer Kühlschrank etc.) vorhanden ist. Weiters müssen die Mitgliedsbeiträge nicht sofort erhöht werden, wenn die FoodCoop mal eine Zeit lang weniger Mitglieder hat.
Solange der Puffer durch Mitgliedsbeiträge (auch Spenden und Förderungen sind zulässig) zustande kommt, handelt es sich rechtlich gesehen um ein en „Zufallsgewinn“. Als Faustregel gilt: Übersteigen die Ansparungen nicht den Jahresumsatz der FoodCoop, ergeben sich dadurch keinerlei Konsequenzen und das Geld kann einfach als allgemeiner Polster am Konto liegen. Achtung, der Wert der v ermittelten Lebensmittel zählt nicht zum Umsatz der FoodCoop, der Jahresumsatz besteht nur aus Mitgliedsbeiträge, Spenden, Förderungen, ... Überschüssiges Geld an die eigenen Mitglieder auszahlen ist rechtlich nicht möglich!
Blick über die eigene FoodCoop hinaus: Vernetzung, Ernährungssouveränität
Vernetzung mit anderen FoodCoops
Seit der Gründung der ersten FoodCoops in Wien stehen die Initiativen untereinander in Kontakt, um sich gegenseitig zu unterstützen, Erfahrungen auszutauschen oder gemeinsame Aktivitäten zu organisieren. Mittlerweile gibt es in Österreich rund 80 FoodCoops. Der regionale Austausch ergibt sich oft „automatisch“ durch persönliche Bekanntschaften oder gemeinsame Lieferantinnen. Doch auch überregional wurde in den letzten Jahren bereits viel zusammengearbeitet, unter anderem in folgenden Bereichen:
- Unterstützung von Neugründungen durch Beratung, Know-how-Transfer, Spenden, ...
- Gemeinsame Speisreisen, Lieferantinnen-Empfehlungen, gemeinsame Liefer-Logistik
- Bereitstellung von EDV Infrastruktur
- Gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit, sowohl online als auch auf Veranstaltungen
- Dokumentation von Wissen, Forschung und Weiterentwicklung, Theorie-Diskurs
- Organisation von Vernetzungstreffen bzw. reger Austausch über das online-Forum
Nach jahrelanger informeller Zusammenarbeit haben sich viele Initiativen mittlerweile zur „Interessensgemeinschaft FoodCoops“ zusammengeschlossen. Die IG steht allen, die sich mit den grundsätzlichen Werten und Zielen identifizieren, offen. Wie in FoodCoops üblich kann auch in der IG jedes Mitglied mitarbeiten und mitbestimmen. Ein Beitritt ist ausdrücklich zu empfehlen, einerseits weil der Austausch mit den anderen Initiativen sicher bereichernd ist, andererseits um dem Thema FoodCoops österreichweit mehr Gewicht zu verleihen. Weitere Informationen: https://www.foodcoops.at
Verbindung zur Bewegung für Ernährungssouveränität
FoodCoops können die Welt nicht alleine retten, ihr Wirkungsbereich ist auf das unmittelbare lokale Umfeld begrenzt. Wesentliche FoodCoop-Ziele, wie etwa die Aufrechte rhaltung unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft und regionaler Wertschöpfungsketten, sind mit Engagement vor Ort alleine nicht zu erreichen. Zu groß ist der Einfluss von Politik, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem auf die Rahmen-bedingungen. Seien es Hygienegesetze bei der Produktion, die Gestaltung des monetären Abgabensystems und der Förderungen oder indirekte Faktoren wie Preisentwicklung am Markt oder die Verknappung von le istbaren Ackerflächen: Die Zukunft unserer Landwirtschaft wird bei weitem nicht nur durch das Einkaufsverhalten der Konsumentinnen entschieden. Darum schließen sich viele FoodCoops der Bewegung für Ernährungssouveränität an, die sich auch auf überregionaler Ebene für eine faire Umgestaltung unseres Agrarsystems einsetzt.
Was bedeutet Ernährungssouveränität? Wie das FoodCoop-Modell steht auch das Konzept der Ernährungssouveränität für Selbstbestimmung und Demokratisierung. Konsumentinnen und Produzentinnen schließen sich zusammen, um dem Interessenskonflikt aus leistbaren Preisen und fairer Entlohnung gemeinsam zu begegnen. Ziel ist eine sozial und ökologisch verträgliche Landwirtschaft unter lokaler Kontrolle. Abgelehnt wird die Ausbeutung von Mitmenschen und Umwelt, vor Ort genauso wie in anderen Regionen dieser Welt. Lebensmittel werden nicht als beliebige Ware auf einem gl obalisierten Markt b etrachtet, sondern Essen als Grundbedürfnis angesehen. Jeder Mensch hat daher das Recht auf gesunde, regional und kulturell angepasste Ernährung. Weitere Informationen: http://www.ernährungssouveränität.at
Grenzen des Modells, mögliche Weiterentwicklung
Dem FoodCoop-Modell sind in gewisser Weise natürliche Grenzen gesetzt. Die basisdemokratische Organisationsform, die Selbstverwaltung mit rein ehrenamtlichen tätigen Mitgliedern, das auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Abrechnungssystem, ... das alles funktioniert für Gruppen, die in der Regel 30 bis knapp 100 Haushalte umfassen. Manche FoodCoops legen daher Mitgliederobergrenzen fest, um die internen Strukturen nicht zu überlasten. Für die FoodCoop selbst eine übersichtliche Gruppe gruppendynamisch vorteilhaft, solange genügend Mitgliedsbeiträge eingehen. Dies trifft aber nicht auf die Lieferantinnen zu, die ja durch die FoodCoops unterstützt werden sollen. Denn:
Aus bäuerlicher Sicht hat eine FoodCoop zwei Schwachpunkte: Erstens sind die bestellten Mengen oft zu gering, um einem Betrieb als ernsthaftes wirtschaftliches Standbein zu dienen. Zweitens sind die Bestellungen immer nur für ein paar Tage im Voraus verbindlich, also wenn in der einen Woche viel Salat bestellt wird, sagt das nichts über die Salatmenge in der nächsten Woche aus.
Das Modell könnte sich daher in Richtung Solidarische Landwirtschaft entwickeln, um Bestellmenge und Verbindlichkeit zu erhöhen. So könnte z. B. eine FoodCoop ihrer Gemüsebäuerin garantieren, dass sie jede Woche saisonales Gemüse im Mindestwert von 300 Euro abnimmt. Dazu muss die FoodCoop nicht einmal besonders groß sein, 30 Mitglieder, die jeweils um 10 Euro bestellen, reichen.
Das FoodCoop-Modell hat noch einen weiteren Schwachpunkt: Es spricht nur Konsumentinnen an, die bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Für die vielen Menschen, die zwar einen bewussten und gezielten Einkauf von Lebensmitteln befürworten, denen es aber an Zeitressourcen bzw. Motivation für Mitarbeit in selbstorganisierten Strukturen fehlt, sind FooCoops kein passendes Angebot.
Eine FoodCoop nicht nur für aktive Mitglieder?
Es stellt sich deshalb die Frage, ob denn Engagement aller Mitglieder zwingende Voraussetzung sein muss. Eine mögliche Antwort könnte das folgende Konzept sein: Das „Gemeinschafts-G'schäft" ist eine Mischung aus FoodCoop und klassischem Geschäft. Der Anspruch an das Modell ist, positive Faktoren beider Seiten zu kombinieren. Einerseits sollen die basisdemokratischen Organisationsform und damit einhergehend das Potential für Bewusstseinsbildung durch Mitgestaltung erhalten bleiben. Andererseits soll ein Gemeinschafts-G ́schäft auch jenen Konsumentinnen offen stehen, die sich nicht aktiv in einer Initiative engagieren wollen, sondern ihre ideellen Ziele lediglich durch bewusstes Einkaufsverhalten fördern möchten.
Wer macht dann die Arbeit?
Es ist prinzipiell denkbar, dass besonders engagierte Mitglieder sämtliche anfallenden Tätigkeiten erledigen und so die Inaktivität der anderen Mitglieder ausgleichen. die rein ehrenamtliche Organisationsform stößt in der Praxis jedoch recht schnell an ihre Grenzen. Realistischer ist es daher, dass der Verein für gewisse Tätigkeiten auf bezahlte Arbeitskräfte zurückgreift.
