Praxistipps und Erfahrungen

Eine FoodCoop ist ein zutiefst „menschliches“ Gebilde, mit Stärken und Schwächen, Motivations-Hochs und -Tiefs. Selbst wenn die interne Organisation in der Theorie perfekt ausgeklügelt ist, liegt es immer noch an den handelnden Personen und an den Umständen, was in der Realität daraus wird.

Folgende, praxisorientierten Tipps sollen euch helfen, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen:

  • Perfektionismus ablegen: In wirklich jeder FoodCoop gibt es Zeiten, in denen nicht alles rund läuft. Das eine Mal findet sich kein Abholdienst, das andere Mal muss der Ausflug zum Bauernhof verschoben werden, weil er nicht rechtzeitig organisiert wurde oder der Termin nicht passt. Nehmt es nicht so schwer, alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, darum sollten niedrigere Maßstäbe als etwa im Berufsleben gelten.

  • Erwartungen kommunizieren: Das Aufstellen klarer Regeln erleichtert gerade noch nicht so gut integrierten Mitgliedern die Orientierung. Statt schwammigen Aufforderungen wie: „Es sollen halt alle ein bisschen mitmachen“ sollte es schriftlich festgehaltene Min destanforderungen geben.

  • Gleichmäßige Arbeitsverteilung ermöglichen: Arbeitsverteilung sollte immer aus zwei Perspektiven betrachtet werden. Zum einen muss bei jedem einzelnen Mitglied die innere Bereitschaft zu Engagement vorhanden sein. Zum anderen muss in der Gruppe auch Platz sein für dieses Engagement. Gerade alteingesessene Gründungsmitglieder können – meistens unbewusst – sehr dominant auftreten. Sie schnappen sich automatisch gleich mehrere Aufgaben, die ihnen aufgrund ihrer Erfahrung leichter fallen als neuen Mitgliedern oder ersticken Diskussionen im Keim, weil sie sehr genaue Vorstellungen davon haben, wie etwas gemacht gehört. Ein gleichmäßiges Verteilen von Arbeit kann immer nur Hand in Hand mit einer gleichmäßigeren Verteilung von Verantwortung und Mitbestimmung gehen. Dazu gehört auch, neue Herangehensweisen an Aufgaben zuzulassen.

    Praxistipp: Oft sind Doppelbesetzungen eine gute Lösung, z. B. die Moderation des Plenums wird von einem erfahrenen und ein em neuen Mitglied gemeinsam übernommen. Auch das Festlegen von einem „Engagement-Maximum“ kann hilfreich sein, z.B. „Pro Plenum darf ein Mitglied maximal zwei Aufgaben übernehmen“ oder „Ein Mitglied kann maximal in Ōl·ÄÝ Arbeitsgruppen dabei seinѦѢ

  • Auf Transparenz und konkrete Andockstationen achten: Die Betriebsblindheit macht auch vor FoodCoops nicht halt. Nur weil sich alteingesessene Mitglieder in der internen Organisation zurechtfinden, heißt das noch lange nicht, dass „eh alles klar“ ist. Achtet gezielt darauf, dass alle Mitglieder Zugang zu allen relevanten Informationen h aben.

    Praxisbeispiel: Gibt es etwa die Regel „Jedes Mitglied ist mindestens in einer Arbeitsgruppe aktiv“, so müssen auch Informationen darüber bereitstehen, welche Arbeitsgruppen es gibt, wie sie kontaktierbar sind, welche Aufgaben sie übernehmen, wo gerade Leute gebraucht werden, ... Diese Informationen können auf einem Plakat im FoodCoop-Lager zusammengefasst sein oder auch online zu finden sein.

  • Aufgaben und Kompetenzen klar definieren: Die allermeisten Aufgaben werden nicht von der gesamten Gruppe erledigt, sondern von Einzelpersonen oder kleinen Arbeitsgruppen. Diese benötigen eine klare Beschreibung, was zu erledigen ist und auch eine gewisse Autonomie bei Entscheidungen.

    Praxisbeispiel: Helene übernimmt am Plenum den Auftrag, vier „Second-Hand“ Sessel für die Sitzecke um maximal 20 Euro zu besorgen. Alle Mitglieder können sich mit Tipps und Angeboten an sie wenden, aber Helene entscheidet letztendlich alleine, welche die beste Wahl ist.

  • Hierarchiefreiheit, Selbstorganisation und Eigenverantwortung nicht als unantastbare Prinzipien begreifen: Schon klar, eine FoodCoop organisiert alles selbst und jedes Mitglied übernimmt Eigenverantwortung. Ein pragmatischer Zugang zu diesen Grund- sätzen ist jedoch angebracht.

    • Neue Mitglieder benötigen alleine schon für die Umstellung der Konsumgewohnheiten eine gewisse Eingewöhnungsphase. Wird zusätzlich auch gleich das selbstständige Übernehmen von Aufga- ben gefordert, kann dies schnell mal zu genereller Überforderung führen. (siehe eigenes Kapitel zu neue Mitglieder integrieren).

