Die interne Organisation in der Theorie

In diesem Kapitel werden bewährte Einteilungen in Arbeitsbereiche vorgestellt. Doch ebenso wie bei der Gründung gilt auch hier: jede FoodCoop ist ein individuelles Modell, das Wichtigste ist, dass die Mitglieder mit ihrer Initiative zufrieden und dadurch auch motiviert für die Mitarbeit sind.

„Irgendwer wird sich schon drum kümmern“ funktioniert in den meisten Fällen nicht. Das wird spätestens dann klar, wenn die Mitglieder ihre Produkte nicht abholen können, weil sich „irgendwer“ – also niemand – ums bestellen gekümmert hat oder zu Beginn der Abholzeit niemand das FoodCoop-Lager aufsperrt. In FoodCoops hat sich daher eine interne Organisationsstruktur etabliert , die aus vier Elementen besteht: Abholdienst, Schlüsselfunktionen, Arbeitsgruppen und Plenum.

Abholdienst

Die abwechselnde Betreuung des Abholvorgangs gehört zum Ein mal Eins des FoodCoop Engagements. In manchen FoodCoops übernehmen nicht alle Mitglieder diesen Aufgabenbereich, sondern nur Angehörige der Arbeitsgruppe „Abholdienst“. Dies hat den Vorteil, dass sich ein eingespieltes Team um das Abholprozedere kümmern kann. Nachteilig ist, dass manche Mitglieder dann sehr oft Dienste übernehmen müssen, während die meisten anderen die FoodCoop nur aus der individuellen „Ich hole meine Bestellungen ab“ Perspektive wahrnehmen und interne Abläufe gar nicht mitbekommen.

Empfehlenswerter ist es daher, dass alle Mitglieder zumindest ein bis zwei Mal pro Jahr einen Abholdienst übernehmen. Eine gute Anleitung in Form einer „To-Do-Liste für den Abholdienst" ermöglicht allen Mitgliedern di e eigenständige Erledigung dieser Aufgabe.

Schlüsselfunktionen

Manche Aufgaben in FoodCoops sind zwar nur Kleinigkeiten, für den Ablauf im Alltag aber einfach unverzichtbar. Darum werden sie gerne fix an konkrete Mitglieder vergeben. Folgende Schlüsselpositionen können vergeben werden:

  • Abholdienste einteilen: Wer macht Abholdienst? Alle! Wer macht konkret diese Woche Abholdienst? Das steht im „Abholdienstkalender“. Dieser organisiert sich aber auch nicht automatisch von alleine, also behält ein Mitglied den Kalender im Blick und schlägt Alarm, falls sich noch niemand für den bevorstehenden Dienst eingetragen hat.

  • IT: Auch wenn keine Software verwendet wird, fallen kleine „technische“ Aufgaben an, oft sin d Kommunikationskanäle davon abhängig. Ein Mitglied mit IT-Fachwissen kümmert sich um Homepagewartung, E-Mail-Verteiler administrieren etc.

  • Bestellungen: Falls keine Software verwendet wird und die Lieferantinnen nicht alle Bestellungen einzeln bekommen wollen, sammelt ein Mitglied pro Bezugsquelle die Bestellungen ein und leitet sie gebündelt an die Lieferantinnen weiter.

  • E-Mail-Account betreuen: Ein Mitglied hält Kontakt zur Außenwelt. Es ruft regelmäßig den E-Mail-Kontakt der FoodCoop ab und beantwortet Anfragen von interessierten Personen, Medien, ...

  • Kontakt zu Lieferantinnen (und externen Partnern): Manchmal benötigen Lieferantinnen akut eine konkrete Ansprechperson. Das gilt auch für die Vermieterin der Räumlichkeiten etc. Darum hat es sich bewährt, pro Lieferantin je ein fixes Mitglied als Ansprechperson zu bestimmen, am besten die Person, die auch die Bestellungen an die jeweilige Lieferantin weiterleitet.