Woher kommt das Geld für den Lohn?
FoodCoops finanzieren sich üblicherweise durch Mitgliedsbeiträge. Dieses System funktioniert jedoch nur, wenn die laufenden Kosten möglichst niedrig bleiben, also konkret je nach Mitgliederzahl unter 200 bis 300 Euro im Monat. Als Haupteinnahmequelle dienen beim Gemeinschafts-G ́schäft Preisaufschläge wie im klassischen Lebensmittelhandel. Die Konsumentinnen wählen zwischen zwei Varianten der Mitgliedschaft im Verein, aktiv oder passiv. Mit der „aktiven Mitgliedschaft" verpflichten sie sich zu ehrenamtlicher Mitarbeit. „Passive Mitglieder" müssen keine Aufgaben übernehmen, zahlen dafür aber höhere Preise für die Produkte. Achtung, die daraus entstehenden Einnahmen sind zu versteuern, zudem benötigt der Verein für die Variante mit den Preisaufschlägen sehr wohl eine Gewerbeberechtigung.
Das Gemeinschafts-G‘schäft ist noch nicht in die Realität umgesetzt, Pilotprojekte sind in Vorbereitung. Das Projekt „Appetit auf Zukunft“ erforscht laufend neue Wege der Lebensmittelversorgung, Anregungen sind ausdrücklich erwünscht! http://www.bio-austria.at/aaz
Rechtliches zu FoodCoops
In den ersten drei Teilen des Handbuch wurden die rechtlichen Themen bewusst sehr kurz gehalten, um den Fokus auf inhaltliche Zusammenhänge nicht zu beeinträchtigen. Dafür bietet der vierte Teil nun ausführliche Erklärungen, wie das FoodCoop-Modell in rechtliche Rahmenbedingungen eingebettet werden kann.
Achtung: Sämtliche Inhalte des Kapitels wurden nicht von einem Juristen oder dergleichen verfasst und sind daher nicht mit einer einschlägigien Rechtsberatung gleichzusetzen.
FoodCoops als Vereine
Bevor ihr euch in die Vereinsgründung stürzt, sollte zuerst die Frage geklärt werden, ob diese Rechtsform für euer konkretes Modell überhaupt notwendig ist. Eine FoodCoop muss nämlich nicht zwingend als Verein organisiert sein und kann ohne weiteres auch eine lose Gruppe von mehreren Privathaushalten sein. Manche FoodCoops existieren auch als Teilprojekte von Dorfentwicklungsvereinen oder die Gemeinde fungiert rechtlich gesehen als Träger des Projekts. Die Gründung eines eigenen Vereins ist also kein Muss.
Allerdings schafft ein Verein sowohl rechtlich als auch grup- pendynamisch einen günstigen Rahmen. Ein Verein gilt als juristische Person und kann daher in eigenem Namen zum Beispiel ein Bankkonto eröffnen, Räumlichkeiten anmieten, Spenden sammeln etc. Ohne diese Gemeinschafts-Rechtsform müsste eine einzelne Privatperson etwa die Teilbeträge einer Sammelbestellung einsammeln oder den Mietvertrag unterschreiben. Diese Privatperson würde im Ernstfall dann alleine zur Rechenschaft gezogen werden. Durch einen Verein werden Haftungsfragen und dergleichen auf mehrere Schultern verteilt, was ja ein wesentlicher Grundgedanke der FoodCoop-Idee ist.
Der Aufwand der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung bleibt euch auch ohne Vereinsgründung nicht erspart. Auch als lose Personengruppe sind unbedingt Aufzeichnungen zu führen, aus denen ersichtlich ist, dass hier nicht eine Person, auf die das Konto läuft, einen „illegalen“ Lebensmittelhandel mit Gewinnabsicht betreibt, sondern lediglich das Geld der einzelnen Haushalte einsammelt, um die Sammelbestellung zu bezahlen.
Den rechtlichen Rahmen für Vereine schaffen das Vereinsgesetz 200 2 und auch die Vereinsrichtlinien 2001. Beides ist im Internet einfach auffindbar.
Zu beachten ist, dass auch andere Rechtsbereiche (Hygienegesetze, Gewerbeordnung, ...) Gültigkeit haben! Ein Verein muss sich nicht nur an vereinsrechtlicheVorschriften hal ten!
Nicht zu unterschätzen ist, dass ein Verein einen Nährboden für die Entwicklung eines „Wir-Gefühls“ schafft. Diese Bedingungen können natürlich auch anders erreicht werden, aber insbesondere für neue Personen bewirkt ein formaler Beitritt auch eine emotionale Bindung an die FoodCoop. Der Übergang von der Sichtweise „ich bestelle bei einer Gruppe mit“ zu „ich bin Teil der Gruppe“ wird dadurch erleichtert.
Die Vorzüge eines Vereins sind vielfältig, Aufwand und Kosten dafür sind niedrig. Nicht jeder kleine Freundeskreis braucht eine eigene Rechtsform. Sobald aber die FoodCoop über ein geschlossenes Privatnetzwerk hinausgeht bzw. gewisse Strukturen entwickeln will (z. B. ein angemietetes FoodCoop- Lager im Dorfzentrum), ist die Gründung eines Vereins auf jeden Fall empfehlenswert.
Vereinsstatuten für FoodCoops
Die Herausgabe fertiger Vereinsstatuten für FoodCoops erschien aufgrund der Verschiedenheit der einzelnen Initiativen als nicht sinnvoll. Stattdessen bieten die folgenden Seiten einen „Werkzeugkoffer“, der euch die Erstellung eigener FoodCoop-Vereinsstatuten ermöglichen soll.
Die Tipps zur Einbindung aller Mitglieder aus den vorigen Teilen des Handbuchs gelten auch hier! Die Erstellung der Statuten sollte ebenso wie alle anderen wichtigen Schritte bei der Gründung ein gemeinsamer Prozess sein.
Vorgehensweise zur Erstellung eigener Vereinsstatuten:
1) Besorgt euch eine Statutenvorlage. Das Bundesministerium für Inneres bietet auf seiner Website neben vielen anderen nützlichen Informationen zu Vereinen auch Musterstatuten an.
Achtung es gibt zwei Versionen, in der Standardversion sind die für die Gemeinnützigkeit notwenigen Zusatzformulierungen NICHT enthalten! http://www.bmi.gv.at
2) Eignet euch Basiswissen an. Die IG Kultur Wien hat eine äußerst lesenswerte Broschüre zum Thema Vereinsgründung herausgebracht, zu finden unter dem Titel „Kulturverein gründen und betreiben“.
Achtung, die dortigen Erklärungen sind auf gemeinnützige Vereine ausgerichtet, insbesondere die Aussagen zu Steuerpflichten gelten nicht automatisch für jeden Verein! Es stehen auch Musterstatuten zur Verfügung, die den Bedingungen der Gemeinnützigkeit entsprechen. http://www.igkulturwien.net.
3) Wählt aus dem Werkzeugkoffer diejenigen Tipps und FoodCoop- spezifischen Formulierungen aus, die zu eurer eigenen Initiative passen und integriert diese in die Statutenvorlage.
4) Nehmt bei Unklarheiten zusätzliche Beratung in Anspruch! Es reichen zum Teil schon kleine Abweichungen bei den Formulierungen, um rechtlich anders beurteilt zu werden. Nutzt persönliche Kontakte zu rechtskundigen Personen! In Oberösterreich steht das Projekt „Appetit auf Zukunft“ als erste Anlaufstelle zur Verfügung (www.bio-austria.at/aaz).
Werkzeugkoffer für FoodCoop-Vereinsstatuten
Wichtiger Hinweis zur Verwendung Der Werkzeugkoffer bietet keine vollständige Vorlage für Vereinsstatuten, er dient lediglich als Unterstützung bei der Erstellung, indem die für FoodCoops relevantesten Punkte kommentiert.