    • Selbstorganisierte Gruppen funktionieren nicht automatisch und und von alleine. FoodCoops profitieren von Koordinierungs- personen, die das große Ganze im Auge behalten, „Zugpferden“ und erfahrenen Mitgliedern, die neue Leute einführen.

    • Das Engagement in der FoodCoop soll jeder Person Freude machen. Wenn sich bei der Frage „Wer übernimmt die Buchhal- tung?“ alle Mitglieder rarmachen, dann kann es besser sein, eine externe Person damit zu beauftragen und zu bezahlen.

  • Flexibel bleiben, Ausnahmen von Regeln machen: In einer FoodCoop geht es nicht um stures Befolgen von Regeln. In der Gemeinschaft sollte Platz für persönliche Lösungen sein. Wenn ein Mitglied die Abmachung „zweimal pro Jahr Abholdienst machen“ aufgrund unpassender Arbeitszeiten nicht einhalten kann, dann finden sich bestimmt zeitlich flexiblere Ersatzaufgaben, z. B. das Organisieren von Speisereisen am Wochenende. Wo ein Wille zu Engagement, da gibt’s einen Weg in der FoodCoop!

  • Vereinsfunktionen nicht überbewerten: Die interne Arbeitsverteilung hat sehr wenig damit zu tun, wer laut Vereinsstatuten als Leitungsorgan fungiert. Das heißt konkret: Die Obfrau muss nicht automatisch alle Anfragen von außen (z. B den Interviewtermin mit einer Journalistin) entgegennehmen, das kann auch jedes andere Mitglied übernehmen. Manche Aufgaben müssen aber von jenen Mitgliedern erledigt werden, die laut Vereinsstatuten den Verein nach außen vertreten, z.B. das Unterschreiben eines Mietvertrages. Auch die Schlüsselfunktion/Arbeitsgruppe „Finanzen“ sollte von denjenigen Mitgliedern besetzt werden, die laut Statuten dafür verantwortlich sind. (Mehr Infos siehe Teil 4.)

  • Effiziente Lösungen annehmen: Manche Aufgabenbereiche können durch die Verwendung einer FoodCoop-Software deutlich verkleinert werden oder auch ganz wegfallen. Wenn z. B. Bestelllisten nach Bestellschluss automatisch von der Software an die Poduzentinnen geschickt wird, mach das eine eigene Arbeitsgruppe „Bestellungen“ überflüssig.

  • Wissensmonopole vermeiden: Eine gut organisierte Arbeitsteilung ist effizient, doch wichtig ist auch Wissensmonopole (und damit Abhängigkeiten von Einzelpersonen) zu vermeiden. Transparentes Arbeiten und eine allen zugängliche Dokumentation der Arbeit ist darum selbstverständlich! Auch ein Rotationssystem ist möglich. So können etwa jedes halbe Jahr die Schlüsselfunktionen neu vergeben werden.

  • Nichts erzwingen: Das Übernehmen von Aufgaben in FoodCoops passiert freiwillig, niemand wird gezwungen sich beispielsweise IT-Spezialfähigkeiten anzueignen. Das kann dazu führen, dass manche Aufgaben niemand machen will. Es kann dann entweder das Modell an die Gruppe angepasst werden (eine FoodCoop kommt auch ohne IT aus) oder es werden externe Dienste zugekauft.

  • Schnittstellenkommunikation beachten: Sehr oft vernachlässigt wird die Kommunikation zwischen den Arbeitsgruppen bzw. von einer Arbeitsgruppe ins Plenum. Damit dies funktionieren kann, müssen Kontaktdaten bekannt bzw. auch Ansprechpersonen definiert werden.

  • Organisation nicht überbewerten: Eine grundsätzliche innere Organisationsstrukur hat sich bewährt, allerdings darf nicht vergessen werden, dass eine FoodCoop aus einer Gruppe ehrenamtlicher Privatpersonen besteht, und somit niemals perfekt organisiert sein kann. Stures Abteilungsdenken und starre Vorgaben wann/wo/wie etwas zu kommunizieren ist etc. wirken eher abschreckend und verhindern Engagement.

Ein Beispiel für eine gute Theorie, aber gescheiterte Praxis: „Jede Arbeitsgruppe muss beim Plenum zumindest durch eine Person vertreten sein!“ In der Realität kommen aber die Mitglieder zum Plenum, die Zeit und Lust haben. Daher hat es sich bewährt, Arbeitsgruppen vorab direkt anzusprechen, wenn Infos benötigt werden. Wird etwa vorab von der Arbeitsgruppe Finanzen die Auskunft eingeholt, wieviel Geld für die Anschaffung neuer Regale gerade zur Verfügung steht, dann kann am Plenum eine Entscheidung dazu getroffen werden, auch wenn niemand aus der Arbeitsgruppe Finanzen persönlich anwesend ist.

Verbindlichkeit in ehrenamtlichen Strukturen

Dass Aufgaben übernommen und dann nicht erledigt werden, ist in FoodCoops eine immer wieder eintretende Situation. Externe Ursachen hierfür sind kaum zu beeinflussen, z. B. wenn ein Kind erkrankt und die Mama deswegen doch nicht den Abholdienst übernehmen kann.