  • Unterstützung beim Anliefern von Produkten: Z. B. ein Mitglied fährt sowieso jeden Freitag am Heimweg von der Arbeit bei einem Bauernhof vorbei und nimmt gleich die Bestellung der FoodCoop mit.

  • Einberufen des Plenums: Ein Mitglied kümmert sich um Ort, Termin, inhaltliche Vorbereitung usw. des nächsten Ple nums, und schreibt rechtzeitig ein e Einladung an alle anderen Mitglieder. Das Erinnern ist selbst dann ratsam, wenn das Plenum z. B. immer am ersten Freitag im Monat stattfindet, ansonsten wird der Termin häufig übersehen.

  • Bestellerinnerung : Ein Mitglied schreibt jede Woche eine Erinnerung an alle anderen Mitglieder, damit diese die Bestelldeadline nicht übersehen (und ev. auf neue Produkte hingewiesen werden).

  • Finanzen/Buchhaltung: Ein Mitglied hat den Kontostand im Blick und kümmert sich um die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung.

Praxistipp: In ehrenamtlichen Strukturen kann schnell mal jemand ausfallen, durch Stress im Beruf etc. Darum ist es empfehlenswert Schlüsselpositionen doppelt zu besetzen oder Ersatz vorzusehen!

Arbeitsgruppen

Manche Aufgaben sind eine Art „Projektarbeit“, sie erfordern die Zusammenarbeit von einigen Mitgliedern bzw. macht es gemeinsam mehr Spaß. Darum werden Arbeitsgruppen gegründet, die im Rahmen ihrer Kompetenzen autonom arbeiten können. Ein zentraler Vorteil: Das Delegieren von Aufgaben an Arbeitsgruppen entlastet die Großgruppe (also das Plenum). Zudem verringern Arbeitsgruppen die Abhängigkeit von Einzelpersonen, Ausfälle können leichter kompensiert werden.

Praxistipp: Viele FoodCoops klagen darüber, dass ihr Plenum mit organisatorischen Themen vollgestopft ist, weil jede aufkommende Frage dorthin verfrachtet wird. In diesen Fällen funktioniert das System der autonom arbeitenden Arbeitsgruppen meist nicht gut und muss neu überdacht werden.

Die Grenzen zwischen Schlüsselfunktionen und Arbeitsgrup- pen sind fließend. In vielen FoodCoops sind die Schlüsselpositionen in Arbeitsgruppen intergiert, es gibt dort die Arbeitsgruppen IT, Bestellungen, ... Arbeitsgruppen können auch befristet existieren, etwa bei konkreten Projekten, wie einem FoodCoop-Fest. Oder sie ruhen die meiste Zeit und werden punktuell aktiv, wie bei ei ner S peisereise.

Welche Arbeitsgruppen kommen in FoodCoops vor?

  • Öffentlichkeitsarbeit: Diese Arbeitsgruppe ver breitet Infos, sowohl innerhalb als auch außerhalb der FoodCoop. Dies geschieht, indem neue Flyer gestaltet werden, Texte für die Homepage geschrieben werden, Medienanfragen beantwortet werden, bei Veranstaltungen die FoodCoop-Idee präsentiert wird, interne The-menabende organisiert werden, ...

  • Abholdienst/Lagergestaltung: Diese Arbeitsgruppe macht sich Gedanken über das Abholprozedere und kümmert sich um die organisatorischen Rahmenbedingungen. Wie kann die Pfandrück-gabe verbessert werden? Welche Aufgaben muss der Abholdient übernehmen und welche Informationen braucht er dazu? Ist ein zusätzlicher Kühlschrank nötig, um die Abholung der Kühlprodukte besser zu gestalten? Usw.

  • Produktinfo/Speisereise/Sortiment: Diese Arbeitsgruppe sorgt für inhaltlichen Austausch mit den Produzentinnen, organisiert Besuche auf den Bauernhöfen, stellt Infomaterial für die Mitglieder zusammen und hält ständig die Augen nach zusätzlichen Produk-ten für das FoodCoop-Sortiment offen.

