Neue Mitglieder integrieren
Dem Einstieg für neue Personen wird in den meisten FoodCoops große Aufmerksamkeit geschenkt. Das hat gute Gründe. Einerseits bedarf es einer guten Einschulung, denn die Mitglieder erledigen dann die Bestellung, Abholung und Abrechnung eigenverantwortlich. Anderseits sammeln sich in FoodCoops mit der Zeit Regeln, Wissen und informelle Sitten. Diese „Schätze“ sollten bestmöglich an Neue weitergegeben werden, damit ein stabiler Fortbestand der Gruppe gewährleistet ist. Die Integration zusätzlicher Personen ist aber keine Einbahnstraße. Neue Mitglieder sind nicht lediglich zusätzliche Arbeitskräfte oder ein 1 zu 1-Ersatz für ausgestiegene Mitglieder. Jede Person bringt eigene Meinungen und individuelles Know-how mit. Somit bedeutet jeder Neueinstieg eine Weiterentwicklung der ganzen Gruppe.
Für das alteingesessene Gründungsteam sind Veränderungen innerhalb der FoodCoop oft gar nicht so leicht zu akzeptieren. Auch ist es für routinierte Mitglieder schwierig, sich in die Lage neuer Mitglieder zu versetzen. Die Betriebsblindheit ist auch in ehrenamtlichen Strukturen weit verbreitet, gewohnte Abläufe erscheinen als logisch, Themen als nicht diskussionswürdig, weil ja eh schon in der Vergangenheit alles besprochen wurde.
Neue Mitglieder sind mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Das eigenverantwortliche Vorbestell- & Abholsystem ist ungewohnt, dazu kommt eine neuartige Organisationsform, denn die FoodCoop ist oft die erste Erfahrung mit basisdemo-kratischen und selbstorganisierten Strukturen. Ohne gezielte Unterstützung können sich neue Mitglieder überfordert oder fehl am Platz fühlen.
„Sie (die neuen Mitglieder) sind, wenn sie beispielsweise das
erste Mal an einem Plenum teilnehmen, oft in eine passive
Rolle gedrängt, hören nur zu und die Moderation bindet sie
wenig bis gar nicht ein. Es braucht deshalb einiges an Gespür
und Planung, damit neue Mitglieder sich in der FoodCoop
wohlfühlen können, sich mit der FoodCoop identifizieren und
rasch eine Idee bekommen, in welchen Bereichen sie sich am
besten aktiv beteiligen können/wollen.“
(Zitat von Anna, Mitglied einer Wiener FoodCoop.)
Es kommt immer wieder vor, dass neue Mitglieder nach kurzer Zeit wieder aussteigen. Die Ursache hierfür ist nicht immer die fehlende Integration. Manchmal passt das FoodCoop-Modell einfach nicht zum persönlichen Konsumverhalten, da kann auch die beste Einführung nicht entgegenwirken. Allen anderen neuen Mitgliedern sollte aber das Hineinwachsen möglichst leicht und angenehm gemacht werden.
Die richtige Mischung aus willkommen heißen, Regeln erklären,
im FoodCoop-Lager unterstützen und Freiräume zum selbstständigen
orientieren lassen, ist dabei gefragt.
Noch wichtiger als das Verstehen von Abläufen ist die soziale
Einbindung in die Gruppe.
Verschiedene Einführungsmethoden:
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Schnupperbesuch im FoodCoop-Lager: Interessierte Personen können natürlich während der Abholzeit einen Blick in die FoodCoop werfen. Der Besuch im FoodCoop-Lager ist eine unverbindliche und niederschwellige Möglichkeit, um erste Eindrücke zu sammeln. Allerdings bedeutet dies meist einen zusätzlichen Aufwand für den Abholdienst, der die Funktion der Ansprechperson übernimmt. Daher ist es hilfreich, wenn auf konkrete, weiterführende Einführungstools verwiesen werden kann.
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Schriftliche Erstinformationen: Damit grundlegende Fragen nicht immer wieder aufs Neue beantwortet werden müssen, lohnt sich das Erstellen einer schriftlichen Erstinformation. Diese kann sowohl ausgedruckt im FoodCoop-Lager aufliegen, als auch per E-Mail an Interessierte verschickt werden.
Neben dem allgemeinen Was und Warum sollen mit einem möglichst knackigen und übersichtlichen Dokument folgende Fragen abgedeckt werden:
- Welche Rechte und Pflichten haben die Mitglieder?
- Wie wird der Mitgliedsbeitrag bezahlt?
- Wie werden die internen Kommunikationskanäle genutzt?
- Was wird von neuen Mitglieder erwartet?
- Wie funktioniert das Bestellen?
- Wie funktioniert die Abholung und das Abrechnen?