Erfahrungsgemäß sind solche Fälle schnell gelöst. Höchstwahrscheinlich ist sich die Mama ihrer Verantwortung bewusst, dass Lieferantinnen und andere Mitglieder vom Abholdienst abhängig sind. Sie wird darum Ersatz organisieren oder zumindest mitteilen, dass sie für den Abholdienst ausfällt.

Konkrete, termingebundene Aufgaben werden in FoodCoops verlässlich eingehalten. Dieses vorbildliche Verhalten ist jedoch nicht in allen Bereichen der FoodCoop allgegenwärtig, gerade zeitlich flexible Aufgaben, ohne direkte Konsequenzen, werden gerne mal „verschleppt“ oder „vergessen“.

Ein Praxisbeispiel: Beim Plenum meldet sich ein Mitglied, Angebote für einen neuen Kühlschrank einzuholen. Beim nächsten Plenum ist das Mitglied nicht da, niemand hat etwas gehört, ob die Aufgabe überhaupt angegangen wurde. Auf Dauer kann es mühsam und lästig sein, wenn aufgrund solcher Unklarheiten das Thema „neuer Kühlschrank“ zum dritten Mal verschoben werden muss.

FoodCoops sind ein Lernort für Verantwortungsbewusstsein.

Wichtig ist ein Umfeld, das selbstständiges und verantwortungsbewusstes Handeln fördert. Die zentrale Frage für ein verbindliches Miteinander lautet: Welche Ressourcen sind nötig, um Aufgaben erfüllen zu können? Hier einige Tipps dazu:

  • Klare Arbeitsaufträge vergeben: Oft werden Themen zu unkonkret besprochen, z. B. am Plenum entsteht die Idee das Abholen der Produkte mehr mit gemeinsamen Jausnen zu verbinden. Alle sind dafür, im Protokoll wird vermerkt: „Der Abholdienst soll sich dazu was überlegen.“ Gute Arbeitsaufträge enthalten konkrete Angaben: Wer, Was, Wann, Budget, nötige Unterstützung etc. Z. B. „Susanne und Veronika besorgen bis Ende August Inventar für eine Mini- Jausenstation, bitte bis nächste Woche bei Ihnen melden, wer Bretter und Messer spenden kann, ansonsten kaufen die beiden um maximal 50 Euro Geschirr.“

  • Zugang zu nötigen Ressourcen sicherstellen: Es ist demotivierend, wenn neue Mitglieder sich für eine Aufgabe melden, und dann erst recht wieder vom Wissen der routinierten Mitgliedern abhängig sind.

  • Mitgliedern Autonomie gewähren: Wer selbstständig arbeiten soll, braucht auch gewisse Befugnisse, in deren Rahmen eigenständig Entscheidungen getroffen werden können. Wie weit diese Befugnisse reichen, sollte vorab geklärt werden.

  • Anerkennung statt unkonstruktive Kritik aussprechen: Als Feedback für das Erledigen von Aufgaben ist „Danke für dein Engagement“ angebrachter als „Das hätte ich anders gemacht“.

  • Aufgaben möglichst gleichmäßig realistisch verteilen: Wenn ein Mitglied vom Plenum mit acht Aufgaben nach Hause geht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass nicht alle erledigt werden. Probiert mal folgende Regel: Pro Ple num werden maximal zwei Aufgaben pro Mitglied vergeben.

  • Aufgabenliste im FoodCoop-Lager aufhängen: Eine einfache Tabelle mit Was? Bis wann? Wer? reicht. Diese dient als Erinnerung für die namentlich erwähnten Mitglieder. Gleichzeitig wird auch sichtbar, welche „Jobs“ unbesetzt sind, beim Abholen können sich Mitglieder eintragen. Erledigte Aufgaben können für alle sichtbar abgehakt werden, die Liste ermöglicht also auch Transparenz und Anerkennung.

  • Aufgaben kontrollieren: Spätestens zu Beginn des Plenums sollte das letzte Protokoll auf vergebene Aufgaben durchgecheckt werden. Noch besser ist es, dies eine Woche vor dem Plenum zu tun und die Mitglieder an ihre Aufgaben zu erinnern. Dies kann etwa von der Moderation des Plenums übernommen werden oder von der Arbeitsgruppe „Impulse“. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass sich die Mitglieder in punkto Eigenverantwortung zurücknehmen, weil sie sich auf die Erinnerung verlassen. Ein reflektierter Umgang mit dieser Rolle ist somit angebracht, damit sie nicht zur Anlaufstelle für Ausreden wird, warum „die Hausübung“ nicht gemacht wurde.

    In manchen Bereichen ist die Vergabe von „Erinnerungsfunktionen“ dennoch empfehlenswert z. B. ein Mitglied wirft am Anfange jeder Woche einen Blick auf den „Abholdienstkalender“. Hat sich für den bevorstehenden Abholtag noch niemand für den Abholdienst eingetragen, so fordert dieses Mitglied jemanden dazu auf.