Name und Vereinssitz
Laut Vereinsgesetz (§4 Abs.1) braucht jeder Verein einen unverwechselbaren Namen , der einen Schluss auf den Vereinszweck zulässt, z. B. „ Der Verein führt den Namen Food C oop Apfelputz.“ oder „ Der Verein führt den Namen Apfelputz – Food C oop für Ernäh- rungssouveränität in Linz.“
Beim Vereinssitz reicht die Angabe des Ortes ohne genaue Adresse. „Er hat seinen Sitz in Linz.“
Wird auch der Tätigkeitsbereich angegeben, so ist es wichtig, sich durch die Statuten nicht selbst einzuengen. Wird als Tätigkeitsbereich etwa nur der Ort des Vereinssitzes genannt, so ist es laut Statuten nicht möglich, dass der Verein eine Veranstaltung außerhalb des Ortes mitorganisiert. Es spricht nichts dagegen den Tätigkeitsbereich ganz wegzulassen oder ihn großzügig „auf die ganze Welt“ zu definieren.
Vereinszwecke
Die Vereinszwecke beschreiben das große Ziel, also was ganz allgemein mit dem Verein erreicht werden soll. Ein Verein kann durchaus mehrere große Ziele verfolgen, ja es müssen sogar alle Vereinszwecke vollständig, klar und umfassend beschrieben werden. Überlegt euch: „Welche zentralen Ziele wollen wir mit der FoodCoop erreichen?“ Auch an dieser Stelle ist zu beachten, sich durch die Statuten nicht selbst einzuengen, indem etwa nur ein Zweck angegeben wird. Ein Verein darf nur im Sinne seiner Ziele handeln. Da aber nicht jeder Vereinszweck tatsächlich und immer verfolgt werden muss, ist es ratsam eher umfassende Ziele anzuführen als zu wenig. Hier einige Beispiele, die ihr unter den Satz „Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt“ schreiben könnt:
- Die Förderung eines nachhaltigen Konsumverhaltens im Sinne von Ernährungssouveränität, also ökologisch und sozial verträglich, sowie lokal selbstbestimmt und selbstverwaltet.
- Förderung des Umwelt-, Gesundheits- und Ernährungsbewusstseins.
- Bewusstseinsbildung und Aufruf zu aktiver Mitgestaltung der Region. Konsumentinnen sollen als mündige Bürgerinnen agieren, denen die Auswirkungen ihres Einkaufsverhaltens nicht nur bewusst sind, sondern die im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch Verantwortung übernehmen und durch ihr Handeln zu Ernährungssouveränität beitragen.
- Förderung von Produktion und Verteilung von Lebensmitteln und anderen Naturprodukten, die mit den Prinzipien von Ernährungssouveränität in Einklang stehen.
- Förderung des Bewusstseins, dass wir als Konsumentinnen mehr tun können als einfach nur einkaufen, und durch unser Engagement einen Beitrag zu Ernährungssouveränität leisten können.
- Förderung des Soziallebens in der Gemeinde/lokaler Netzwerke/regionaler Wirtschaftskreisläufe/Nahversorgung/ ... Förderung von Esskultur, gesunder Ernährungsweise, Wissen und Fertigkeiten zum Thema Lebensmittel, von der Produktion der Rohstoffe bis zur Zubereitung Persönlichkeitsbildung/Förderung von Demokratieverständnis/gruppentauglichem Sozialverhalten durch die Teilnahme an basisdemokratischen Prozessen und das Übernehmen von Verantwortung in der FoodCoop.
Anmerkungen: Der Begriff Ernährungssouveränität wird bei den Beispielen quasi als Sammelbegriff für verschiedene unterstützenswerte Themenfelder verwendet. Es können auch detailliertere Formulierungen verwendet werden, aber nicht vergessen: umfassend und vollständig!
Strebt der Verein Gemeinnützigkeit an, so muss der Einführungssatz an dieser Stelle lauten: „Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, und der ausschließlich und umittelbar gemeinnützige Zwecke nach §§ 34 ff BAO verfolgt, bezweckt ...“
Jeder der danach angeführten Zwecke muss den Bedingungen der Gemeinnützigkeit entsprechen.
Es kann an dieser Stelle nicht gewährleistet werden, dass die oben genannten Beispiele einer Gemeinnützigkeitsprüfung standhalten, sie wurden darauf nicht überprüft. Denn ob gemeinnützig oder nicht ist für FoodCoops nicht die entscheidende Frage. Siehe dazu das Kapitel über Steuerpflichten.
Tätigkeiten und finanzielle Mittel
Die Tätigkeiten (auch „ideelle Mittel“ genannt) und finanziellen Mittel zur Verwirklichung des Vereinszwecks müssen vollständig angegeben werden, wobei auch bei dieser Auflistung gilt besser zu umfassend, als zu wenig. Schreibt daher sämtliche Ideen in die Statuten, die ihr unter Umständen in Zukunft umsetzen könntet. Die Tätigkeiten dürfen nicht mit den Zielen verwechselt werden: Es ist zu unterscheiden zwischen der Frage „Welche zentralen Ziele wollen wir mit der FoodCoop erreichen?“ und „Was macht die FoodCoop, um diese Ziele zu erreichen?“
„Als ideelle Mittel dienen ...“
- Bereitstellen von Infrastruktur (Räumlichkeiten, IT) für einen Umschlagplatz von Waren, die im Einklang mit den Vereinszielen produziert wurden.
- Ermöglichung von persönlichem Kontakt zwischen Konsumentinnen und Produzentinnen bzw. anderen Akteuren des Lebensmittelsystems.
- Veranstaltungen, Vorträge, Exkursionen, Diskussionsabende Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Initiativen für Ernährungssouveränität
- Öffentlichkeitsarbeit
- Herausgabe von Infomaterial usw.
Führt alle Tätigkeiten auf, die euer FoodCoop-Unternehmen KÖNNTE: Es ist kein Problem, wenn ihr dann nicht alle schafft.
_Die erforderlichen materiellen Mittel sollen aufgebracht werden durch:
- Beitrittsgebühren
- Mitgliedsbeiträge
- Spenden
- Subventionen und Zuwendungen der öffentlichen Hand
- Schenkungen, ...
Listet alle Möglichkeiten auf, wie eure FoodCoop finanziert/materiell unterstützt werden KÖNNTE! Es müssen in Folge nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden.
Achtung, sehr oft sind in Statuten auch Formulierungen wie „Erträge aus Veranstaltungen und vereinseigenen Unternehmungen“, „Verkauf von ...“ zu finden. Deren Auflistung ist auch in den FoodCoop-Statuten zulässig. Dies ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass diese Einnahmenquellen für FoodCoops empfehlenswert sind, denn anders als Mitgliedsbeiträge sind solche Einnahmen nicht automatisch steuerfrei. Siehe dazu das Kapitel über Steuerpflichten.
Mitgliedschaft: Erwerb und Beendigung, Rechte und Pflichten
Arten der Mitgliedschaft
Im Wesentlichen besteht eine FoodCoop aus aktiven Mitgliedern. Diese entsprechen dem in Statuten häufig verwendeten Begriff der „ordentliche Mitglieder“, können aber auch ohne weiteres als Mitgliederklasse „aktive Mitglieder“ definiert werden. Ein Ver ein kann nu r aus einer Mitgliederklasse bestehen. Neben den ak tiven M itgliedern können aber zum B eispiel a uch Fördermitgliedschaften oder Ehrenmitgliedschaften vergeben werden. Jede Mitgliederklasse muss mitsamt ihreù Rechteù und Pflichten in den Statuten beschrieben sein. „Die Mitglieder des Vereins gliedern sich in ak tive Mitglieder und Fördermitglieder.“ „Aktive Mitglieder sind jene, die sich aktiv an der Vereinsarbeit beteiligen. Fördermitglieder sind solche, die den Verein durch Mitgliedsbeiträge unterstützen.“
Erwerb der Mit gliedschaft
Es muss für jede Mitgliederklasse klar sein, wie der Erwerb der Mitgliedschaft zustande kommt. Die Formulierung muss auch mit der Realität übereinstimmen. Wenn also z. B. über die Aufnahme neuer Mitglieder im Plenum abgestimmt wird, und es auch sein kann, dass eine interessierte Person abgelehnt wird, dann ist eine passender Formulierung für die Statuten: „Über die Aufnahme aktiver Mitglieder (bzw. anderer Mitgliederklassen) entscheidet das Plenum. Die Aufnahme kann ohne Angabe von Gründen verweigert werden.“
Beendigung der Mitgliedschaft
Die verschiedenen Arten der Beendigung der Mitgliedschaft müssen eindeutig geregelt sein. Grundsätzlich hat jedes Mitglied das Recht auf freiwilligen Austritt. Dazu können in den Statuten Fristen und Termine festgeschrieben werden. Werden z. B. die Mitgliedsbeiträge quartalsmäßig eingezahlt, so ist folgende Formulierung sinnvoll: „Ein Austritt kann an jedem Quartalsende erfolgen. Er muss dem Plenum formlos per E-Mail mitgeteilt werden.“ Für den Ausschluss von Mitgliedern muss in den Statuten festgelegt werden, aus welchen Gründen und von welchem Vereinsorgan dieser verhängt werden kann, z. B.: „Das Plenum kann ein Mitglied ausschließen, wenn ... (z. B. das Mitglied über einen längeren Zeitraum die Mitgliedspflichten verletzt indem es Beiträge nicht zahlt oder sich gruppenschädigend verhält, ...)