  • Mitgliederbetreuung: Vor allem neue Mitglieder freuen sich über Unterstützung. Diese Arbeitsgruppe organisiert daher Einführungstreffen, verfasst Willkommenstexte und steht für Mitgliederfragen aller Art zur Verfügung. Aber auch allgemeine Verwaltungsaufgaben werden übernommen, z. B. die laufende Aktualisierung der Mitgliederliste.

  • Vernetzung: Diese Arbeitsgruppe blickt über den Tellerrand der eigenen FoodCoop hinaus und steht in Austausch mit anderen FoodCoops, mit der Bewegung für Ernährungssouveränität und anderen themenverwandten Gruppierungen.

  • Impulse: Auch wenn sich alle kleinen Rädchen drehen, so kann es an Querverbindungen mangeln oder der Fokus auf den Gesamtprozess fehlen. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe stellen sich die Frage: Was ist nötig, um den Schwung nicht zu verlieren bzw. neu zu holen? Wie greifen die Rädchen am besten ineinander?

    Praxiserfahrung: Tatsächlich existiert diese Arbeitsgruppe in den wenigsten FoodCoops, da solche Fragen meist im Plenum besprochen werden. Ein gezielter Fokus auf diese Themenfeld ist aber auf jeden Fall empfe hlenswert, ansonsten werden unsichtbare Gruppenprozesse von sichtbaren Punkten überschattet. Dazu passt die Beobachtung eines langjährigen Mitglieds: „Wenn in der Bestellorganisation etwas schief läuft und deswegen die Äpfel fehlen, dann merken das sofort alle. Aber, dass die Gruppe einfach wieder mal frische Luft braucht und wir mal einen Ausflug machen sollten, wo nicht über organisatorische Dinge geredet wird, das bleibt lange unbemerkt.“

Plenum

Das Plenum ist sozusagen das Gehirn der FoodCoop. Es ist das basisdemokratische Pendant zur Vorstandssitzung eines hierarchisch geführten Vereins. Alle Mitglieder kommen in regelmäßigen Abständen (z. B. einmal im Monat) zusammen, um miteinander zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Das Plenum übernimmt das Management der FoodCoop, von der Planung bis zur Reflexion und vergibt auch Arbeitsaufträge an Einzelpersonen oder Arbeitsgruppen. Der Ablauf eines Plenums wird im Kapitel über Mitbestimmung noch ausführlich beschrieben.

Zusammenspiel der verschiedenen Arbeitsbereiche

Abschließend soll das Zusammenspiel der verschiedenen Arbeitsbereiche anhand des Beispiels „neue Mitglieder aufnehmen“ verdeutlich werden:

  • Anita bekundet per E-Mail Interesse an einer Mitgliedschaft in der FoodCoop.
  • Die Schlüsselfunktion „E-Mail beantworten“ hat Sarah übernommen. Sie antwortet Anita, dass sie bald eine Einladung zum nächsten Einführungstreffen erhalten wird und übermittelt im Anhang den Infozettel „Wie werde ich Mitglied?“.
  • Den Kontakt von Anita übergibt Sarah der Arbeitsgruppe Mitgliederbetreuung. Dort ist Franziska die Ansprechperson.
  • Sie organisiert gemeinsam mit Julia das nächste Einführungstreffen. Dazu lädt sie Anita ein.
  • Weil Franziska keine Zeit hat, gibt Julia beim folgenden Plenum kurz Bescheid, dass 7 neue Leute beim Einführungstreffen waren, 5 davon wollen wirklich mitmachen, und sie hat bei allen 5 das Gefühl, dass sie gut in die FoodCoop passen.
  • Wenn nötig, werden im Plenum grundsätzliche Fragen zur Aufnahme neuer Mitglieder diskutiert, z. B. „Hat unsere FoodCoop derzeit noch weitere freie Kapazitäten für die Aufnahme zusätzlicher Mitglieder? So eine Entscheidung geht über die autonomen Kompetenzen einer Arbeitsgruppe hinaus.