- Wohin können offen Fragen gerichtet werden?
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Einführungstreffen: Üblicherweise treffen sich FoodCoop-Mitglieder bei der wöchentlichen Abholung und beim regelmäßigen Plenum. Beide Situationen sind für die Aufnahme neuer Mitglieder nicht ideal geeignet, weil andere Tätigkeiten und Themen Priorität haben. Natürlich können diese Möglichkeiten von neuen Personen genutzt werden, um in die FoodCoop-Welt hineinzublicken. Einzelne Fragen können dabei spontan beantwortet werden, aber Zeit für ausführliche Erklärungen ist meist nicht. Darum bieten FoodCoops für Interessierte eigene Einführungstreffen an. Ein, zwei alteingesessen Mitglieder nehmen sich dabei Zeit für eine umfassende Einführung und stehen für Fragen zu Verfügung. So ein Treffen kann z. B. alle zwei Monate vor der wöchentlichen Abholzeit angesetzt werden, dann können Interessierte gleich im Anschluss noch Einblick bekommen, wie die gerade vermittelte Theorie in der Praxis abläuft.
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Buddy-System: Ergänzend zu einem Einführungstreffen ermöglichen Buddys eine individuelle Phase des Ankommens in der FoodCoop. Buddys sind längerfristige Bezugsmenschen, die Neulingen persönlich Wissen weitergeben ҆ teils telefonisch oder per E-Mail, teils bei Treffen im FoodCoop-Lager. Diese 1 zu 1-Begleitung scheint zeitlich aufwendig, lässt sich aber gut verteilen, wenn mehrere erfahrene Mitglieder dafür zur Verfügung stehen. Buddys bieten eine sehr niederschwellige und nachhaltige Art der Einführung, weil sie über längere Zeit abrufbar bleiben u nd von Beginn an ein erster persönlicher Kontakt zur FoodCoop besteht.
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Probezeit: In vielen FoodCoops ist es üblich, dass neue Leute eine Probezeit durchlaufen, bevor sie „vollwertiges Mitglied“ der FoodCoop werden. Konkret kann dies so aussehen: Im ersten Monat sind die Neuen von ehrenamtlichen Engagement „befreit“, gleichzeitig sind sie auch bei Entscheidungen nicht stimmberechtigt. Neue Leute können diese Phase zur Orientierung im Verein nutzen. Alleine die Umstellung bei der Art und Weise des Beziehens von Lebensmitteln ist nicht zu unterschätzen. So sind wir es doch von allen anderen E inkaufsmöglichkeiten gewohnt, „bedient zu werden“. Als FoodCoop-Mitglied darf man das Bestellen nicht vergessen (muss also auch wissen, wie das Bestellen funktioniert) und am Abholtag muss man selbständig die bestellten Produkte einsammeln und abrechnen. Damit sind viele neue Mitglieder schon ausreichend gefordert. Zusätzlich ist auch wichtig, dass sich neue Mitglieder ein Bild von der FoodCoop-Kultur machen können, um sich selbst folgende Fragen beantworten zu können: Wie passe ich zur Gruppe? Wie möchte ich mich konkret im Verein engagieren? Die Probezeit dient nicht nur dem neuen Mitglied, auch die Gruppe kann sich in dieser Zeit ein Bild von der Person machen. Bei groben Bedenken kann die Aufnahme als Mitglied verwehrt werden. Dies klingt im ersten Moment hart, aber eine gut harmonierende Gruppe ist nun mal das Fundament einer FoodCoop.
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Einstiegsaufgaben: Sie sind oft Teil der Probephase, z. B. gemeinsam mit einem routinierten Mitglied einen Abholdienst übernehmen (die beste Möglichkeit, um neuen Mitgliedern einen Einblick in die Abläufe einer FoodCoop zu geben) oder sich selbst auf einem Plenum oder einer anderen internen Veranstaltung vorstellen.
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Gemeinsame Aktivitäten abseits des FoodCoop-Alltags: Alte wie neue Mitglieder sollen gerne Zeit in der FoodCoop verbringen. Nicht immer entsteht dieses Wohlgefühl alleine beim Produkte-Abholen oder während der Plenums-Sitzung. Zusätzliche Angebote sind wichtig. Sie ermöglichen ein ungezwungenes Kennenlernen der anderen Mitglieder, so entsteht gegenseitiges Vertrauen und ein persönlicher Bezug zur Gruppe. Gemeinsame FoodCoop-Aktivitäten müssen nicht zwingend mit dem „Alltagstätigkeiten“ zu tun haben: Wandertage, gemeinsames Jausnen, Kochen oder Brotbacken, selbstorganisierte Workshops, ein Bier nach dem Plenum, ...