Rechte und Pflichten der Mitglieder
Die Rechte und Pflichten müssen für alle einzelnen Mitgliederklassen definiert werden. Diese sollen natürlich an die gelebte Praxis angelehnt sein, ohne dabei aber zu sehr ins Detail zu gehen. Beispiele für zu detaillierte Beschreibungen sind die exakte Höhe des Mitgliedsbeitrages oder das genaue Stundenausmaß von Tätigkeiten. Für die Mitgliederklasse „aktive Mitglieder“ kann die Beschreibung der Rechte und Pflichten so aussehen: „Aktive Mitglieder sind berechtigt, sämtliche Vereinsinfrastruktu- ren zu nutzen, an allen Veranstaltungen des Vereins teilzunehmen, am Plenum teilzunehmen und mitzubestimmen (jedes aktive Mitglied hat eine Stimme) und verfügen über aktives und passives Wahlrecht in der Mitgliederversammlung. Aktive Mitglieder sind verpflichtet, sich aktiv im Verein zu engagieren. Das Plenum kann hierfür genauere Bestimmungen festlegen. Aktive Mitglieder sind zur pünktlichen Zahlung der Beitrittssgebühr und der Mitgliedsbeiträge verpflichtet. Aktive Mitglieder verpflichten sich, alles zu unterlassen, wodurch das Ansehen des Vereins leidet, die interne Vereinsarbeit beeinträchtigt oder das Erreichen der Vereinszwecke behindert wird.“
Organe des Vereins
Der Punkt „Organe des Vereins“ ist für FoodCoops von zentraler Bedeutung, da es an dieser Stelle zu den größten Abweichungen von „Standard-Vereinsstatuten“ kommt.
Das Vereinsrecht schreibt eine Mitgliederversammlung, ein Leitungsorgan (bestehend aus mindestens zwei Personen), Rechnungsprüfer und ein Schiedsgericht vor. Darüber hinaus können in den Statuten weitere Organe definiert werden.
Die gewöhnliche Umsetzung dieser Vorgaben sieht so aus:
- Vorstand mit Obfrau, Schriftführerin usw.
- (Jahres-)Hauptversammlung
Basisdemokratie, also die gleichberechtigte Mitbestimmung aller Mitglieder ist dabei nicht vorgesehen, Entscheidungen werden in Vorstandssitzungen getroffen, einfache Mitglieder haben nur bei der Hauptversammlung ein Stimmrecht.
In FoodCoops ist das Plenum das wichtigste Gremium, es ist sozusagen eine regelmäßige Mini-Mitgliederversammlung. Eine Unterscheidung in „Vereinsfunktionäre“ und „einfache Mitglieder“ gibt es dabei nicht.
Die Herausforderung besteht nun darin, die FoodCoop-Praxis mit den rechtlichen Anforderungen an Vereinsorgane unter einen Hut zu bringen. Bei Aufnahme des Plenums als Vereinsorgan in die Statuten ist unmissverständlich zu beschreiben, welche Aufgaben es übernimmt und wie es sich von den anderen Organen abgrenzt. Dies ist ausführlich unter „Plenum“ beschrieben.
Mitgliederversammlung
Alle Vereine sind dazu verpflichtet, zumindest alle 5 Jahre die Mitgliederversammlung einzuberufen. In den Statuten muss stehen, wann und wie die Mitglieder eingeladen werden. Die Broschüre „Kulturverein gründen und betreiben“ der IG Kultur Wien beschreibt diesen Punkt sehr umfangreich.
Speziell für FoodCoops ist empfehlenswert:
- das Einberufungsintervall für ordentliche Mitgliederversammlungen möglichst groß zu wählen. Eine jährliche Mitgliederversammlung ist in FoodCoops nicht nötig, weil das Plenum ohnehin regelmäßig stattfindet. Außerordentliche Mitgliederversammlungen sollten jedoch jederzeit und von verschiedensten Organen einberufen werden können, um im Anlaßfall schnell handeln zu können.
- ein möglichst unkompliziertes Einladeprozedere zu ermöglichen.
Erfolgt die interne Kommunikation in der FoodCoop üblicherweise
eher kurzfristig per E-Mail, dann sollte dieser Weg auch für die
Einladung zuĖ Mitgliederversammlung genutzt werden:
„Alle Mitglieder sind mindestens eine Woche vor dem Termin per E-Mail (an die vom Mitglied dem Verein bekanntgegebene E-Mail-Adresse) einzuladen.“
Leitungsorgan
FoodCoops sind basisdemokratische Initiativen, es gibt üblicherweise keine Chefin. Die Rechtsform des Vereins passt ganz gut zu diesem Anspruch, denn das Vereinsgesetz schreibt keine einzelne Obfrau oder dergleichen vor. Allerdings braucht jeder Verein ein „Leitungsorgan“ (meistens „Vorstand“ genannt), das aus mindestens zwei Personen bestehen muss. Das Leitungsorgan ist laut Gesetz verantwortlich für die Führung der Vereinsgeschäfte, die Vertretung des Vereins nach außen und die Einrichtung eines Rechnungswesens. Bis auf diese Vorgaben ist das Leitungsorgan frei gestaltbar, in den Statuten kann geregelt werden, wie groß es ist, wie es Entscheidungen trifft und ob es spezielle Funktionen für besondere Aufgaben geben soll.
So ist es etwa rechtlich möglich, dass das Leitungsteam aus allen FoodCoop-Mitglieder besteht, die den Verein alle gemeinsam nach außen vertreten. Der Mietvertrag für das FoodCoop-Lager etwa müsste dann von sämtlichen Mitgliedern unterschrieben werden. Inwieweit dieses Vorgehen dafür steht und ob es nicht besser wäre, diese Aufgabe ein paar wenigen Mitgliedern anzuvertrauen, kann jede Gruppe selbst entscheiden.
Es ist auch denkbar, dass übliche Vereinsfunktionen wie „Kassier“ nur am Papier bestehen, und sich in der Praxis andere FoodCoop-Mitglieder um das Rechnungswesen etc. kümmern. Dies ist jedoch nicht empfehlenswert, da im Ernstfall immer diejenigen Mitglieder, die laut Papier das Leitungsorgan darstellen, zur Rechenschaft gezogen werden und in Extremfällen auch persönlich haftbar gemacht werden können. Die Mitglieder des Leitungsorgans sollten in der Praxis also zumindest einen Teil der Arbeitsgruppe Finanzen darstellen.
Tipp: Wenn ihr den basisdemokratischen Charakter eurer FoodCoop hervorstreichen wollt, dann verzichtet auf die gewohnten Bezeichnungen wie Vorstand, Obfrau, Schriftführerin, ... Als Leitungsorgan wird eine überschaubare Gruppe von verlässlichen Mitgliedern benötigt, die sich sowohl um das Unterschreiben von Verträgen kümmert (Anmieten von Räumlichkeiten, Bankkonto errichten, Förderanträge einreichen, ...), als auch um die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung samt Vermögensübersicht. Das Leitungsorgan könnt ihr in den Statuten einfach „Leitungsorgan“ nennen oder es beliebig umbenennen. Es muss nur in den Statuten stehen, dass es sich bei der neuen Bezeichnung um das Leitungsorgan handelt, z. B. „Die Arbeitsgruppe Unterschriften, Rechtliches und Rechnungswesen, in Folge kurz Arbeitsgruppe URR genannt, ist das Leitungsorgan im Sinne des Vereinsgesetztes 2002.“
Zu beachten:
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Wird in den Statuten nichts anderes erwähnt, so gilt für das Leitungsorgan automatisch Gesamtgeschäftsführung und Gesamtvertretung. Das heißt der Verein wird von allen Mitgliedern des Leitungsorgans gemeinsam geführt und nach außen vertreten. Alternativ dazu könnt ihr auch Einzelfunktionen einführen, z. B. die „Ansprechperson der Arbeitsgruppe URR“, und diese mit einer Einzelvertretung ausstatten. Mehr Infos zu verschiedene Varianten siehe Broschüre „Kulturverein gründen und betreiben“ der IG Kultur Wien.
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Sagen die Statuten nichts über die Art und Weise der Entscheidungsfindung im Leitungsorgan aus, so wird automatisch Abstimmen mit einfacher Mehrheit angenommen. Besteht das Leitungsorgan nur aus zwei Personen, müssen diese ihre Entscheidungen einstimmig fällen.
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Im Sinne der Basisdemokratie können die Statuten so formuliert werden, dass das Leitungsorgan ohne Zustimmung des Plenums nichts entscheiden kann. In den Statuten vorgesehene Beschränkungen wirken aber nur im Innenverhältnis, also vereinsintern.
Nach außen (gegenüber Geschäfts- & Vertragspartnern oder Behörden) bleiben immer die Mitglieder des Leitungsorgans die Vertretung des Vereins und können in Extremfällen auch persönlich haftbar gemacht werden. Die Statuten einer FoodCoop sollten also trotz basisdemokratischen Anspruchs nicht im Widerspruch zu diesen gesetzlichen Vorgaben formuliert werden. Zu vermeiden ist, dass Mitglieder des Leitungsorgans intern überstimmt werden können, nach außen aber die Konsequenzen für Entscheidungen tragen müssen.
Achtung: Die Formulierungen dürfen nicht mit den Beschreibungen anderen Organe in Konflikt stehen. In den Statuten kann z. B. nicht an einer Stelle „Das Leitungsorgan istfür die Aufnahme neuer Mitglieder zuständig“ und an andere Stelle „Das Plenum ist für die Aufnahme neuer Mitglieder zuständig“ stehen.
Hier einige Formulierungen, die zur Beschreibung eures Leitungs- organs passen könnten:
- Das Leitungsorgan setzt sich aus mindestens 2 natürlichen Personen zusammen, die gleichzeitig aktive/ordentliche Mitglieder des Vereins sein müssen.
- Das Leitungsorgan wird von der Mitgliederversammlung gewählt. Bei Ausscheiden eines gewählten Mitglieds kann das Plenum an dessen Stelle ein anderes Mitglied wählen, wozu die nachträgliche Bestätigung in der nächsten Mitgliederversammlung einzuholen ist.
- Das Leitungsorgan trifft Entscheidungen ...WIE? (z. B. einstimmig im Konsens. Das heißt eine Entscheidung gilt als angenommen, wenn niemand einen schwerwiegenden und begründeten Einwand dagegen hat.)
- Das Leitungsorgan ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Besteht das Leitungsteam nur aus zwei Personen, müssen beide Mitglieder anwesend sein.
- Das Leitungsorgan kann das Plenum einberufen.
- Das Leitungsorgan ist dazu angehalten, Entscheidungen nicht in eigenen Treffen, sondern, transparent für alle Mitglieder, im Rahmen des Plenums zu treffen. Jedes aktive Mitglied hat dabei das Recht auf Anhörung.
- Trifft das Leitungsteam Entscheidungen ohne Beisein des Plenums, so sind alle aktiven Mitglieder auf schnellstmöglichem Wege (per E-Mail) über diese Entscheidungen zu informieren.
- Bei Gefahr in Verzug ist das Leitungsorgan berechtigt, auch in Angelegenheiten, die in den Wirkungsbereichs der Mitgliederversammlung bzw. des Plenums fallen, unter eigener Verantwortung selbstständig Anordnungen zu treffen; diese bedürfen jedoch der nachträglichen Genehmigung durch die Mitgliederversammlung bzw. das Plenum.
- Bei Entscheidungen des Plenums, die Einfluss auf Geschäftsführung bzw. die Vertretung des Vereins nach außen oder das Rechnungswesen haben könnten, besitzt jedes Mitglied des Leitungsorgans ein Vetorecht.
- Ist ein Mitglied des Leitungsorgans bei einem Plenum nicht persönlich anwesend, so kann es von seinem Vetorecht auch nachträglich Gebrauch machen, und zwar innerhalb einer Frist von einer Woche nach Veröffentlichung des Plenumsprotokolls.
Plenum
Ungeachtet der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist das Plenum die zentrale Schaltstelle für den Vereinsalltag in einer FoodCoop. Darum ist es ratsam, das Plenum als zusätzliches Organ in die Vereinsstatuten aufzunehmen, und dessen Aufgaben mit Bedacht auf die Aufgaben der anderen Organe schriftlich festzuhalten.
So kann eine Beschreibung des Plenums, seiner Rechte und Aufgaben aussehen:
- Das Plenum findet regelmäßig nach Bedarf statt, zumindest aber viermal jährlich.
- Am Plenum haben alle aktiven Mitglieder Stimmrecht. Fördermitglieder haben das Recht auf Teilnahme und Anhörung.
- Die Einberufung des Plenums bedarf keiner besonderen Form und erfolgt in der Regel ein paar Tage vor dem Termin per E-Mail.
- Das Plenum entscheidet mit ... (z. B. 80 % Mehrheit). Entscheidungsberechtigt sind alle aktiven Mitglieder. Die Übertragung des Stimmrechts auf ein anderes Mitglied im Wege einer schriftlichen Bevollmächtigung ist zulässig.
- Das Plenum gilt als beschlussfähig, wenn mindestens sechs aktive Mitglieder persönlich anwesend sind. (Die Mitgliederklasse „ aktive“ Mitglieder muss zuvor als Mitgliederklasse definiert sein.)
- Die Entscheidungen des Plenums werden schriftlich in ein em Protokoll festgehalten und schnellstmöglich an alle aktiven Mitglieder per E-Mail verschickt.
Das Plenum hat folgende Aufgaben und Rechte:
- Das Plenum ist für die Aufnahme neuer Mitglieder bzw. Ausschluss von Mitgliedern zuständig
- Das Plenum kann die Mitgliederversammlung einberufen.
- Das Plenum die nt der Koordination der vereinsinternen Arbeitsaufteilung.
- Das Plenum trifft Entscheidungen, die nicht in den Aufgabenbereich des Leitungsorgans fallen, also nicht mit der Vertretung des Vereins nach außen, der Führung der Vereinsgeschäfte und dem Rechnungswesen.
- Das Plenum hat das Recht auf Auskunft über alle Handlungen und Entscheidungen des Leitungsorgans.
Rechnungsprüferinnen
Jeder Verein muss mindestens zwei Rechnungsprüferinnen durch die Mitgliederversammlung bestellen. Diese müssen unabhängig und unbefangen sein, dürfen also nicht dem Leitungsorgan dessen Rechnungswesen sie ja prüfen müssen, angehören. Es muss sich nicht zwingend um Vereinsmitglieder handeln, außer die Statuten sehen dies vor. Das Vereinsgesetz § 21 beschreibt die Aufgaben der Rechnungsprüferinnen. Dort steht auch: „Das Leitungsorgan hat die Mitglie- der über die geprüfte Einnahmen- und Ausgaben-Rechnung zu informieren. Geschieht dies in der Mitgliederversammlung, sind di e Rechnungsprüfer einzubinden.“ Wird diese Kommunikationskette als unbefriedigend empfunden, so kann in die Statuten zusätzlich folgender Satz aufgenommen werden: „Die Rechnungsprüferinnen haben dem Plenum über das Ergebnis der Überprüfung zu berichten.“
Schiedsgericht
Jeder Verein hat in den Statuten eine Schlichtungseinrichtung zu definieren. Das Vereinsgesetz besagt, dass „in den Statuten die Zusammensetzung und die Art der Bestellung aller Mitglieder der Schlichtungseinrichtung unter Bedachtnahme auf deren Unbefangenheit zu regeln. Den Streitparteien ist beiderseitiges Gehör zu gewähren“. Laut Information der IG Kultur kann auch die Mitgliederversammlung mit der Streitschlichtung betraut werden, wenn es die statutarische Möglichkeit gibt, sie im Streitfall zu diesem Zweck einzuberufen.
Freiwillige Auflösung des Vereins
Die Statuten müssen enthalten, wie sich der Verein auflösen
kann und was mit dem Vereinsvermögen geschieht.
Wird Gemeinnützigkeit angestrebt, so muss zusätzlich
der folgende Satz enthalten sein:
„Bei Auflösung des Vereins oder bei Wegfall des begünstigten
Vereinszwecks ist das verbleibende Vereinsvermögen für
gemeinnützige, im Sinne der §§ 34 ff BAO zu verwenden.“
Aufzeichnung- und Steuerpflichten
Achtung: In diese Kapitel werden viele Aussagen über Vereine getroffen, die Aussagen gelten grundsätzlich aber auch für FoodCoops, die als lose Personengruppen organisiert sind!
Die allgemeine Situation
Vereine sind dazu verpflichtet, Aufzeichnungen über ihre Finanzen zu führen. Verantwortlich dafür ist das Leitungsorgan des Vereins. Gefordert wird eine Einnahmen- Ausgaben-Rechnung und eine jährliche Vermögensübersicht. Im Internet sind Vorlagen dafür leicht auffindbar. Ein Kontakt mit dem Finanzamt ist für Vereine nicht automatisch verpflichtend. Grundsätzlich müssen steuerlich relevante Tätigkeiten dem Finanzamt gemeldet werden und zwar innerhalb eines Monats nach Beginn der Tätigkeit. Unternimmt der Verein keine steuerlich relevanten Tätigkeiten, so muss nur dann eine Abgabenerklärung eingereicht werden, wenn das Finanzamt dazu auffordert. Ob ein Verein zu versteuernde Einnahmen hat, muss er selbst klären, d. h. er muss seine eigenen Einnahmen auf Steuerpflicht untersuchen. Es gelten dabei verschiedene Regeln, je nachdem ob der Verein gemeinnützig ist oder nicht.
Achtung Falle: Irrglaube Gemeinnützigkeit
Ein weit verbreiteter Glaube ist, dass jeder Verein gemeinnützig ist. Dabei wird die Gemeinnützigkeit damit verwechselt, dass jeder Verein ideelle Zwecke verfolgt nicht auf Gewinn ausgerichtet ist.
Der nächste Irrglaube ist, dass ein Verein als gemeinnützig gilt, wenn es so in den Statuten steht. Die Aufnahme gewisser Formulierungen in die Statuten ist aber nur eine Bedingung für die Gemeinnützigkeit. Ein Verein ist nicht automatisch gemeinnützig, nur wenn in den vereinsbehördlich zugelassenen Statuten steht, dass der Verein gemeinnützig ist. Bei Vereinsgründung prüft die Bundespolizeidirektion bzw. Bezirkshauptmannschaft lediglich, ob die Statuten vereinsrechtlich in Ordnung sind. Der Begriff „gemeinnützig“ stammt aber aus dem Steuerrecht. Ob ein Verein gemeinnützig ist oder nicht, entscheidet das Finanzamt!
Wird der Verein als nicht gemeinnützig eingestuft, so kann dies zur Zahlung von Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer führen, auch nachträglich (also für die vergangenen Jahre).
Geht also nicht blind davon aus, dass eure FoodCoop gemeinnützig ist, nur weil ihr die Statuten so formuliert habt! Hinsichtlich Steuerpflichten werden häufig gewisse Freibetragsgrenzen für Vereine angegeben, doch diese gelten zum Großteil nur für gemeinnützige Vereine! Verlasst euch also auch nicht blind auf solche Angaben!
Wählt stattdessen einen der zwei Wege:
- Finanziert die FoodCoop ausschließlich über Einnahmen, die so oder so steuerfrei sind, also egal ob der Verein im Falle einer Prüfung durch das Finanzamt als gemeinnützig anerkannt w ird oder nicht.
In diesem Fall ist die Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt nicht verpflichtend. Die Aufzeichnungen müssen aber trotzdem ordentlich geführt werden, denn ihr müsst das Nichtvorhandensein einer Abgabenpflicht schriftlich belegen können, falls euch das Finanzamt dazu auffordert! Dieser Weg ist in FoodCoops der Regelfall, denn prinzipielle Steuerfreiheit gilt unter anderem für echte Mitgliedsbeiträge, echte Spenden und allgemeine öffentliche Zuschüsse, also für die üblichen Einnahmequellen von FoodCoops.
Was heißt „echt“ in diesem Zusammenhang?
„Echte Mitgliedsbeiträge“ sin d solche, die nicht an eine konkrete Gegenleistung geknüpft sind, also pauschal gezahlt werden. Die üblichen Regelungen für Mitgliedsbeiträge in FoodCoops, z.B. 5 Euro monatlich pro Mitglied, fallen in diese Kategorie. Für „echte“ Spenden gilt dasselbe Prinzip, sie sind nicht mit einer Gegenleistung verbunden. Zum besseren Verständnis ein klassisches Gegenbeispiel: Die Abgabe von belegten Brötchen bei einer Vereinsveranstaltung gegen eine freie Spende ist eine Einnahme durch „unechte Spenden“ und somit nicht steuerfrei, weil die Spende mit einer konkreten Gegenleistung verbunden ist.
- Es gibt die Möglichkeit beim Finanzamt, eine unverbindliche Bestätigung der Gemeinnützigkeit einzuholen.
Dieser Weg ist für FoodCoops ratsam, die auch andere Einnahmequellen beabsichtigen als die oben genannten echten Mitgliedsbeiträge und dergleichen. Werden z. B. Veranstaltungen mit Eintritt organisiert (egal ob nur für die Mitglieder oder auch für externe Personen), so solltet ihr zuvor mit dem Finanzamt in Kontakt treten, um Klarheit über eure Steuerpflicht zu haben.
Hygienevorschriften
FoodCoops können je nach Beschaffenheit als Lebensmittelunternehmen eingestuft und daher von der Lebensmittelaufsicht (auch unangemeldet) inspiziert werden.
Der Begriff „Unternehmen“ wird hier nur im Sinne des Hygienerechts gebraucht und ist nicht zu verwechseln mit dem Unternehmensbegriff aus anderen Rechtsbereichen. Auch eine lose Gruppe von Personen oder einVerein kann als Lebensmittelunternehmen gelten, denn laut Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Artikel 3 gilt dies für alle, „gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen“.
Die Einstufung als „Lebensmittelunternehmen“ setzt eine gewisse Kontinuität der Aktivitäten und einen gewissen Organisationsgrad voraus. Auf FoodCoops mit mehreren dutzend Mitgliedern, die wöchentlich bestellen und für die Abholungen einen zentralen Lagerraum angemietet haben, trifft dies wohl zu. Die Tätigkeiten kleinerer FoodCoops könnten auch unter den „privaten häuslichen Gebrauch“ fallen, das ist sozusagen der Gegensatz des Lebensmittelunternehmen. Im Zweifelsfall könnt ihr euch mit eurem konkreten Modell an die Lebensmittelaufsicht wenden. Für FoodCoops besteht zwar keine gesetzliche Registrierungspflicht, eine Kontaktaufnahme in der Startphase ist aber empfehlenswert! Die aus dem Beratungsgespräch gewonnenen Informationen können beim Adaptieren des Lagerraums gleich mitberücksichtigt werden
Bei der Kontaktaufnahme ist zu beachten: Es kann durchaus sein, dass die Behörde noch nie von FoodCoops gehört hat, und euch als gewöhnliches Geschäft oder Kulturverein eĦ¹. einstuft. Eventuell müsst ihr also erstmals umfassend und geduldig erklären, was eure FoodCoop genau macht. Dies ist wichtig für die Einordnung eurer Tätigkeiten, denn die Abläufe in einer FoodCoop unterscheiden sich von anderen Vermarktungswegen (kein direkter Kontakt zu Produzentinnen bei Übergabe, Eigenverantwortung statt Service durch Angestellte, ...), Dadurch ergeben sich gesonderte Vorgaben, wie etwa eine jährliche Hygieneschulung für alle Mitglieder, die Abholdienst machen.
In Oberösterreich wurde im Rahmen des Projekts „Appetit auf Zukunft“ ein Hygieneleitfaden für FoodCoops erarbeitet. Dieser ist als unverbindliche, praxisbezogene Einführung zu verstehen und ersetzt nicht andere Dokumente der Lebensmittelaufsicht oder allgemeine Vorschriften!
Hygieneleitfaden für FoodCoops
Anforderungen an Raum und Einrichtung
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Grundsätzlich müssen der Raum (Boden, Wände, Decke, ...) und die Einrichtungsgenstände (Regale, Tische, ...) leicht zu reinigen und in so gutem Zustand sein, dass die Lebensmittel (vor allem unverpackte) nicht verunreinigt werden (z. B. durch herabrieselnden Putz, etc).
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Ausreichend Regalfläche und eine strukturiere Aufteilung, wo jede Produktgruppe einen fixen Platz hat, trägt viel zu Sauberkeit bei. Lebensmittel werden in rein und unrein eingeteilt, die getrennt voneinander platziert werden, und zwar so, dass sie sich nicht gegenseitig verunreinigen (z. B. „unreines“ feuchtes, erdiges Gemüse nicht oberhalb von „reinem“, in Papier verpacktem Brot räumen).
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Trinkwasseranschluss in unmittelbarer Erreichbarkeit
- zum Boden wischen, Regale putzen etc.
- zum Hände waschen (Seifenspender, Einweghandtücher)
- zum Abwaschen von Arbeitsgeräten (Geschirr, ...)
- für ein Mitglieder WC muss ein Warmwasseranschluss vorhanden sein
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Temperaturcheck
Kühlschränke sind Pflicht für gewisse Produkte, Anforderungen an Temperatur sind unterschiedlich, rohes Fleisch max. +4 Grad, Milch max. +6 Grad usw. Platziert Thermometer in den Kühlschränken und notiert die Temperatur zur Dokumentation. Der Kühlschrank muss schon kalt sein, wenn die Milch usw. geliefert wird –> Zeitschaltuhr verwenden.
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Schädlinge müssen draußen bleiben!
- Der Raum muss daher „dicht“ sein (Fliegengitter vor Fenster, keine Löcher wo Mäuse durchkönnen, ...)
- Aktive Eigenkontrolle: Klärt in der FoodCoop, wer für das „Schädlingsmonitoring“ zuständig ist (z. B. der wöchentliche Abholdienst). Zu den Aufgaben zählt das bekämpfen (auch schon vorab zur Kontrolle) und dokumentieren, d. h. Mottenfallen, Mäusefallen aufstellen, regelmäßig erneuern und Tägigkeiten mitschreiben.
Warenanlieferung (Information auch für Lieferantinnen relevant)
Zur Information an eure Lieferantinnen: Grundsätzlich gelten für die Bäuerinnen bei der Vermarktung über FoodCoops dieselben Hygienevorschriften wie bei allen anderen Vertriebskanälen, der Verkauf an Vereinsmitglieder bringt keine „Erleichterungen“. Für die Bereiche Produktion, Verpackung, sowie die Etikettierung sind die Produzentinnen verantwortlich.
Die Produktkennzeichnung ist nicht verpflichtend, wenn die Waren nur zur kurzfristigen Lagerung (max. 48 Stunden) verpackt werden. Die Allergeninformationspflicht ist auch bei unverpackten Lebensmitteln bzw. bei Verpackung zur kurzfristigen Lagerung (max. 48 Stunden) einzuhalten.
Tipp: Der Allergen-Kennzeichnungspflicht kann bereits im Rahmen der Vorbestellung nachgekommen werden (z. B. in der Bestellsoftware zur Produktinformation dazuschreiben). Eine andere Möglichkeit ist es, Informationen dazu fix jeweiligen Abholort zu platzieren, z. B. an der Kühlschranktür.
Die Warenübergabe kann auch ohne persönlichen Kontakt mit FoodCoop-Mitgliedern erfolgen. Die Einhaltung der Standards darf dadurch allerdings nicht beeinträchtigt werden, die angelieferten Lebensmittel müssen hygienisch richtig verwahrt werden (also z. B. Lieferung nicht einfach vor die Tür der FoodCoop stellen).
Tipp: Für jede Lieferung eines fixen Bereich in der FoodCoop als Abstellplatz festlegen, wo gewährleistet ist, dass die Lagerbedingungen passen. (z. B. Milchlieferant stellt Milchprodukte immer in das untere Kühlschrankfach)
Die Produzentinnen sollen zur Dokumentation ein en Lieferschein hinterlassen, vor allem dann, wenn die Liefermenge von der Bestellmenge abweicht! Die exakten Übergabemodalitäten zwischen Lieferantinnen und FoodCoop müssen für alle Beteiligten klar kommuniziert sein und können auch schriftlich festgehalten werden.
Abholzeit (Verhalten der Mitglieder und des Abholdienstes)
Der Abholdienst kontrolliert zu Beginn die angelieferten Waren auf Menge, Zustand und Lagerbedingungen. Für die Abholung der Produkte ist jedes Mitglied selbst verantwortlich. Es muss aber auch allen bewusst sein, dass sich in der FoodCoop nicht nur die eigenen, sondern auch die anderen Bestellungen befinden, ein sauberer Umgang mit diesen ist Pflicht!
Besondere Vorsicht gilt beim Umgang mit gekühlten und unverpackten Lebensmitteln!
Zum Schluss der Abholzeit werden nicht abgeholte Bestel-lungen und Lagerprodukte ordnungsgemäß verstaut und die FoodCoop so hinterlassen, dass in der Folgewoche ein sauberer Start gewährleistet ist (leere Regale reinigen, Mülleimer ausleeren oder dicht verschließen etc).
Tipps: Konkrete Putzanweisungen auf einer To-Do- Liste in der FoodCoop aufhängen. Zur Dokumentation der Reinigung eine Liste auflegen, die der Abholdienst jedesmal abhakt.
Mitgliederschulung
Alle Mitglieder, die Verantwortung für die Abholung der Lebensmittel übernehmen (also jene die Abholdienst machen), benötigen einmal pro Jahr ein e Hygieneschulung. Diese kann durch ein erfahrenes Vereinsmitglied erfolgen. Am besten neue Mitglieder werden gleich bei der allgemeinen Einführung auch in das Hygienethema eingewiesen und bestätigen das dann schriftlich, z. B. so:
Verpflichtung aller Vereinsmitglieder (zum Unterschreiben am Antragsformular für Mitgliedschaft)
- Mir ist bewusst, dass sich in einer FoodCoop nicht nur meine eigenen Bestellungen, sondern auch die der anderen Mitglieder befinden. Ich achte auf einen sorgsamen Umgang hinsichtlich Lebensmittelhygiene, insbesondere bei gekühlten und unverpackten Produkten.
- Ich bin über die Hygieneregeln in der FoodCoop geschult worden und bestätige deren Einhaltung, sowohl wenn ich Abholdienst mache, als auch bei der Abholung meiner eigenen Bestellungen.
Warenlagerung
Lebensmittel haben verschiedene Ansprüche an den Abstellort, denkt selbst mit! Der frische Salat etwa muss zwar nicht unbedingt im Kühlschrank stehen, ein paar Stunden neben der Heizung oder auf der sonnigen Fensterbank senken jedoch die Produktqualität.
Allgemein zu vermeiden ist:
- direktes Sonnenlicht
- extreme Hitze und Kälte
- undichte Verpackungen
FoodCoops und Gewerbeschein?
In Österreich regelt die Gewerbeordnung 1994, wer einen Gewerbeschein benötigt. Neben den allgemeingültigen Absätzen gehen einige Sätze auch explizit auf die Frage ein, wann Vereine einen Gewerbeschein brauchen:
„Bei Vereinen gemäß dem Vereinsgesetz 1951 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist.“
Die Formulierung „Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes“ ist nicht näher definiert und bietet viel Interpretationsspielraum. Auch die Frage was „vermögensrechtliche Vorteile“ sind, kann an dieser Stelle nicht eindeutig beantwortet werden. Wenn eine FoodCoop z. B. einzig und alleine dazu dienen würde, den Mitgliedern die günstigsten Preise für Lebensmittel zu verschaffen, dann könnte dies durchaus als so ein Vorteil ausgelegt werden.
„Übt ein Verein gemäß dem Vereinsgesetz 1951 eine Tätigkeit, die bei Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fiele, öfter als einmal in der Woche aus, so wird vermutet, daß die Absicht vorliegt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.“
Bei einer FoodCoop mit mehreren Abholtagen pro Woche könnte die Behörde also generell Ertragsabsicht vermuten. Der Verein kann dann den Gegenbeweis antreten. Das heißt, nicht die Behörde muss den Beweis erbringen, dass die FoodCoop einen Gewerbeschein benötigt, sondern die FoodCoop muss beweisen, dass sie keinen braucht. Wenn ihr euch diesen potentiellen Aufwand ersparen wollt, dann ist es ratsam, beim üblichen Foodoop-Modell zu bleiben, also einmal pro Woche Bestellen und Abholen. Das Lager kann an anderen Wochentagen für andere Vereinstätigkeiten genutzt werden, z.B. eine Diskussionsveranstaltung oder das Plenum.
Für Oberösterreich wurden im Rahmen des Projekts „Appetit auf Zukunft“ im Jahr 2016 eine inhaltliche Abgrenzung zwischen FoodCoop ohne Gewerbeschein und gewerblicher Lebensmittel- versorgung erarbeitet, die auch gewerberechtlich relevante Punkte beinhaltet.
Achtung, es handelt sich hierbei um ein rechtlich unverbindliches „Gentlemen‘s Agreement“, und nicht um ein behördliches Dokument oder ein Gesetz. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind die Punkte kurz und prägnant formuliert. Nehmt daher im konkreten Fall die Beratung von „Appetit auf Zukunft“ in Anspruch, um die Bedeutung der Punkte im Detail abzuklären!
Abgrenzung in OÖ: FoodCoop ohne Gewerbeschein – gewerbliche Lebensmittelversorgung
- Bezug der Waren: Hauptsächlich regionale Lebensmittel und Produkte aus landwirtschaftlicher Erzeugung
- Produzentinnen (Lieferantinnen) sollten aus rechtlichen Gründen nicht Mitglied der belieferten FoodCoop sein.
- Waren nur an Mitglieder (kein online-Shop für Nichtmitglieder, kein Verkauf an Nichtmitglieder, keine Verkaufsauftritte auf Märkten und dgl.)
- Keine Anstellung von Mitarbeiterinnen über die Geringfügigkeit hinaus
- Öffnungszeiten sind begrenzt: Max. zwei Halbtage/Woche zur Warenübernahme/-ausfolgung
- Reine Vermittlungstätigkeit, d.Bh.
- kein Ankauf und Weiterverkauf von Waren
- „gemeinsame Einzelbestellung“ der FC-Mitglieder
- auf der Lieferbestätigung/Rechnungslegung ist zu vermerken „verkauft an die Mitglieder der FC xy laut Bestellliste“
- Über die Gründung/das Bestehen einer FoodCoop ist die Lebensmittelaufsicht in Kenntnis zu setzen.
Versicherungen für Food Coops
Versicherungen für FoodCoops können in unterschiedlichsten Fällen hilfreich sein, beispielsweise wenn eine Lieferantin über die Eingangsstufe stürzt, die angemieteten Räumlichkeiten beschädigt werden oder externe Personen die Initiative verklagen.
Empfehlenswert ist es, Beratung bei Anbietern von Versicherungen in Anspruch zu nehmen und ein Kombipaket aus (Haftpflicht, Unfall, Rechtsschutz, ...) abzuschließen, die an die Tätigkeiten und an das Umfeld der FoodCoop angepasst ist. Wichtig ist dabei auch zu klären, welche Personen versichert sind. Neben dem Verein als Rechtsperson kommen auch Funktionäre, einfache Mitglieder und sogenannte „Erfüllungsgehilfen“, also externe Personen, die zum Beispiel bei einer Veranstaltung der FoodCoop mithelfen, in Frage
Häusliche Nebenbeschäftigung (Private Haushalte als FoodCoop-Lieferantinnen)
Angenommen ein Mitglied der FoodCoop hat einen privaten Gemüsegarten und die Erntemenge übersteigt den eigenen Verbrauch. Dürfen dann die überschüssigen Zucchini den anderen Mitliedern ü ber die FoodCoop angeboten werden? Im begrenzten Umfang ist diese Frage mit Ja zu beantworten. Im Rahmen der häuslichen Nebenbeschäftigung können auch Privatpersonen selbstproduzierte Waren zum Verkauf anbieten.
Allerdings sind hierfür einige Vorschriften zu beachten:
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Häusliche Nebenbeschäftigung hat ihre Grenzen. Die Tätigkeit muss eine untergeordnete Rolle spielen und im eigenen Haushalt unternommen werden (nicht in eigens angemieteten Produktionsräumen). Die Warenmüssen ohne externe Angestellte und mit üblichen Haushaltsgeräten produziert (nicht etwa mit professionellen Teigknetmaschinen oder Brotbacköfen) werden.
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Die Privatpersonen müssen die Einnahmen versteuern, also dem Finanzamt z. B. bei der jährlichen Einkommenssteuererklärung melden (ev. auch der Sozialversicherung). Je nach Gesamteinkommen gibt es verschiedenste Freibeträge. Ein geringer Zuverdienst (Differenz aus Einnahmen und Ausgaben) bis 730 Euro ist grundsätzlich steuer-frei, doch Achtung, auch von dieser Regel gibt es Ausnahmen. Es lohnt sich eine Beratung für den Einzelfall!
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Die Privatperson muss in jedem Fall (unabhängig von Umsatz, Verdienst etc.) eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung führen, z. B. wenn Zucker, Gläser etc. für die Marmelade gekauft werden.
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Bei der Abrechnung stellt sich die Frage nach der Angabe von einem Steuersatz. In Anlehnung an die Kleinunternehmerregelung ist auf die Ausweisung einer Umsatzsteuer zu verzichten und das Wort „umsatzsteuerbefreit“ auf der Rechnung zu vermerken.
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Auch für Privatpersonen gelten Gesetze bez. Hygiene und Kennzeichnungspflicht. Vor allem bei verarbeiteten Produkten (z. B. Marmeladen, Mehlspeisen, ...) ist darauf besonders zu achten! Die private Küche kann von der Lebensmittelaufsicht besucht werden, auf Etiketten müssen Inhaltsstoffe und Allergenkennzeichnung stehen.
Aus Sicht der Produzentinnen ist es wichtig, dass sie über „Eigenproduktion“ der Mitglieder frühzeitig informiert werden. Die Lieferantinnen verlassen sich auf die FoodCoop als Absatzweg. Bleibt die Obstbäuerin ratlos auf ihren Kirschen sitzen, weil die Nachfrage eh durch private Bäume gedeckt wird, so wird sie sich eventuell über die Unzuverlässigkeit ärgern. Wird sie vorab informiert, dann kann sie in Ruhe nach anderen Abnahmequellen Ausschau halten.
Impressum
Text, Gestaltung: Dominik Dax, Marlene Wolfsteiner
Projekt "Appetit auf Zukunft"
Texte sind zur privaten Nutzung, nicht aber zur kommerziellen Nutzung,
und mit Namensnennung und Weitergabe zu gleichen Bedingungen möglich:
https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/
Illustration: Marie Pascale Gafinen
visuelle Nachhaltigkeitskommunikation
Grafiken sind zur privaten Nutzung, nicht aber zur kommerziellen Nutzung, und mit Namensnennung und Weitergabe zu gleichen Bedingungen möglich: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/
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